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KARL HEITMANN: Finale Furioso

HEINRICH HIMMLER - REICHSFÜHRER-SS
UND CHEF DER DEUTSCHEN POLIZEI

„Meine Ehre heißt Treue!"

„In Taten ihr sollt brennen, nicht wie Asketen, die in Gebeten sich bekennen,
Nein - wie Soldaten, die tief in Gräben Gebete leben durch ihre Taten!"
(Das ist der Wahlspruch, den die SS auf ihre Fahnen geschrieben hatte.)

UM Heinrich Himmler, den einstigen allmächtigen SS-Oberen und getreuen Paladin seines Führers Adolf Hitler, ist es in letzterer Zeit an und für sich recht still geworden. Ganz im Gegensatz jedenfalls zu einigen anderen, ebenfalls hochrangigen Repräsentanten aus der „Prätorianergarde" des an einer Vielfalt von Selbstüberschätzungen ebenso, wie an der Machtfülle seiner Gegner zerbrochenen größten Reiches der neueren deutschen Geschichte. Man nimmt etwas Rücksicht auf den gewesenen Chef des legendären „Orden unter dem Totenkopf", und selbst der fernsehgewaltige „Schuldeinpeitscher" Guido Knopp hält sich da recht vage zurück; und das zeitigt doch ganz gewiß schwerwiegende Gründe, die aber wohl in erster Linie in den streng unter Verschluß gehaltenen geheimen Kriegsakten der Alliierten, in den Katakomben der US-Administration in Washington oder in britischen Archiven zu suchen wären - und gewiß auch zu finden sind. Aber - wie heißt es doch so schön beim Volksmund - „Schlafende Hunde soll man nicht wecken...!" Anders ausgedrückt: Das Wissen lastet auf den Gewissen!

Nun erschien jüngst im Arndt-Verlag ein großformatiges, über 350 Druckseiten umfassendes Werk von Joseph Bellinger über „Himmlers Tod"; - „Freitod oder Mord", lautet da die Frage des Verfassers über die letzten Tage des Reichsführers. Der Autor zeichnet die letzten Lebenstage Himmlers nach und belegt faktenreich seine Hypothese, daß Himmler keineswegs selber Hand an sich legte, sondern - wies es Hilde Grimminger schon längst gewußt und hinter vorgehaltener Hand verkündet - von den Briten umgebracht wurde[1]. Man scheute, ja man scheut noch heute jene unbequemen Zeugen „in eigener Sache"; der Fall des ,Friedensfliegers' Reichsministers Rudolf Heß ist da sicher beispielgebend; andererseits, aber ohne Beispiel: die unerklärliche Bevorzugung ausgerechnet der Familie des einstigen Reichsführers-SS gegenüber den in Lagerhaft weggesperrten Ehefrauen und Kindern anderer, hochgestellter Parteigenossen jener Couleurs, vor allem aber der ,kleinen' Chargen aus dem weitest umspannten Führerzyklus der ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und der deutschen Wehrmacht. - Wie also war das möglich? ![2]

Ende April 1945 ist der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei zum letzten Mal Gast im Bunker unter der neuen Reichskanzlei an der Voßstraße zu Berlin. In gedämpfter Stimmung begehen die letzten Getreuen den 56. Geburtstag des Führers und Kanzlers des dem Untergang geweihten einstmals so stolzen Reiches ... In den nun folgenden Tagen macht sich Himmler auf den Weg nach Lübeck, und in der dortigen Polizeidienststelle trifft er sich am 23./24. April mit dem Vizepräsidenten des schwedischen Roten Kreuzes, Graf Folke Bernadotte, der etwa 13 000 skandinavische Gefangene aus den Konzentrationslagern herausholen möchte. Himmler hingegen macht über den Grafen den westlichen Alliierten ein Waffenstillstandsangebot, das diese jedoch ablehnen. Man ist dortseits aber der Auffassung, daß Himmler unter gewissen Voraussetzungen, aber ganz im eigenen Interesse dazu beitragen könne, die Zukunft seiner Familie, seiner Ehefrau und seiner Tochter, angenehmer zu gestalten, womit ihnen alsdann die speziell auf sie in der unumgänglichen Lagerhaft vorgesehenen extraordinären Maßnahmen erspart bleiben würden. Es handelte sich alliierterseits, wie sich alsbald herausstellen sollte, um die Herausgabe eines befehlsgemäßen Erlasses seitens des noch handlungsbefugten Obersten SS-Führers: zur Kenntnis aller in dem noch unbesetzten Reichsgebiet befindlichen Konzentrationslager, und zwar des Inhalts der sofortigen teilweisen Räumung der KL unter ‚kolonnenweiser' Inmarschsetzung der Häftlinge mit unbekannten Zielorten, jedoch nach Möglichkeit zur gleichen Zeit und Stunde[3].

Es ist der Entscheid, der über Leben und Tod noch vieler Tausender unschuldiger Menschen befindet, die voller Hoffnung des Tages und der Stunde ihrer Befreiung harrten und nun, größtenteils völlig entkräftet, auf jenen Marsch geschickt und geprügelt werden, den nur recht wenige ihrer überleben sollten. Die eigentlichen Auftraggeber zu diesem Verbrechen im Angesicht der Freiheit sollten dann später, sollten immer und immer wieder der Welt verkünden, „daß dem gesamten deutschen Volk stetig eingehämmert werden müsse, daß die ganze Nation an der gesetzlosen Verschwörung gegen die Gesittung der modernen Welt beteiligt war!" (Präsident Franklin Delano Roosevelt.)

Dieser Erlaß der ihm aufgepreßten Verordnung ist Heinrich Himmlers letzte, aber ganz gewiß auch schwerste Amtshandlung... Am 28. April wird das Waffenstillstandsangebot des Reichsführers in Berlin im schwedischen Rundfunk publik gemacht. Hitler entläßt den SS-Führer daraufhin aus allen Ämtern und befiehlt dessen Verhaftung. Es trifft denn auch am nächsten Tag in Plön ein Gesandter des Führers ein: Himmler weist den Verrat zurück; aus Angst vor der SS wird von der Verhaftung abgesehen. Als Himmler am 30. April oder 1. Mai vom Tod des Führers erfährt, reist er nach Plön und bietet sich dort Hitlers Nachfolger Karl Dönitz als zweiter Mann an. Bei einem Mittagessen erfahren Dönitz und Himmler, daß die Briten in Lübeck angekommen sind. Dönitz befiehlt die Verlegung des Hauptquartiers in die Marineschule Flensburg-Mürwik.

In der Nacht auf den 3. Mai bittet Himmler im Dorfe Esgus bei Privatleuten um Quartier. Aber noch am selben Tage ist er mit einem Gefolge von 150 Mann in Flensburg. Im Studio der Fördestadt macht er Speer den Vorschlag, die Reichsregierung solle nach Prag übersiedeln. Die alte Kaiserstadt sei geeigneter, die Reichsregierung zu beherbergen als das historisch doch unbedeutende Flensburg. Er setzt am 5. Mai im Polizeipräsidium eine Dienstbesprechung an und verkündet ein „Unantastbares Deutschland von Flensburg bis zur Eider". - Am darauffolgenden Tage aber teilt ihm Reichspräsident Dönitz mit, daß er ihn nun endgültig nicht mehr zu sehen wünsche.

*

Am 8. Mai 1945 ist der neuerdings zur Machtlosigkeit verdammte ehemalige Reichsführer-SS, von Hüholz kommend, in Kollerup beim Oberbefehlshaber Nord, General Joachim H.-H. Witthöft, Kommandant des Sperrgebiets G, dem Internierungslager für 400 000 deutsche Soldaten. Hier tauscht er seine SS-Uniform gegen die eines Feldwebels der Wehrmacht und überlegt, nach Arolsen in Hessen zu gehen.

Himmler verläßt am 10. Mai mit seinem Gefolge das auf dem Bauernhof in Hüholz bezogene Nachtquartier; nur noch elf Mann sind ihm geblieben. Sie geben sich als Angehörige der Geheimen Feldpolizei auf dem Heimweg nach Bayern aus. Himmler trägt Stiefel, feldgraue Hose und eine Art Ziviljackett oder einen grauen Regenmantel. Seinen Lippenbart hat er abrasiert, die Brille abgesetzt und eine Augenklappe umgelegt. Er nennt sich jetzt „Heinrich Hitzinger".

Am 12. oder 16. Mai ist die kleine Kolonne an der Elbe angekommen. Der Friedrichskooger Fischer Willi Platt, so berichtet Kathrin Emse*, setzt die Gruppe gemeinsam mit vielen anderen Flüchtlingen für angeblich 500 Mark auf die andere Seite des Stromes über. Sie landen in Otterndorf. Am 21. Mai greifen britische Truppen Himmler und sein Gefolge auf, erkennen jedoch nicht, wen sie vor sich haben. Er wird in das Kriegsgefangenenlager Bramstedt gebracht.

Himmler gefällt die Behandlung dort nicht. Er bittet um ein persönliches Gespräch mit dem Lagerkommandanten. Himmler nimmt ihm gegenüber die Augenklappe ab, setzt die Brille auf und gibt sich zu erkennen. Man bringt ihn in das Hauptquartier der 2. britischen Armee nach Lüneburg, wo er sich auf die von ihm im April erlassene Verfügung hinsichtlich der zu räumenden Konzentrationslager beruft und hofft, daraufhin bevorzugt behandelt zu werden. Dem ist aber nicht so. Die angeblich bei ihm in einer Zahnlücke versteckte Zyankali-Ampulle erweist sich als eine von den Alliierten in die Welt gesetzte Mär; denn sie benötigen nicht unbedingt einen Tatzeugen in einer von ihnen selbst inszenierten grausamen Sache: Man macht ‚kurzen Prozeß' und verscharrt die Leiche des ehemaligen SS-Obersten in einem Lüneburger Waldstück[3]. Es ist der 23. Mai 1945.     ln.

 

Universalquellen zu diesen Bericht:

  1. Hildegard Grimminger gegenüber den Chronisten, Clausthal, den 21. September 1978.
  2. Nach den Einmarsch der Amerikaner am 30. April 1945 in München wurden Frau Margarethe Himmler und Tochter, Gudrun, nach der kirchlichen Enklave der Bodelschwinghschen Anstalten zu Bethel b. Bielefeld verbracht. Dort auch starb Frau Himmler und fand hier ihre letzte Ruhestätte. (Nach Aussage Frau Hildegard Grimminger** gegenüber den Chronisten. Bestätigt am 27. Januar 1987 von Frau Gudrun Burwitz, geb. Himmler.)
  3. Die endgültige Grabstätte befindet sich auf den Friedhofe einer kleinen Kirchengemeinde in der Lüneburger Heide. Hier auch vollzog sich die kirchliche Trauung von Dr. Wulf-Dietrich Burwitz und Frau Gudrun, geb. Himmler.

* Nach Kathrin Emse: ‚ Himmlers Ende". In ‚Das Kriegsende. Schleswig-Holstein 1945. Eine Exklusiv-Dokumentation des shz." - Flensburg 2005

* * Hildegard Grimminger, geb. Weber *18.12.1904 Frankenberg/Sa., gest. 24.08.1981 Clausthal-Zellerfeld. Witwe des am 25.04.1892 in Augsburg geb. Möbelschreiners Jakob Gr., Ratsherr der Stadt München. Vom Führer persönlich bestimmter Träger der „Blutfahne der Bewegung", der Fahne vom Marsch nach der Feldherrnhalle am 9. November 1923; gest. am 28.01.1969 im Krhs. München-Harlaching.

 

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