That Warsaw
Ghetto Photograph
The
DSZ Verlag analyses this photograph in its new book:
Bilder, die
lügen (Hrsg. Prof. Dr
Sojka: Munich, 1999), Seite 41: -- Der
Junge aus dem Warschauer GhettoDie Abbildung des kleinen Jungen mit
den erhobenen Armen gehört zu den meistpublizierten
Fotos Jahrzehntelang nahezu unisono und auch heute noch weit
überwiegend heißt es in den Begleittexten, es
handele sich um eine Szene aus dem Warschauer Ghetto zur
Kriegszeit und der Junge sei zum Zwecke seiner Ermordung im
Rahmen der sogenannten Endlösung in die
Vernichtungslager überführt", bzw.
verschleppt" bzw. deportiert" worden;
häufig wird Treblinka, gelegentlich auch
Auschwitz
als Zielort seiner Verschleppung genannt; an Todesarten
erfährt man Vergasen oder Erschießen. Laut den unterschiedlichen
Bildlegenden ist der Junge mit seinen Begleitern mal
aus Bunkern herausgeholt", mal in Häusern
ausgeräuchert" worden: er gehört manchmal zu einer
Gruppe von Juden, die in eine Razzia geraten sind, bisweilen
handelt es sich bei den abgebildeten Personen um die
letzten überlebenden Aufständischen des
Warschauer Ghettos". Auch die Angaben über die
Entstehungszeit des Fotos schwanken erheblich. Beispiele aus
bundesdeutschen Schulgeschichtsbüchern: 1942"
(Wir machen Geschichte"). April 194311
(Geschichte für morgen"), Mai 1943"
(Reise in die Vergangenheit"), 1944 (Damals und
heute"). Noch früher läßt das 1977
erschienene Buch Die Rettung der Juden in Bulgarien"
die Szene spielen, nämlich 1940. von 1941 wiederum geht
Christian Zentners Illustrierte Geschichte des
Dritten Reiches" aus. Die zeitlichen Angaben in der Presse
divergieren ebenfalls: Meist wird 1943 erwähnt (wobei
sich die Monatsangaben oft von Blatt zu Blatt widersprechen:
die Dortmunder Ruhr-Nachrichten" beispielsweise
wußten am 14. Juni 1991, daß sich das Geschehen
genau am 18. Mai i 943 abgespielt hätte, während
die Schweizer Illustrierte La Suisse" meinte, das
Entstehungsdatum des Fotos in ihrer Ausgabe vom 19. Dezember
1990 auf den 13. Juli 1943 festlegen zu können).
France Soir" (Paris) wollte 1978 wissen, daß das
Foto 1941 entstanden sei, die Rheinische Post" gab in
ihrer Ausgabe vom 22. Mai 1991, drei Jahre später,
nämlich 1944, für die Entstehung des Bildes
an. Jahrelang blieb der Junge mit den
erhobenen Armen namenlos. Dann, 1978, berichtete Englands
bedeutendste jüdische Zeitung, die Jewish
Chronicle", der Junge sei gar nicht umgekommen, sondern es
handele sich um den in England lebenden wohlhabenden
Geschäftsmann Issy Rondel, Vater von vier
Kindern; die bewußte Szene habe sich 1941 in Warschau
bei einer Razzia gegen Schwarzhändler abgespielt; im
Laufe des Krieges sei Rondel mit den Eltern nach
Rußland gelangt später dann nach England
gekommen. Ein Jahr später aber, 1979, erschien in
Belgien ein Buch, demzufolge der kleine Junge mit den
erhobenen Armen ein gewisser Arthur Chmiontak gewesen
sei, den man im Zuge des Holocausts ermordet
habe, 1990-91 schließlich wurde durch
Recherchen des finnischen Zeitgeschichtlers, Autoren und
Regisseurs Matti-Juhani Karila bekannt, daß der
in den USA lebende jüdische Hals-Nasen-Ohren-Arzt
Zwi Nußbaum der kleine Junge mit den erhobenen
Armen sei. Karilas Dokumentarfilm Der Junge aus
Warschau. Annäherung an eine alte Fotografie" wurde vom
bundesdeutschen Fernsehen (NDR) ausgestrahlt, und die
zeitgeschichtliche Aufdeckung des Finnen hat sogar in einem
deutschen Schulgeschichtsbuch (Entdecken und
Vorstehen") ausdrücklich Berücksichtigung
gefunden: Der Junge wurde direkt in das KZ Bergen-Belsen
gebracht. Er überlebte -- als einziger seiner ganzen
Familie -- und wohnt heute als Facharzt in der Nähe von
New York." |