Aus
dem Tagebuch eines Radikalen [English
original] KOPENHAGEN, Dänemark, den 19.
September 2003: Im Jahre 1965 war ich das
letzte Mal in dieser Stadt und zwar auf
der Durchreise nach Norwegen zu Oberst
Knut Haukelid von SOE (Special
Operations Executive), den ich im
Zusammenhang mit meinem Buchprojekt
THE
VIRUS HOUSE" interviewen
wollte. Mehrere Skandinavier, darunter einige
aus Schweden, haben mit mir Verbindung
aufgenommen, um morgen an dem kleinen
Essen teilzunehmen. Alex sagt mir, daß ein (jetzt
ehemaliger) Freund von ihm die Gäste
reihum angerufen und ihnen geraten hat,
lieber nicht zu kommen, weil ich ja so
berüchtigt' sei. Drei haben
tatsächlich abgesagt - habe dabei
nichts verloren, ist höchstens
für sie schade. Morgen spreche ich
nicht über den Holocaust, was immer
man darunter versteht, sondern über
Adolf Hitler, wer immer er war, und
die Schwierigkeit in sachlicher Weise
über ihn zu schreiben (und danach am
Leben zu bleiben). Wir haben ein ausgezeichnetes
Abendessen in einem Restaurant, das
gegenüber vom Nyhaven-Kai und dem
Haus liegt, in dem ein anderer Autor,
Hans Christian Anderson, einmal
lebte. Die Umgebung hier kommt mir vor wie ein
Büroviertel. Kopenhagen hat kaum
Schaden erlitten im Krieg. Wir werden
morgen einen Blick in das ehemalige
Gestapogefängnis werfen und an einer
anderen Stelle auf den Platz, wo
früher eine Schule stand, die die
Royal Airforce" im März 1945
mit einem Tieffliegerangriff ausradierte.
Der Angriff galt aber dem Gefängnis,
dessen Insassen durch die durch die
Bombardierung der Mauern freigesetzt
werden sollten. Die banale Bezeichnung
Nebenschäden' ("collateral
damage") gab es damals noch nicht, wohl
aber die Gleichgültigkeit des
Militärs, das dafür
verantwortlich ist. Morgen werden wir auch ein Museum
aufsuchen, in dem unter Heinrich
Himmlers Sachen auch seine falsche
Augenbinde aufbewahrt wird. Feldmarschall
Sir Bernard Montgomery vermachte
sie den Dänen. Frage mich, was Monty
wohl sonst noch alles eingesammelt
hat. Hoffe
immer noch, irgendwann das Tagebuch von
Werner Best zu finden, und ich habe
den Verdacht, daß es sich in dieser
Stadt befindet. Er sagte seinen britischen
Verhörern, die Dänen"
hätten es ihm weggenommen. Meine Jagd nach neuen Unterlagen geht
immer weiter. Best, einer der
brillantesten Nationalsozialisten, war der
Gestapo Offizier, der 1938 General von
Fritsch verhörte und später
Gouverneur von Dänemark wurde. BEIM AUFFWACHEN STELLE ICH FEST,
daß mein Hotelzimmer im 6. Stock,
das selbst zwei mit einer Wendeltreppe
verbundene Ebenen hat, genau so hoch
liegt, wie das Mitteldeck einer
großen Fähre, der Pearl
of Scandinavia", die an einen nur 17 m
entfernten Kai herangetuckert ist - ganz
lautlos, denn man kann durch die
Doppelglasfenster sicher nichts
hören, spürt wohl eher die
Erschütterungen, die von seinem
Maschinenraum ausgehen. Die Fähre ist noch zehn bis
dreizehn Meter höher als mein
Fenster. Wagen von Norwegen rollen
über die stählerne Rampe auf
dänischen Boden. Alex holt mich mit seinem Fahrer ab.
Das Freiheitsmuseum ist gut eingerichtet;
ich mache Aufnahmen von Himmlers
Augenbinde und anderen Exponaten. Die
Aktionen der Special Operations
Executive" (SOE) sind sinnfällig
dargestellt. Wir
fahren quer durch die Stadt zum Shell
House - wo Shell noch seinen Firmensitz
hat - in dessen oberster Etage einst die
Zellen der Gestapo für verhaftete
Widerstandsaktivisten lagen, die der
britische Luftangriff hätte befreien
sollen. Eine kleine Bronzetafel führt
unter dem Wappen der Royal Air
Force" zehn typisch englische Namen auf
und dazu nur ein Datum, 21. März
1945. Ansonsten keinerlei
Erklärung. Es handelt sich um das Andenken an
einen geschichtlichen Luftangriff.
Unglücklicher Weise stürzte eine
der Maschinen vom Typ Mosquitoes"
anderthalb Kilometer von hier entfernt ab.
Die nachkommenden Piloten dachten, es
handele sich bei der Explosion um einen
Treffer auf das Ziel und setzten ihre
Bombenlast prompt ab. Sie trafen eine
französische Klosterschule. Eine
Statue steht zur Erinnerung dort, eine
Nonne mit zwei ängstlich nach oben
guckenden Kindern im Arm. An die vierzig sechseckige
Pflastersteine umgeben das Standbild im
Kreis mit Namen und Altersangabe von den
170 Menschen, die hier umkamen. Das
jüngste Kind war vier oder fünf,
die älteste Nonne 1869 geboren. Es
steht nicht dabei, daß sie bei einem
britischen Luftangriff umkamen. Seltsam; mir scheint, es geschah aus
Rücksicht auf englische
Empfindlichkeit. Ähnliches
Taktgefühl waltet auch am
Timmendorfer Strand an Deutschlands
Ostseeküste: Dort steht ein Denkmal
in Erinnerung an die 7,000
Flüchtlinge von der Cap Arcona"
und Deutschland", die hier durch den
Angriff eines kanadischen Bomberpiloten
der 2. Tactical Air Force" im Mai
1945 ertranken. Auf dem Denkmal werden die
Opfer als Insassen von Konzentrationslager
bezeichnet, was allerdings nicht ganz
richtig ist. Um 13:00 treffe ich mich mit den
Eingeladenen zum Muttagessen im
Restaurant, wo sie mir beim Vortrag
über Hitler zuhören wollen. Alle
überleben es. Zwei Gäste sind
aus Schweden herübergekommen. Einige
intelligente Fragen werden am Ende
gestellt und wir beschließen so
etwas noch einmal zu unternehmen. Dann
werden wir Studenten dazu einladen, sofern
wir ihnen Zeit und Ort in sicherer Weise
mitteilen können. Wir wissen ja allzu
gut, wie gern die alten Feinde der
Wahrheit mich sprechen lassen. So nehme ich von meinem Aufenthalt in
Kopenhagen ein paar Eindrücke von der
Stadt mit: Eine helle, saubere,
geschäftige Stadt mit
altehrwürdigen Gebäuden,
Torwachen in Bärenhaut, Paläste
wie in Disneyland und Tausende von blonden
Mädchen auf Fahrrädern, die alle
Bentés Schwestern sein
könnten. Sehe keine Schwarzen und
keine übergewichtigen Leute auf der
Straße. Bemerke nur einmal eine
schnatternde Gruppe von in Baumwollstoff
verhüllten Flüchtlingen"
aus Somalien, die auf dem Bürgersteig
scheinbar ziellos entlang gehen.
DAS IST WIRKLICH DAS EINZIGARTIGE
Geheimnis der zweiten Hälfte des
letzten Jahrhunderts, beginnend mit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs: Warum
bloß haben die europäischen
Nationen trotz der häßlichen
Auswüchse eines Rassenkonflikts in
den USA vor Augen sich das gleiche Unheil
aufgehalst, das auch die Zugereisten
unglücklich macht? Als 1974 die ersten dunklen Horden von
Tamilen zum ersten Mal Westdeutschland
über Ostberlin eingeschleust
erreichten, sprach ich den Verdacht aus,
daß es sich da um eine neue Finte
Moskaus handele und man daran ging, den
alten marxistischen Klassenkampf durch
einen Rassenkampf zu ersetzen. Habe bisher
nichts gesehen, was meiner Annahme
widerspräche. Marxismus
wächst und gedeiht auf dem Boden
sozialer Spannung. Gibt es wohl eine
bessere Möglichkeit eine Nation zu
Boden zu zwingen als die, ihr eine andere,
fremde Schicht zu unterschieben, die sie
schließlich von innen her zu
zerstören droht? WIEDER IN LONDON. HABE GESTERN die
erstaunliche Nachricht auf meine Webseite
gebracht, daß Wesley Clark,
der General, gegen den wir alle
während des Krieges im Kosowo
aufgebracht waren, und der jetzt seine
Kandidatur auf das Amt
des Präsidenten angekündigt hat,
sich neuerdings auch einer eugenischen und
kosmetischen Operation unterzogen hat: Die
Jewish Telegraph Agency"
verkündet, daß sein Geburtsname
Cann" war und er von einer langen
Reihe von Rabbinern abstammt. (Cann - Verformung
von Kahin/Kohen, hebräisch für
Priester.-d.Ü.)Nicht faul hat Senator John
Kerry heute verkündet, daß
er einen jüdischen Großvater
hatte, Fritz Kohn. Na ja, damit
hätten die beiden sich meine Stimme
gesichert, wenn ich Amerikaner
wäre! "The New York Times" erwähnt heute
meine Wenigkeit in einem Bericht
darüber, wie die Verlagsgesellschaft
IPC alles versucht hat, um einen Artikel
von 1938 aus ihrer Illustrierten
Homes & Gardens" von meiner
Webseite zu entfernen: Es geht darin um
Heim und Garten eines Herrn A. Hitler,
wohlbekannter europäischer
Künstler und Staatsmann. Tom Zeller, ein Journalist der
New York Times", hat mich letzte
Woche gefragt, was ich wohl unternehmen
würde, wenn IPC versuchte, mich zur
Tilgung des Artikels von 1938 zu zwingen.
Ich habe ihm erwidert: 'Bei der Reproduktion von
Artikeln halte ich mich an das Prinzip,
daß ich immer die Quelle
ausführlich angebe (meistens
reproduziere ich zur Illustration auch
die Balkenüberschrift der Zeitung
- womit ich womöglich ein weiteres
Verbot übertrete?..)."Ha'aretz", meiner Meinung nach eine
der besten Zeitungen der Welt, hatte
auch einmal Protest bei mir eingelegt.
Ich erwiderte: Wenn ich einen
Artikel ein paar Tage nach seinem
Erscheinen auf meiner Webseite
reproduziere, dann ist das nicht
anders, als wenn ich eine Ausgabe Ihrer
Zeitung irgendwo aufsammele, mitnehme
und sie anderen zeige. Gegen solche
Gratisreklame für ihre Zeitung
kann man doch nichts haben. Sie
verlieren dadurch keine Abonnenten
sondern gewinnen eher welche
hinzu.' Wenn ich den Verdacht hege,
daß man versucht eine unangenehm
gewordene Sache zu vergraben - was wohl
der Fall war bei dem Artikel aus
Homes & Gardens" - dann setze
ich mich auf die Hinterbeine und wehre
mich so lange es geht. Das ist in den USA allerdings
schwierig, weil das Gesetz es Zeitungen
erlaubt, beim Internetanbieter, der die
Webseite bei sich unterbringt, darauf
zu dringen, daß der
anstößige Text getilgt
wird. Ich habe zwei Internetvermittler auf
diese Weise verloren (der im
Vereinigten Königreich ist
Powernet"). Sie schrieben mir
diesbezüglich, daß sie als
kleine Internetanbieter sich die
gerichtlichen Kosten nicht leisten
könnten, die eine
Auseinandersetzung mit mächtigen
Anwaltskanzleien nach sich ziehen
würde; ich solle doch, bitte
schön, meine Webseite
fpp.co.uk" woanders unterbringen,
was ich denn auch tat - (so um 1999).
Der US-Anbieter Verio dagegen hat
einfach auf Verlangen von anderen und
ohne mir etwas zu sagen die
beanstandeten Dateien aus meiner
Webseite getilgt. Die Antidiffamierungsliga'
hatte beanstandet, daß ich ihr
Logo zur Illustration reproduziert
hatte und setzte meinen
Internetanbieter unter Druck. Daraufhin
veränderten wir das Zeichen und
brachten unsere eigene Version, eine
Karikatur des ADL-Sinnbilds. Da waren
die Anwälte der ADL offensichtlich
am Ende ihres Lateins, und ich hatte
Ruhe. Sollte noch hinzufügen,
daß ich im Falle einer
gerichtlichen Auseinandersetzung mit
Homes & Gardens" zu meiner
Verteidigung geltend machen würde,
(a) daß ich den Text in rechtlich
einwandfreier Art reproduziert habe,
(b) daß ich mich auf das
First Amendment" - das Recht auf
freie Meinungsäußerung -
berufe und (c) es sich um eine Sache
von hohem Interesse für die
Öffentlichkeit handelt angesichts
der Persönlichkeit, um dessen Heim
und Garten es da geht. In ihrem Artikel von heute schreibt die
New York Times" über meine
Sache wie folgt: Der britische
revisionistische Historiker David Irving,
der eine Liste von Texten, die mit Hitler
zu tun haben, auf seiner Webseite hat und
glaubt, den Holocaust habe es niemals
gegeben, hat angedeutet, daß er
schärfer reagieren könnte, wenn
er angegriffen würde.' Allerdings - aber wozu den Seitenhieb
mit dem Holocaust? Habe weder ein Buch
noch auch einen Artikel über dies
langweilige Thema geschrieben. Die Leser
meiner Webseite wissen genau, wie ich zu
der Sache stehe: Skeptisch mit Bezug auf
einige Seiten der Geschichte, halte ich
doch einiges von dem Rest für
wahr.
ZU MEINER VERWUNDERUNG muß ich
feststellen, daß ich The
Guardian", diese links-liberale englische
Tageszeitung, immer lieber lese und auch
ihre sonntägliche Schwesterzeitung
The Observer". Vielleicht bin ich
doch auch ein Linker insofern, als ich
sozial denke wie der vorher erwähnte
Künstler und Staatsmann. Er
würde sicher The Guardian" in
der jetzigen Ausrichtung geschätzt
haben. Eigentlich war es mir auch nie recht,
daß mich einige Vertreter des
journalistischen Pöbels als
Konservativen abstempelten. Sollte ich nun
deswegen den Weg zu Ende gehen und mich
auch mit jüdischen Großeltern
ausstatten? Hatte einen Versuchsballon in
der Richtung während des
Lipstadt-Prozesses im Gespräch mit
einem Journalisten der Jerusalem
Post", Tom Segev, gestartet und
meine, ich hätte einen Anflug von
Panik in seinem Blick entdeckt. GEORGE STERN KOMMT ZUM ABENDBROT und
wir genießen die Unterhaltung bis
elf Uhr. Seine Ansicht über den Irak
teile ich nicht. Er hat die verbreitete
Einstellung, daß man die Muslime
abservieren kann. Schlägt da doch
wieder das Erbe des österreichichen
Juden in ihm durch ?
AUF UM ACHT BRINGE ICH JESSICA zur Schule.
Halte sie an der Hand im Eilmarsch an die
Bushaltestelle. Sie diskutiert derweil
ganz fröhlich, wie man am besten
Leute umbringt - auf billige Art',
fügt sie hinzu. Ich sage nur, ja, zu teuer darf's
nicht werden. Mußt deinen
Bankdirektor nicht um einen Kredit angehen
müssen, weil du jemand auf teure
Weise umbringen wolltest.' 'Einfach unter ein Auto schubsen',
schlägt sie vor und kichert
dabei.' Die Post bringt heute ein Exemplar vom
Buch meiner Mutter The Dawnchild"
(das Morgenkind), das ich auf diese Weise
zum ersten Mal in fünfzig Jahren zu
Gesicht bekomme. Werde es herumliegen
lassen und sehen, ob Jessica
anbeißt. Wir wollen es neu
auflegen. Die neuen Aktenschränke kommen
morgen. Es ist höchste Zeit denn alle
meine Regale und Ablagemöbel sind im
Mai letzten Jahres laut
Gerichtsbeschluß weggeholt worden.
Wir müssen nun wieder ein
Ablagesystem austüfteln. John bringt die Nachricht, daß
der junge Tony mit seiner Einheit nach
Nordirland verlegt worden ist und er etwas
mit dem Geheimdienst zu tun hat; es ist
immerhin besser als nach Basra geschickt
zu werden. Aber es bedrückt mich
doch. Will nicht, daß er sein Leben
aufs Spiel setzt in diesem dreckigen
Kleinkrieg von Tony Blair. Bete, daß
der Geist seiner Mutter über ihn
wacht.
DER BBC BEGINNT MIT DIREKTER
Übertragung der abschließenden
Plädoyers in der Untersuchung durch
Lord Hutton. (Es geht um den Selbstmord
des englischen Waffenexperten Kelly und
seine Bemerkungen zu Tony Blairs
Behauptungen in Vorbereitung auf den Krieg
im Irak. D.Ü.) Ich hole mir eine
Tasse Tee und sehe mir die Sendung den
ganzen Tag an. Das ganze erinnert mich an meine
eigene, fünfstündige Schlußerklärung
in demselben Gerichtssaal am Ende des
Prozesses gegen Lipstadt. Es sind sogar dieselben Anwälte da
- Heather Rogers diesmal als
Verteidigerin für den
BBC-Journalisten Gilligan. Er tut
mir leid, muß er doch seine Haut
für andere zu Markte tragen. Hier
wird ein Journalist in die
Würgeschraube genommen aufgrund von
einer spontanen Bemerkung, mit der er
morgens um sechs einem Radiojournalisten
antwortete. Genau so ist es mir im
Lipstadt-Prozeß ergangen, als
Professor Richard
"Stinktier" Evans (rechts)
und sein Gefolge meine dreißig
Bücher durchforstet hatten und dabei
mit neunzehn Fehlern' aufgekommen
sind, die der Richter auf zwölf
zusammenstrich. Das kommt auf einen halben
Irrtum per Buch, das aus mir einen
Geschichtsfälscher' machte. Ich habe nicht so viel Mitgefühl
für den verstorbenen Dr. David
Kelly, der sich scheinbar die Pulsader
geöffnet hat, als er den Druck durch
die Medien und die Regierung nicht mehr
aushalten konnte, nachdem er Tony Blairs
Verlogenheit ans Licht gebracht hatte. Wie
der Staatsanwalt es in grausamer Weise
ausdrückte, wußte Kelly nicht,
was er tat. Er plauderte an die Presse
aus, er hat ausgepackt und eine
Affäre in die Welt gesetzt. Dazu
braucht man aber unerschütterliche
Entschlossenheit und den Mut sich der
Gefahr auszusetzen. All die Regale im Gerichtssaal 73 sind
heute leer; in den ersten drei Monaten von
2000 waren sie gefüllt mit den roten
Akten der Beweisaufnahme im
Lipstadt-Prozeß. Jeremy
Gompertz QC, der von Kellys Familie
beautragte Verteidiger, hakt
natürlich bei der Tatsache ein,
daß die Aussage von
Verteidigungsminister Geoffrey Hoon
im Lauf der Untersuchung und hoffentlich
unter Eid (Meineid!) in Widerspruch steht
zu der Tagebucheintragung, die ein paar
Stunden später von Alastair
Campbell, links, dem Martin
Bormann von Premierministers Blair,
vorgelegt wurde.
ICH MAG HOON SCHON VOM TYP HER NICHT.
Dieser Minister wird sicher die Ohren
anlegen und die Sache ausschwitzen, bis
Lord Hutton im Laufe dieses Winters
sein Urteil fällt. Ich würde dann die zwei Worte
Crichel Down" zischen, wenn sie
für irgend jemand in der heutigen
Regierung einen Sinn hätten. Es
interessiert mich aber zu erfahren, wie
diese Unterlage, dieses Tagebuch, erst im
letzten Moment auftauchte - zu spät,
um von dem Verteidiger eingesehen werden
zu können, bevor er die Zeugen
einschließlich Campbells an Hand
seines Inhalts hätte befragen
können. Tatsächlich ist es dem
Untersuchungsgremium in zwei Teilen
zugänglich gemacht worden - der erste
ziemlich belanglos, während der
zweite die Sätze enthält, die
Hoons Karriere sicher ein Ende setzen
werden. Wie haben die Untersucher es
überhaupt erhalten ? Es stand nicht
in ihrer Macht Beweisunterlagen zu
verlangen. Die sonst üblichen
Verfahrensregeln bei einer gerichtlichen
Voruntersuchung scheinen nicht befolgt
worden zu sein. Wenn wir ein wenig Abstand
nehmen und das Tagebuch in einem
größeren Umfeld betrachten,
fällt die Erklärung auf,
daß Tony Blair darauf bestanden
habe, der richtige Dienstweg müsse
eingehalten werden und nicht ein
Verfahren, das wie eine Verschwörung
gegen Dr. Kelly aussehen könnte.
T.B. hatte gesagt, er wolle das
System nicht an seine Grenze treiben. Ich
wollte definitive Klarheit, wer recht und
wer unrecht hatte, und wenn es auf ein
vages Unentschieden hinauslaufen sollte,
wäre das nicht gut genug für
uns.' Kann nicht umhin mich zu fragen, ob
dieser entscheidende Satz aus dem Tagebuch
nicht eine politisch berechnete,
späte Eintragung in ein Tagebuch
darstellt, dessen Text ansonsten
explosiver Stoff ist. Mit anderen Worten,
ich frage mich, ob Alistair Campbell und
sein Chef (Blair) nicht bei einer
Besprechung zu später Nachtzeit nach
Gestapo-Manier überein gekommen
waren, daß sie bei der Gelegenheit
ein oder zwei weitere ihrer
leichgewichtigen Kollegen mit
abschießen müßten, um
ihre eigene Haut zu retten: Hoon wird als
Lügner und Täuscher bloß
gestellt - meineidig obendrein. Dagegen
wird Sankt Tony herauskommen als über
jeden Tadel erhaben. BIN
FROH UNTER DEN AUS DEM MAI-DESASTER
geretteten Bildern ein Foto von mir mit
Albert Speer vom Oktober 1970 in
Frankfurt (links) zu finden. Es war
mir seit Jahren nicht mehr in die
Hände gefallen. Ja, die Naziminister,
die ihre Haft in Spandau absaßen,
waren Engel im Vergleich zu denen, die
jetzt in Whitehall regieren. Finde
auch Fotos von meinem ersten Treffen mit
Rolf Hochhuth (rechts) im
Redaktionsbüro des STERN in Hamburg -
das war vor 45 Jahren. Wir sind seitdem
gute Freunde geblieben und er ruft mich
oft an. Ich kann ihn jetzt nicht in
Deutschland besuchen und er fühlt
sich bedroht, wenn er mich in London
aufsucht. Wir leben in einer seltsamen
Welt - die der großen freiheitlichen
Demokratien.
LUDOVIC KENNEDY, EINER DER BESTEN
Militärhistoriker der Welt (siehe
seine Beschreibung des Endes der
Bismarck'), hat sich heute morgen
mit den Medien übers Kreuz gelegt.
Ihm ist wie Millionen anderer
Engländer die plötzliche und
unverhältnismäßige
Vermehrung von dunklen Gesichtern in
unserm Fernsehen aufgefallen. Eine Richtlinie positiver
Diskriminierung bedeutet natürlich,
daß weiße Kandidaten für
eine offene Stelle, die ebenso oder besser
qualifiziert sind, absichtlich
übersehen oder beiseite gelassen
werden. Es
ist natürlich falsch (und wohl
ungesetzlich) davon zu sprechen, daß
Einwanderung den Geist einer Nation
verdirbt; aber man kann wohl mit
Sicherheit sagen, daß er
beeinflußt wird. Wenn Millionen von
Einwanderern aus einer Kulturwelt in einer
anderen seßhaft werden, dann wird
die letztere darunter zu leiden haben: Die
öffentlichen Einrichtungen der
Einheimischen leiden darunter: Schulen
(siehe, wie es Schulen von Vancouver BC
ergangen ist, wo das Englische jetzt die
Sprache der Minorität ist),
Restaurants, Parks, kulturelle
Veranstaltungen, Radioanstalten, die
Polizei - überall machen die
Zugewanderten ihre Ansprüche geltend
- zum Nachteil der Einheimischen. In England, wo der Schutzmann
anderthalb Jahrhunderte die Straße
unbewaffnet überwachen konnte,
muß er jetzt eine Heckler & Koch
tragen und zwar vor allem wegen des
Abschaums, den die Einwanderungswellen mit
hereingespült haben. Letzten Endes
kann dabei niemand froh werden. Die Zeitungen berichten voller Eifer
die Geschichte von Ludovic Kennedy: Sie
gibt ihnen Gelegenheit, der Stimme des
Volkes Widerhall zu geben, während
sie andererseits ebenso lauthals wie
heuchlerisch Kritik üben am Beispiel
dieses Falls. (Die Daily Mirror"
brachte einmal folgende Überschrift:
Wir strafen den Dreckskerl von Prinz
Philip Lügen' nur um darunter die
diesbezügliche Lüge
genießerisch wiederholen zu
können.) Ludovic hat lange genug gebraucht, bis
ihm dieser Ärger über die Zunge
kam. Habe oft beobachtet, daß in
England eine der beliebtesten Sendungen am
späten Abend die Filmstreifen in
schwarz-weiß über Scotland Yard
aus den 50er Jahren sind - Edgar
Lustgarten hieß eines - die das
England der damaligen Zeit widerspiegeln.
Polizeistreifen mit Sirene, leere
Landstraßen, Seitenwege auf dem
Lande und .... nun, jeder weiß, was
damals anders war als heute. Ich habe einmal einen Richter
aufgebracht, ich glaube es war Richter
Gray, als ich in einem Vortrag vor zehn
Jahren (am 19.
September 1992 ) ironisch anmerkte,
wenn England eine multikulturelle
Wochenschau im Fernsehen haben wollte,
dann sollte man es vernünftig
anfassen. Meiner Meinung nach sollten
unsere' Nachrichten von einem Mann
möglichst im Frack und mit schwarzem
Schlips gelesen werden, wie es in den
Ruhmestagen des BBC unter Lord
Reith geschah. Damen könnten
dagegen die neuesten Kochrezepte und
Schneiderratschläge verlesen.
Schließlich könnte Trevor
Macdonald über die neuesten
Erfolge in der Aufdeckung von
Drogengeschäften und
Raubüberfälle berichten. Tatsächlich ist Macdonald, ein
Schwarzer, aber einer der wenigen
ausgesprochen gutes Englisch sprechenden
Nachrichtenansager, wobei ihm dieses gute
Englisch unter anderen Umständen zum
Nachteil gereichen könnte: Mike
Smartt, der einzige Ansager, der das
Englisch der Königin sprechen konnte
ohne seine Infinitive auseinander zu
reißen, ist ohne Sang und Klang aus
unserm Fernsehen verschwunden.
WAS LUDOVIC KENNEDY JETZT laut
ausgesprochen hat und dabei die richtigen
Verhältniswerte genannt hat,
beschreibt eine positive
Diskriminierung' (d.h. zum Vorteil der
Minderheit und Nachteil der Mehrheit), die
über die Stränge geschlagen ist.
Monatelang bin ich Benté sicher auf
die Nerven gegangen, wenn ich geduldig die
unausweichliche Ankunft eines Schwarzen in
einer Nachrichtensendung, einer
Situationskomödie oder einer
Kindersendung voraussagte. Wie absurd es auch sein mag, es
muß in jeder Szene ein Schwarzer
her, der seine Zeilen in seiner
unergründlichen Gaunersprache von
Brixton herausstottert. In letzter Zeit werden die Schreiber
dieser Komödien angehalten, schwarze
Schauspieler in Verbindung mit
weißen Mädchen zu bringen. Kein
Wunder, daß es Ludovic nach
Wiltshire gezogen hat (einer Grafschaft,
in der ausgerechnet mein Bruder der
Vorsitzende des Racial Equality
Council" ist). Amerikanische Touristen in London sagen
mir oft, wie überrascht sie sind, so
viele rassische Mischpaare herumspazieren
zu sehen. Ich antworte ihnen, daß
die weißen Mädchen
gewöhnlich aus den Kreisen kommen,
die in der Statistik als weniger vornehm
erscheinen (während weiße
Männer der gleichen Kategorie alle in
den Medien zusammen zu kommen
scheinen). Psychologen hätten hier einiges zu
erklären. Ich habe gehört, wie
weiße Mädchen ausriefen,
Wenn du mal nen Schwarzen
gehabt hast, gehst du nie zurück' (zu
andern). Ist eine Frage des Geschmacks,
nehme ich an, was Erwachsene mit
gegenseitigem Einverständnis tun.
Aber daß man es uns Abend für
Abend am Fernsehen in die Ohren stopfen
muß, sehe ich nicht ein. Dieses
feige Eintreten für den herrschenden
Zeitgeist facht nur das Feuer unter einem
siedenden Kessel an. In dieser Hinsicht sind die USA viel
vernünftiger. Sie predigen Toleranz
aber sie haben auch Schulen für
Schwarze, Sport für Schwarze,
Fernsehkanäle für Schwarze
(UPN33 in Florida) und manches andere.
Kein Ludovic erhebt dort seine Stimme. Es ist diese Art Zwang, die einem
aufstößt: Ihr sollt euch
rassisch vermischen - und der Teufel
ergreife die Zögernden.
IN DIESEM ZUSAMMENHANG sei an den
furchtlosen Kevin McDonald
erinnert, Professor an der
Universität von Kalifornien. Er
schreibt, Die Köpfe, die im
amerikanischen öffentlichen Leben
seit über einem Jahrhundert
Einwanderung predigen, werden weitgehend
von jüdischen Organisationen
beeinflußt, finanziert, angespornt
und organisiert.' Amerikanische Juden sind von Ausnahmen
abgesehen für Einwanderungsfreiheit,
weil sie glauben, Je
multikultureller die amerikanische
Gesellschaft wird, um so sicherer
fühlen sich die Juden', wie Leonard
S. Gluckmaßn, Präsident der
Hebcrew Immigrant Arid Society" es
ganz offen aussprach. Professor William Rubinstein von der
Universität von Wales in Aberystwyth
stellte die gleiche Überlegung an in
Bezug auf die Einstellung der Juden zur
Frage der Einwanderung in unser Land. Er
schickte mir seinen diesbezüglichen
Text vor einiger Zeit zu.
SCHWERE FIEBERTRÄUME HEUTE NACHT. Da
ist mein Enkel Tony im Irak gefallen;
später bin ich dann in den USA, habe
einen großen Wagen von Freunden
geborgt und sehe im Herauskommen,
daß er mit all meinem Gepäck
verschwunden ist. Mein
Mont-Blanc-Füller liegt noch auf der
Erde neben der Stelle, wo der Wagen stand.
Unter dem Gepäck befanden sich der
Laptop (Reisekomputer) mit all meinen
Manuskripten, an denen ich arbeite. -
Nachtigall ich hör' Dir
trapsen. Schlucke acht Aspirin. Lade Joel
Hayward ein, 2004 von Neuseeland
zu einem Vortrag nach Cincinnati zu kommen
(denke allerdings nicht, daß er
annimmt): 'Die Welt hat Ihre Geschichte
mit angehaltenem Atem verfolgt und ich
muß Sie beglückwünschen
dazu, wie Sie Ihren Kopf angesichts
eines solchen Angriffs hochgehalten
haben. Nicht zuletzt haben Sie gute
Arbeit damit geleistet, daß Sie
solche Mitstreiter aufgetan haben.Sie haben vielleicht bemerkt,
daß ich auf www.fpp.co.uk"
eine Datei habe, die alle die
relevanten Texte enthält. Dreimal
hoch lebe das Internet. Wenn es sich
denn frei entwickeln kann, wird es
letzten Endes unsere Feinde besiegen
und auslöschen.' Er antwortet nicht.
EIN LANGER ALPTRAUM VON BÜHNENANGST.
Habe vor einem Publikum von 2,500 Leuten
(sieht aus wie die Universität von
Pretoria, Campus Tuckies)zu sprechen,
muß aber erst zwei Oberhemden vom
Bügel holen, während alle
warten. BEGINNE MIT DEM ZEITPLAN für meine
US-Vortragstournee. Es wird knapp, wenn
ich all die anvisierten Städte noch
vor Weihnachten aufsuchen will. - Diese
Nacht ist es wieder warm. Habe einen
wieder einen furchtbaren, nicht enden
wollenden Traum in Bezug auf meinen
Reisekomputer. Diesmal verliere ich ihn in
einem Luxushotel in Düsseldorf,
scheint mir. Laufe zurück in die
Toiletten, Restaurants, usw. aber niemand
hat ihn gesehen. Am Abend gehe ich mit Jessica ins Odeon
am Leicester Square. Bin zum ersten Mal
seit über dreißig Jahren in
diesem Kino. Wir sehen uns Finding
Nemo" an. Habe nie so viel gelacht in
meinem Leben; während des ganzen
Films laufen mir die Tränen nur so
die Backen herunter. Wie viel dümmliche, kopflose
Frauen habe ich nicht kennen gelernt wie
diese Dory, die Vergeßliche Fischin.
Das Publikum brüllt, wenn sie
hochnäsig etwas fragt, wie z.B.
Was soll das heißen
Männer' und Nach der
Richtung fragen'? Das erinnert mich an
Annette V. und das Herumfahren zu
Buchgeschäften Ende der 80er Jahre in
Glasgow. Die Geschichte nimmt unerwartete
Wendungen ein und die Charaktere der
Geschichte lösen Lachsalven aus. Da
ist zum Beispiel eine köstliche Szene
von einer Haigesellschaft Anonyme
Haie': Ihr Präsident, Bruce, spricht
mit dem Akzent von Sidney (Australien),
als er die Tagung im Innern eines
U-Boot-Wracks mitten in einem Minenfeld
hält. Jessica kreischt vor Vergnügen
aber nicht während der Szenen, die
die Erwachsenen am meisten amüsieren.
Wie schade, daß Mama nicht
mitgekommen ist,' meint sie, als wir ein
Taxi heranwinken, um nach Haus zu kommen.
Es würde ihr auch gefallen
haben.' Mami ist zu Hause geblieben, um
Fame Academy" am BBC anzusehen.
Chacun à son goût" oder
Jeder soll nach seiner Weise selig
werden'.
DIE VORTRAGSREIHE MIT BUCHWIDMUNGEN, die
ich mir im nächsten Monat für
Ungarn vorgenommen habe, ist
überwältigend: Drei oder vier
Veranstaltungen pro Tag und das zehn Tage
lang. Bekomme überraschend Post vom
Außenministerium in Berlin. Das
nunmehr zehnjährige Einreiseverbot
ist aufgehoben. Nach Auskunft des
Bundesverwaltungsamtes besteht für
Sie kein Einreiseverbot in die
Bundesrepublik mehr. Die Einreisesperre
wurde gelöscht.' Aber heißt
das auch, daß ich in Deutschland
Sicherheit habe ? Oder lauert mir die
Polizei etwa auf? Schreibe an den deutschen Botschafter,
um mich zu bedanken, und an Gerhard
Frey: Also durchgestanden. Nun
Sturm brich los!" DANN KOMMT ABER DIES AUS AUCKLAND,
Australien: Ersah aus einem
Zeitungsartikel, daß Sie für
Anfang nächsten Jahres einen Besuch
in Neuseeland planen.' 'Ich bin Mitglied einer
Britisch Israel World Federation"
hier, die Verständnis für
Ihre Ansichten von Geschichte hat.
Wären Sie interessiert, zu uns
ganz privat in einem kleinen Kreis zu
sprechen? Wir sind Ihnen für Ihre
außergewöhnlichen
Beiträge zur Wahrheitsfindung
dankbar.' Was ist da denn los? Ich sage gleich
zu. Aber ist die Einladung ehrlich gemeint
?
"THE EVENING STANDARD" BRINGT eine
Besprechung von Traudl Junges
Erinnerungen, im Verlag Weidenfeld
erschienen, durch Andrew Roberts.
Ich mag ihn nicht, schreibe ihm aber
doch: 'Habe Ihre Besprechung von
Traudl Junges Erinnerungen mit
Interesse gelesen und stelle fest,
daß sie ausnahmweise gut
geschrieben ist und frei von Phrasen.
Ein Zeichen gewonnener Reife ? Es
wäre allerdings auch
großzügig gewesen, wenn Sie
erwähnt hätten, daß ich
der erste Autor war, dem sie in den
60er Jahren erlaubte ihr Manuskript zu
lesen - und ich habe viel davon in
Hitler's
War" (1975-1977) verwendet.
Auch
wäre es wohl erwähnenswert
gewesen, daß ich mit ihrer
Erlaubnis eine Kopie ihres Manuskripts
dem Institut für Zeitgeschichte
für seine Sammlung Irving vermacht
habe. Dort ist es dann mehr als einmal
wiederentdeckt worden von weniger
fleißigen Geschichtsschreibern
(wie Ian Kershaw - mit Verlaub).Als ich sie damals zum ersten Mal
interviewte, waren ihre Reaktionen noch
ziemlich echt, und ihre Erinnerungen
stimmten überein mit ihren
Aufzeichnungen von 1948. Später
unterlag sie allmählich einer
geistigen Verwerfung. Das begann sich
klar abzuzeichnen in der Fernsehserie
The World at War", als sie im
nachhinein Gedanken in die
Vergangenheit projizierte, wobei Albert
Speers Erfolg mit solcher Anpassung
wohl eine Rolle gespielt hat. Unter
vier Augen aber blieb sie genau so wie
Leni Riefenstahl bis zum
Schluß unverändert; in ihrem
Todesjahr schickte sie uns noch
Grüße nach Cincinnati zu
unserer Veranstaltung. Nur drei aus dem inneren Kreis
leben meines Wissens heute noch: Otto
Günsche, der Hitlers Leiche
verbrannte. - Walter Frentz, der
das entzückende Foto von Traudl
Junge machte und der Augenzeuge des
Judenmassakers vor Minsk im August 1941
war. Bei der Gelegenheit war Heinrich
Himmlers langer Ledermantel mit Blut
bespritzt worden. - Und dann lebt noch
Fritz Darges, Martin Bormanns
Adjutant, der am 16. Juli 1944 wegen
einer berühmt gewordenen
Geschichte mit einer Fliege seinen
Posten verlor.Das war so: Nachdem eine Fliege eine
Weile in der Lagebaracke ihre Kreise
gedreht hatte und auf Hitlers Schulter
gelandet war, schimpfte dieser, man
solle sie entfernen. In Verkennung des
Ernstes der Lage erwiderte Darges,
daß das die Sache des
Luftwaffenadjudanten sei, da es sich
doch um ein fliegendes Objekt
handele. Hitler daraufhin: Sie
kommen sofort zur Ostfront!" Darges wurde gen Osten geschickt,
und vier Tage später explodierte
Stauffenbergs Bombe genau an der
Stelle, wo er sonst gestanden
hätte. Traudl Junge
bestätigte mir die Echtheit dieses
Vorfalls, wie es auch andere von
Hitlers Adjutanten getan hatten'. Roberts antwortet nicht. Erhalte
dagegen einen Zeitungsauschnitt aus der
heutigen Newsday" mit der Nachricht,
daß Günsche gerade verstorben
ist - am 2. Oktober. Er sein Leben
anständig und sinnvoll
geführt Günsche war ein guter Charakter
mit einem ausgeprägten Sinn für
Geschichte. Er hat sich nie dem Diktat des
herrschenden Zeitgeistes unterworfen. Ich
habe an anderer Stelle erzählt, wie
er mir Eingang zu Hitlers innerem Kreis
verschaffte, nachdem der Sohn von
Feldmarschall Keitel mich ihm Ende der
60er Jahre vorgestellt hatte. Günsche hatte seinerzeit noch mit
keinem anderen Autor gesprochen. Ich habe
noch das Tonband von dem Interview, das er
mir gewährte, und auch die mit dem
Füller gezeichnete Skizze von dem
Bunkerraum, wie er aussah, als er ihn am
30. April 1945 betrat, um die Leichen von
Hitler und Eva herauszuholen.
14. OKTOBER 2003. BRINGE JESSICA zur
Schule - wir lachen und scherzen
fröhlich die ganze Busfahrt
hindurch.... Am Nachmittag wird sie von
Michael abgeholt, mit dem sie zum ersten
Mal nach Irland fährt. Abends sitzt
Benté ganz niedergeschlagen im
Wohnzimmer. Es ist so ungewohnt, unser
kleines Mädchen nicht um uns herum zu
haben. Nächste Woche in Ungarn wird
mir das noch schlimmer abgehen. Jemand schickt mir einen Artikel aus
der Berliner Morgenpost": Auf
Verlangen von dieser und anderen Zeitungen
ist das deutsche Einreiseverbot für
mich erneut verhängt worden. Das
widerspricht europäischem Recht; ich
muß also womöglich wieder vor
Gericht gehen. Es erstaunt mich immer
wieder, bis wohin die traditionellen
Feinde der Wahrheit gehen, um eine Stimme
zu unterdrücken. Es ist jetzt so still ohne Jessica. Schicke folgenden Brief an die
Post: 'Hatte schon früher
Beschwerde eingelegt wegen der
Unannehmlichkeiten, die uns ein
Postbeamter bereitet, indem er mit
einem selbstgefertigten Stempel auf die
für uns einlaufenden Briefe
VERZOGEN. ZURÜCK
AN ABSENDER druckt.Dieser Trick bereitet uns manche
Schwierigkeiten. Der Umschlag, den ich
hier anlege, kam von einem griechischen
Verleger und enthielt einen wichtigen
Vertragsentwurf. Die Post hat ihn
zurückgehen lassen, nachdem er in
der Sortierstelle als unzustellbar
abgestempelt war. Wir haben um ein Haar eine wertvolle
Geschäftsverbindung mit diesem
Verleger verloren. Er hat den Brief
jedoch noch einmal aufgegeben und zwar
an eine andere Adresse, die dem
Schuldigen im Sortierraum wohl nicht
bekannt war. Halten Sie uns bitte auf
dem laufenden in Bezug auf den
Fortschritt Ihrer Untersuchung dieser
mißlichen Sache. Wir haben
darunter jetzt seit über sechs
Wochen zu leiden gehabt - und das sind
sechs Wochen zu viel.'
20. OKTOBER 2003: BUDAPEST Das
letzte Mal war ich 1979 in Budapest, als
Janos Kádár noch an der
Regierung war. Ich suchte nach Unterlagen
über die Erhebung von 1956, die gegen
Juden, Kommunisten und Bolschewiken
gerichtet war. Mein auf den damaligen
Nachforschungen beruhendes Buch UPRISING
[Aufstand in Ungarn]
erschien im Oktober 1981 - und das war
auch eine traurige Zeit für meine
Familie. Ich weiß noch gut, wie ich am
Samstag in Londons East End die ganze
Nacht im Zusammenhang mit unserer
Familientragödie herumfuhr und
gelegentlich anhielt, um die erste
Morgenausgabe einer Sonntagszeitung nach
der andern zu kaufen. Mein Buch würde
nämlich am Sonntag erscheinen und ich
war gespannt, wie die Besprechungen
aussehen würden. Das Thema über Nachkriegsungarn
lag nicht auf meiner Linie der Themen zum
Zweiten Weltkrieg - und meine Leserschaft
war nicht erbaut davon. Auch die Londoner
Buchrezensenten waren es nicht, wie ich an
dem frühen Sonntagmorgen feststellen
mußte. Eine Besprechung fiel
negativer aus als die andere und
schließlich brachte The Sunday
Times" den Höhepunkt mit einem
giftigen Angriff von seiten des ehemaligen
Kommunisten Arthur Koestler - der
sich später den Tod gab - und in
The Observer" von seiten des Neal
Ascherson, dessen Objektivität
sich gleich in der Überschrift seiner
Besprechung niedergeschlagen hatte:
Ein Eimer voll Rotz'.
WAS DIESE BEIDEN UND ANDERE gleich
aufgebracht hatte, war die Liste der in
dem Buch erwähnten Personen, die ich
auf Rat meines Londoner Verlegers Hodder
& Stoughton gleich zu Anfang gebracht
hatte. Der Verlagsredakteur sagte mir, ich
solle nach jedem Namen auch das Bekenntnis
angeben, Calvinist, Jude oder Katholik, da
dies in dem beschriebenen Drama eine
wichtige Rolle zu spielen schien. Das stimmte allerdings. Die
führenden Kommunisten, Köpfe der
Geheimpolizei und die Folterspezialisten
sowie die verachtungswürdigsten
Intellektuellen waren nämlich alle
Juden, während es fast keiner unter
den Heldengestalten war, und so kann ich
die Reaktion von Koestler und Ascherson
wohl verstehen. HABE
DEN HAGEREN ASCHERSON MIT glatt werdendem
Schädel manchmal kurz im Publikum im
Gerichtssaal 73 gesehen während des
Lipstadt-Prozesses von 2000 und seine
Gegenwart fiel mir besonders am Tag der
Urteilsverkündung auf. Da steckten
sie alle die Köpfe zusammen und
labten sich wie Aasgeier auf dem Feld nach
einer Schlacht. (In ihrem Kreis stand auch
der schwer-bewaffnete (!) Botschafter
Israels Dror Zeigermann.) Ihre Artikel sind aber längst im
Papiermüll gelandet - die darauf
verwandte Tinte ist
zurückgetröpfelt in die Kloake,
wo sie ihre Feder eintauchen. Meine
Bücher aber werden sich durchsetzen,
sie werden überleben bis in kommende
Jahrhunderte hinein. Man braucht nur
einmal den Blick auf die Preise der
vergriffenen Titel im Internet zu werfen,
um zu sehen, wie wertvoll sie inzwischen
geworden sind. In der Maschine nach Budapest hole ich
die Einleitung zu
UPRISING heraus und
lese sie durch. Es ist das erste Mal in
einem Vierteljahrhundert und scheint von
einem anderen als mir geschrieben zu sein.
Im strikt biologischen Sinn ist das
natürlich richtig; unsere
Körperzellen erneuern sich alle
sieben Jahre. So bin ich also sozusagen
fast vier Zellgenerationen entfernt von
dem David Irving, der das Buch schrieb.
Wie dem auch sei, der Stil war
mitreißend und ist es noch. Meine
Sehstärke mag nachlassen aber nicht
die des Geistes. Noch nicht.
UM 14:00 IM FLUGHAFEN VON BUDAPEST: Treffe
meinen Verleger Tibor mit seinem Fahrer
gleichen Namens (ein stämmiger
ehemaliger Polizist). Die Vorstädte
sind die häßlichsten, die ich
je gesehen habe: Nichts hat sich hier seit
den 50er Jahren geändert. Schmutz,
Elend, abblätternder Stukko,
Graffiti, streunende Hunde, unverputztes
Mauerwerk, verbitterte Gesichter, Staub
und überall Abfall. Was die Werbeveranstaltungen für
mein Buch anbetrifft, so bekomme ich von
Tibor die übliche Geschichte zu
hören: Unter Druck gesetzt haben
örtliche Fernsehsender und
Buchgeschäfte abgesagt;
Buchhändler zögern das Buch auf
ihre Regale zu bringen,
Großhändler stoßen auf
unvermutete Schwierigkeiten. Nur ein
Interview am Radio und eines im Fernsehen
stehen noch auf der Liste. Die Arbeiterpartei ist hier wieder an
der Macht. Der letzte Premierminister war
nach eigenem Bekunden ein Mitglied der
verhaßten AVÖ, der
Geheimpolizei. Und Jude?' frage ich;
der Fahrer nickt. Die
meisten der AVO-Offiziere waren
jüdischer Abstammung; aus dem Grunde
begann die Erhebung am 23. Oktober 1956
wie ein Pogrom. Wenn diese
funkcionariussók"
wieder an die Macht kommen, wird sich das
Rad der Geschichte einmal ganz gedreht
haben. Ich nehme um drei Uhr im Ibis-Hotel
Quartier. Es ist düster und kalt, im
ehemaligen Sowjetstil gebaut. Die
Telefonleitungen zu den Zimmern sind
abgeschaltet. Das Personal hat lange
Gesichter. Zehn Tage hier werden schlimmer
sein als im Gefängnis
Pentonville. Um 18:00 habe ich mich in einem anderen
Hotel einquartiert. Tibor sagt mir, wir
hätten jetzt zwei weitere
Veranstaltungsräume verloren, bei
Györ und Szeged. Die für die
Vermietung zuständigen Leute haben
wieder mal unter Druck kapituliert. Macht nichts, wir haben Ersatz parat.
Wir kennen ja die Leute, deren wir uns
erwehren müssen, die traditionellen
Feinde der Redefreiheit, die uns seit
über dreißig Jahren
bekämpfen. Um 21:00 Abendessen zusammen mit dem
Dolmetscher, dem Verleger und
István Csurka. Man sagt mir,
er sei der Führer einer Rechtspartei;
mag ja ganz ordentlich sein, aber ich
suche mir meine Tischgenossen lieber
selber aus.
21.OCTOBER 2003 : WIR STECKEN
fünfundfünfzig Minuten lang auf
dem anderthalb Kilometer langen Budapester
Ring im Verkehr. Es gibt hier nicht einmal
den elementarsten Ansatz zu einer Regelung
des Verkehrs. Es gibt keine gelben
Signalkästen an irgend einer der
Hauptkreuzungen mit Stoplicht. So kann
sich der Verkehr nur langsam weiterwinden.
Die Fahrer sind aggressiv, fluchen und
beschimpfen sich gegenseitig. Die Kosten
für die Wirtschaft müssen enorm
sein. In dem Theater wartet schon eine
große Menge; es gibt nur noch
Stehplätze. Zunächst spricht der
Übersetzer meines Buches, dann
István Csurka. Das Buch verkauft
sich schnell - der Erlös kommt
allerdings nicht mir zugute. Ich spreche
vierzig Minuten lang über die
Schwierigkeit, ein historisches Thema zu
bearbeiten und insbesondere das der
ungarischen Erhebung von 1956. Als ich den Namen Miklós
Vásárhelyi lobend
erwähne, erheben einige lauten
Protest. Er ist für mich
persönlich ein Held aber es scheint,
daß er sich in den neunziger Jahren
vom Feind hat aufkaufen lassen und jetzt
zum Personal des György
Sörös gehört, dem
Milliardär, dessen
Währungsspekulationen ganze
Nationalökonomien in den Bankrott
getrieben haben. Es ist schwierig, mit dem Publikum
über einen Dolmetscher in innerlichen
Kontakt zu kommen und es unter Spannung zu
halten. Man muß da ganz andere
Verhaltensregeln finden. Vielleicht sollte
ich noch ungarisch lernen, bevor mein Zug
in die Endstation einrollt und ich Petrus
über den Lautsprecher höre:
Endstation. Alles aussteigen.' Den Kopf noch voller Gemeinplätze,
eine ganze Menge davon aus meinem eigenen
Mund, kommt ich um Mitternacht ins Hotel
zurück und gehe gleich zu Bett. Es
scheint sich in den letzten 25 Jahren hier
wirklich nichts geändert zu
haben. AM MORGEN BEGINNE ICH MIT DEM Entwurf
meiner großen Rede
für den nächsten Tag. Ich stelle
ihn unter das Thema glaubt dem
Volke, nicht einer Regierung'. Ich habe
schließlich in X Sprachen geredet,
und X Länder haben mich verbannt;
aber es sind nicht die Menschen, die mich
ja anhören wollen, sondern ihre
Regierungen. Wer ist das eigentlich, die Regierung ?
Ich meine, wer regiert da wirklich? Ist es
eure eigene Regierung oder steht sie im
Sold einer fremden Übermacht ? Meine
Empfehlung für das ungarische Volk
wird heißen: Haltet an eurem
Selbstverständnis als ungarische
Nation fest. Wollt ihr wirklich Teil eines
neuen europäischen Reiches werden,
das von euch unbekannten Männern in
Brüssel regiert wird und von denen
man nicht weiß, wer sie letztlich
bezahlt ?
ZWEI WEITERE BUCH-SIGNIERUNGEN
stehen noch aus. Bei der ersten schreibe
ich meinen Namen in an die hundert
Bücher in einem Buchladen mit
angrenzendem Café - eine angenehme
Arbeit. Ein Besucher übergibt mir
eine Siegesbeute aus der Revolution - eine
acht Kilo schwere Maschinenpistole, die
sein Vater einem Geheimpolizisten von der
AVO entwunden hatte, um sie gegen die Rote
Armee zu benutzen während der
Erhebung. Zwölf Kerben sind darauf
eingeritzt. In dem zweiten Buchgeschäft bahnt
sich ein hochgewachsener, älterer
Herr einen Weg zu mir, damit ich sein Buch
autografiere. Dabei erzählt er mir,
daß er seinen vor zwanzig Jahren
geborenen ältesten Sohn in Erinnerung
an mich auf den Namen David hat taufen
lassen. Er entfernt sich schnell wieder,
bevor bei mir der Groschen fällt.
Hole ihn dann aber doch ein, als er gerade
hinausgehen will, schüttele ihm die
Hand und danke ihm in angemessener Weise
für seine rührende Geste. Aus Los Angeles erreicht mich die
Nachricht von einer Webseite mit dem Namen
deadoraliveinfo.com"
(tot-oder-lebendig), wo eine Liste von
sechstausend Namen zusammengestellt ist
und die verschieden aufgeschlüsselt
werden kann, wie z.B. nach dem
Interessengebiet, dem Geburtsdatum, usw..
In der Kategorie für Historiker
sind nur sechzehn Namen aufgeführt.
Dazu gehören Sie - neben Hugh
Trevor-Roper, Will und Arial
Durant, Arthur Schlesinger, Jr, und
ein paar anderen. Auffällig ist das
Fehlen irgend eines Namens Ihrer
konformistischen Historikerkollegen.' Wie nett. Ein richtiges Wer ist
Wer" ?
NOCH IN BUDAPEST STELLE ICH FEST,
daß man während meines
Frühstücks oben in meinem Zimmer
gefilzt hat. Hatte nämlich die
Tür hinter mir nur auf geschlossen
zugeschlagen; als ich nach zwanzig Minuten
zurückkomme, muß ich aber den
Schlüssel zweimal im Schloß
umdrehen, um aufzumachen. Es scheint
jedoch alles unberührt zu sein. Entwerfe in fünfzig Minuten einen
ordentlichen Vortrag für die
große Versammlung heute auf dem
Heldenplatz der Stadt. Ein gewisser
Michael V. fragt an: 'Ich habe kürzlich
gelesen, daß mit der Operation
Barbarossa die Rote Armee vernichtet
und das Kommunistische Regime
gestürzt werden sollte. Es ging
nicht darum, die Sowjetunion zu
besetzen, obwohl A.H. in seinem Mein
Kampf von Lebensraum' spricht.
Welche Absicht steckte nun hinter
Barbarossa?' Ich erwidere vorsichtig: Ach je,
Sie stellen aber Fragen! Es würde
eine Woche brauchen, um zu versuchen,
diese Frage zu beantworten und wie Sie
wissen, habe ich diese Woche einen
übervollen Arbeitskalender. Nur ganz kurz also: Hitler wußte
selber nie wirklich, was seine Ziele
waren. Da lag der Hund begraben. Er hat
nie einen Strich auf der Landkarte gezogen
und gesagt: Bis dahin und nicht weiter.
Alle seine Probleme rührten daher.
Das ist alles was Sie dazu von mir
bekommen.'
DIESER TAG HAT MICH AUF DIE Palme
gebracht: Mittags ruft Tibor an und bittet
mich, nach dem Mittagessen parat zum
Abholen zu stehen, da es ihm mit der Zeit
knapp würde. Gehe um 13:00 nach unten
und bestelle Lachs zum Mittagessen.
Beinahe gleichzeitig taucht sein Fahrer
auf. Wir fahren zum Heldenplatz, wo eine
riesige Menge sich schon ansammelt vor
einer Tribüne mit großen
Lautsprechern, die gut und handwerklich
einwandfrei gebaut ist. Unter den vielen,
die aus der Menge hervorkommen, um mir die
Hand zu schütteln, ist Sebastian G.,
der Sohn meiner ehemaligen
Übersetzerin für slawische
Sprachen in London. Sie ist vor zehn
Jahren nach Ungarn zurückgegangen.
Ich frage, wie es ihr geht. Sie ist
vor zwei Monaten gestorben'. Heute ist der
Jahrestag der Erhebung von 1956, ein
Nationalfeiertag, und dies ist die
bedeutendste Feierlichkeit aus dem
Anlaß. Es ist eine große Ehre für
mich. Eine schöne Veranstaltung mit
Hymnen, Gedichten und einem klangvollen
Vortrag der Liste von Namen von all den
1956 Erschossenen. Ich bin der erste von
drei Rednern. Betrete die Tribüne
unter ohrenbetäubendem Jubel. Der
Dolmetscher greift zum Mikrofon rechts von
mir. Dies
ist die größte Ansammlung von
Menschen, die ich je gesehen habe. Alles
klappt gut; wenn ich die Namen der
Bösen erwähne wie Gerö,
Fárkas, Révai und den
Dikator Rákosi, reagiert die
Menge mit Buhrufen. Meine
abschließenden deklamatorischen
Sätze lösen einen enormen
Beifall von zehntausend Leuten aus, die
jetzt hier vor mir auf dem Platz in
zunehmender Kälte stehen. Bin in
diesem Land offenbar sehr beliebt,
weiß nicht warum. Jean-Marie le Pen spricht
anschließend, zweimal so lange wie
ich, und erntet weiteren Beifall aber
vielleicht nicht so mitreißenden wie
bei mir. Dann spricht Csurka über eine
Stunde lang, während ich Hunderte von
Büchern autografiere. Ein leichter
Schnee fällt jetzt und es wird gegen
Ende der Veranstaltung bitter kalt. Wir
sind hier aber in dem abgesteckten Areal
für die großen
Persönlichkeiten eingesperrt und
können nicht fort. Eine seltsame
Mischung von professioneller Arbeit und
Stümperei ist das hier. Habe Le Pen
noch nie vorher getroffen und man hat mir
erst gestern eröffnet, daß er
hier sein würde. Habe nichts gegen
ihn, so weit ich weiß. Erfahre, daß man von mir
erwartet, heute abend noch einmal zu
sprechen und zwar in der
Kongreßhalle. Das steht aber nicht
auf meinem Programm und ich werde nicht
hingehen. Werde aber wohl am
anschließenden Abendessen
teilnehmen, wenn man mich dazu auffordert.
Mein Verleger ist nicht erbaut von meiner
Bockigkeit, aber ich mache ihm klar,
daß ich mich mit einer Reihe von
Dingen einverstanden erklärt habe und
er nicht darüber hinaus einfach
über meine Zeit verfügen kann,
wie es ihm in den Kopf kommt. Abgesehen
davon bin auch vollkommen
erschöpft. Das Abendessen zieht sich noch lange
bis nach Mitternacht hin. Es sind
ungefähr hundert Gäste da und es
gibt keine Reden. Als ich gerade weggehen
will, steht Csurka auf und eröffnet
mir, daß ich mit Le Pen morgen bei
der Pressekonferenz sein werde - ein Wagen
wird mich am Hotel abholen. Da schicke ich
meinem Verleger folgende Zeilen: 'Ich wußte bis gestern,
Dienstag, nicht, daß Le Pen auf
der gleichen Tribüne sprechen
würde wie ich... Ich bin ein
Schriftsteller, habe nichts mit einer
politischen Partei oder Bewegung zu
tun; man kann sich nicht einfach nach
eigenem Gutdünken meines Namens
oder meiner Person bedienen. Aus dem
Grunde werde ich morgen nicht an der
Pressekonferenz mit Le Pen und Csurka
teilnehmen.Die Leute sind ja nett genug aber
ich bin jedenfalls keine Figur auf
ihrem politischen Schachbrett und sie
haben kein Recht, mich einfach zu
vereinnahmen. Ich bin hier in Ungarn,
um für unser Buch zu werben und
aus keinem andern Grunde.
AUS LONDON BERICHTET BENTÉ:
Jessica scheint es in Irland gut zu
gefallen. Gestern haben sie einen Ausritt
auf Ponys gemacht, was ihr gut gefallen
hat. Es ist so still hier ohne sie!' Spreche zu fünfhundert Studenten
und anderen Leuten in der Technischen
Universität in Buda, auf dem andern
Ufer der Donau, über das Thema
Meine Forschungsarbeit im Dienste
der Realgeschichte - und die
Redefreiheit'. Autografiere weitere
hundert Bücher bei der Gelegenheit.
Hinterher esse ich mit Sebastian G. zu
Abend; er erklärt sich einverstanden,
2004 in Cincinnati einen Vortrag über
die ungarische Geheimpolizei zu
halten. Wir
fahren früh in Richtung Miskolc los.
Drei Leute, alles Kettenraucher, sitzen
mit mir im Wagen. Brrrh. Je weiter wir
nach Osten kommen, desto kälter wird
es; die Felder sind überfroren. Wir
kommen zu einem netten kleinen Buchladen,
der zum Platzen voll ist mit Leuten, die
mir alle ihre Hand mit meinem Buch in der
Hand entgegen strecken, damit ich es
autografiere. Das mache ich, bis mir der
Arm schmerzt. Ein Streifenwagen hält
draußen auf der Hauptstraße
Wacht; man ist auf Störungen
gefaßt. Ich gehe hinüber und
plaudere mit einem der Polizisten, schicke
später den Fahrer mit einem Buch
hinüber, in das ich eine Widmung
für die Rendörseg'
(Polizei) eingetragen habe. Der Verleger
läßt sich den vollen Preis
für das Exemplar bezahlen ! In
Debrecen, eine zweistündige Fahrt
weiter, spreche ich in dem düsteren
Saal der MIEP (Ungarische Wahrheits- und
Lichtpartei) vor ungefähr hundert
Zuhörern. Es fällt mir wieder
schwer, mich dauernd zu unterbrechen, um
den Dolmetscher nachkommen zu lassen.
Dadurch verliert der ganze Vortrag an
Dynamik und die Zuhörer vermissen die
Spannung. Um 22:15 sind wir wieder in Budapest.
Benté erzählt mir, daß
Jessica um fünf in der Frühe
zurück sein wird; da wird sie sicher
wieder erbrochen haben während der
Fahrt. Ich sage Benté
selbstgefällig, daß es ihre
Schuld ist, Jessica nichts von
Fahrkrankheit' gesagt zu haben -
daß es nämlich alles von ihrer
Einbildung abhängt. Mich hat man
heute 800km herumkutschiert, dabei
saß ich die ganze Zeit zwischen
Kettenrauchern und fühle mich hernach
doch noch ganz gut.
FOLGERE AUS ZEITDIFFERENZEN, daß die
Uhren gestern nacht zurückgestellt
wurden. Die US-Tour nimmt Gestalt an. Einer der
Veranstalter berichtet: Ich würde Ihnen sehr gern
helfen, einen Raum für die
Zusammenkunft am 20 Dezember in Denver
zu finden. Wohne in Littleton und kann
diese Gegend (oder Lakewood)
wärmstens empfehlen. Es ist ein
leicht zu erreichender Vorort von
Denver und eine gute Gegend. In Szeged hatte das Treffen in den
Honved Club verlegt werden müssen,
nachdem der zunächst gemietete Saal
ausfiel. Aus den üblichen
Gründen. Der Verleger ist sauer, weil
ich mich in meinem gestrigen Vortrag
über die ungarische Sprache belustigt
habe. Ich sagte, daß irgend eine
Seite ungarisch mit all den Akzenten auf
den Buchstaben für mich aussieht wie
ein Ausbruch von Masern. Er sagt,
daß es mehrere Leute beleidigt habe;
das kann ich aber kaum glauben.
"THE SUNDAY TIMES" HAT heute Richard
Evans' neuestes Buch verrissen. Dank sei
dem Rezensenten, Michael Burleigh.
Ich glaube, ich schickte ihm schon mal ein
Exemplar meines
CHURCHILL'S WAR
Bd.ii, der den Untertitel Triumph in
Adversity" trägt. Das schwülstige Werk von Evans ist
im Verlag Allan Lane erschienen, eine
Tochtergesellschaft von Penguin. Diese
hatte den Auftrag von Evans an Stelle
eines früheren für die Auflage
seines Buches Telling Lies about
Hitler" erhalten, nachdem Evans sich auf
krumme Touren aus seiner Zusage
herausgewunden hatte, um es dem Verleger
Verso zu überlassen. Er hatte auch
eine große Vorauszahlung erhalten -
waren es eine Million Pfund Sterling?
Muß es einmal nachsehen.
BELA L., DER FRÜHERE EHEMANN VON
Erika, meiner Dolmetscherin in den 70er
Jahren, kommt zu einem Glas Wein zu mir.
Er ist Virologe, hat in den 80er Jahren in
einem Labor in Tennessee gearbeitet, wo
ein diskreter FBI-Begleiter ihn nicht aus
dem Auge ließ. Er ist ein
fröhlicher, sympathischer Mensch. Er hat das Fachwissen, um die
Anthrax-Psychose in den USA (Zack,
Hatfill usw.) für mich zu
erhellen: Bei jeder Anthraxspore kann man
sofort an ihrem Fingerabdrucks"
erkennen, aus welchem Labor sie stammt. Er
könnte diese Prüfung im
Handumdrehen ausführen. Ein Freund
von ihm hat eine riesige Sammlung von
Anthraxtypen bei sich zu Haus. Ich erzähle ihm von meinem
Verdacht, daß Erika für den
Geheimdienst arbeitete. Er weist es
spöttisch zurück, war sie doch,
wie er meint, von Natur aus so
nervös, daß sie niemals
fähig gewesen wäre, es vor ihm
zu verbergen. Na ja, sie hat aber andere
Dinge vor ihm verborgen, was dann zur
Scheidung führte. -
Our
dossier on the origins of
anti-Semitism
-
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Index to this
Action Report
-
Dossier
on Richard "Skunky" Evans
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