[images
and captions added by this website. The
interview was recorded in German on January
5, 2005] Deutsche
Stimme, Februar 2005 DS-Interview
zum 60. Jahrestag der Vernichtung
Dresdens: Die
deutsche Seele ist besetztes Gebiet" David Irving im
Gespräch über Dresden, Churchill und die
umerzogenen Deutschen DER
britische Historiker David Irving begann seine
publizistische Karriere mit einer Monographie
über die Vernichtung Dresdens im Februar
1945. Seither publizierte er eine Vielzahl
zeithistorischer Werke, darunter zahlreiche
Biographien. Seine fulminante
Hitler-Darstellung, die auf profunder
Quellenkenntnis beruht, gilt unter seriösen
Historikern immer noch als epochales Werk.
Derzeit arbeitet Irving unter anderem an einer
Himmler-Biographie. Ein DS-Redaktionsteam
besuchte ihn im Januar in seiner Londoner
Wohnung und sprach mit ihm über den
Terrorangriff auf Dresden, über den
allierten Luftkrieg und die umerzogenen
Deutschen. DS: Herr Irving, Sie gelten nicht nur als einer
der profundesten Kenner der deutschen
Zeitgeschichte überhaupt, sondern insbesondere
auch der Ereignisse im Zusammenhang mit den
alliierten Vernichtungsangriffen auf Dresden, die
sich heuer zum sechzigsten mal jähren. Wie kam
es denn überhaupt zu diesem Angriff, der
militärisch ja völlig sinnlos war? Wer
trug die Verantwortung dafür? Irving:
Nun, das war sozusagen eine Leerstelle
auf der Liste. Man hatte, sagte mir
Luftmarschall Harris, eine Liste
aufgestellt, und irgendwann würde Dresden an
der Reihe sein müssen. Das konnte aber nicht
früher sein, weil Dresden bis dahin
außerhalb der Reichweite unserer
Funk-Leitstrahlen lag. Es mußte erst ein
neues Leitstrahl-System eingeführt werden, das
LORAN hieß, und sobald
es gelungen war, dieses
LORAN-System in Frankreich
aufzustellen, konnte man den Angriff gegen Dresden
fliegen, da hatte man diese Reichweite. An sich hatte Dresden überhaupt keine
militärische Bedeutung, aber man mußte
das tun. Den Bomberbesatzungen wurde bei den
Flugeinweisungen am Abend zuvor gesagt, Dresden
würde angegriffen, um den Russen einen
Denkzettel zu verpassen. Die Russen sollten merken,
wie stark unsere Luftwaffe war. Das war der
wesentlichste Grund; die Russen sollten einen
Denkzettel bekommen. DS: Was wußte man denn zum Zeitpunkt des
Angriffes, im Februar 1945, auf britischer Seite
über die deutsche Abwehr und insbesondere
über die deutsche Luftwaffe? Irving:
Über die Luftwaffe wußte man
sehr viel, und zwar aus verschiedenen Gründen.
Man konnte seit 1940 die meisten operativen
Funksprüche der Luftwaffe entziffern -- mit
dem Ergebnis zum Beispiel, daß Winston
Churchill in der zweiten Hälfte des Jahres
1940 in etwa 80 Prozent der Fälle genau
gewußt hat, welcher Teil
Großbritanniens von den Deutschen angegriffen
werden würde; das wußte man aus den
Funksprüchen, das wußte man auch anhand
der verschiedenen Funkleitstrahl-Verfahren -- eines
hieß Knickebein", andere waren die X-
und Y-Geräte --, und man konnte auf englischer
Seite den Funkleitstrahlen nachgehen und sehen, wo,
über welcher Stadt sie sich kreuzten. Aber wir
haben auch aus der Entzifferung der deutschen
Funksprüche die Angriffsziele vorher
erfahren. Es gab auch deutsche Verräter wie den
Grafen B., der mit einem deutschen Flugzeug
auf englischem Boden landete. Er war deshalb nach
dem Krieg bei der NATO sehr beliebt. Das war
eindeutig ein Verräter, der ein hochwertiges
deutsches Jagdflugzeug nach England brachte. So
jemanden kann man nur als Verräter
bezeichnen. Wir hatten auch sehr gute Spezialisten, die
alles beobachteten, zum Beispiel den
Funk-Horchdienst. Sehr interessant speziell bei den
Luftangriffen auf Dresden waren die
Funk-Gegenmaßnahmen, die auf englischer Seite
angewandt wurden, um zu verhindern, daß die
Deutschen überhaupt eine effektive Luftabwehr
aufbauen konnten. DS: Ein häufig gehörter Einwand
besagt, die Deutschen hätten durch die
Entfesselung" des Zweiten Weltkrieges die
Vernichtungsangriffe auf deutsche Städte
selbst verschuldet. Ist diese Auffassung haltbar?
Läßt sich der Angriff auf Dresden
wirklich mit den deutschen Angriffen auf Warschau,
Rotterdam oder zum Beispiel auch auf Coventry
vergleichen? Irving:
Schon wenn man die Zahlen vergleicht,
sieht man, wie absurd das ist. Der deutsche
Luftangriff auf Guernica
in Spanien im April 1937 hat 90 Menschen das Leben
gekostet. Man faselt heute von Hunderten, von
Tausenden sogar. Ich bin zu den
Krankenhäusern, den Friedhöfen in
Guernica gegangen und habe in damaligen Zeitungen
gelesen. Und da sieht man, daß weniger als 95
Menschen bei dem deutschen Luftangriff ums Leben
kamen, die meisten davon bei einem einzigen
Vorgang, wo eine Bombe auf eine Irrenanstalt fiel.
Die Verluste an diesem Tag waren so gering,
daß die Rotspanier am Tag darauf eine Liste
der Verwundeten in den Zeitungen
veröffentlichten. Daran sieht man, wie wenige
Menschen hier gestorben sind. Bei dem Luftangriff auf Rotterdam -- das war ein
taktischer Luftangriff auf die Artilleriestellungen
am 14. Mai 1940 -- ist ein Margarinelager, ein
Öllager in Brand geraten, und das hat dann
einen erheblichen Teil der Stadt in Brand gesetzt.
Etwa 900 Menschen sind dabei ums Leben gekommen,
wie mir die Stadt selbst bestätigte -- was
Churchill nicht hinderte, in seinen Memoiren von
30.000 Toten bei dem Luftangriff zu schreiben. Im
übrigen haben wir Engländer in den
nachfolgenden Jahren in Rotterdam viel mehr
Menschen durch Luftangriffe getötet als die
Deutschen. Wiederum etwas ganz Anderes war der Luftangriff
auf Warschau im September 1939, das war so, wie es
die Amerikaner unlängst in Falludja gemacht
haben. Die Deutschen hatten damals die Stadt
Warschau zur Kapitulation aufgefordert und der
Bevölkerung Gelegenheit gegeben, sich auf
vorher bezeichneten Straßen zu retten. Der
polnische Kommandant von Warschau hat die
Bevölkerung aber aufgefordert, in der Stadt zu
bleiben. Es begann dann ein Artilleriebeschuß
und auch ein Luftwaffenbombardement, das zu
erheblichem Sachschaden führte. Ich weiß
nicht, wie viele Menschen dabei ums Leben gekommen
sind. Viel wesentlicher war meines Erachtens der
deutsche Luftangriff auf Belgrad im April 1941.
Dabei sollen etwa 17.000 Menschen ums Leben
gekommen sein, das steht in einem
zeitgenössischen Dokument, ich weiß aber
nicht, wie authentisch diese Darstellung ist. Angeblich hat der Luftkrieg gegen die
Hauptstädte im Sommer 1940 angefangen. Ein
ganzes Jahr lang ist nämlich in London keine
einzige Bombe gefallen. Hitler hatte ein
Verbot ausgesprochen, London zu bombardieren. Er
hatte die Bombardierung von englischen
Luftwaffenstützpunkten und Hafenanlagen
erlaubt, aber auf London durften keine Bomben
abgeworfen werden. Etwa am 24. August 1940, ein
Jahr nach Kriegsbeginn, ist eine einzige deutsche
Bombe auf eine Straße am östlichen Ende
von London gefallen. Ein Flugzeug hatte sich
verirrt, es war angewiesen worden, eine
Öltankanlage anzugreifen. Kein Mensch ist
dabei getötet worden, niemand kam zu
Schaden. Doch
Churchill hat, als er am nächsten Morgen um
neun Uhr davon erfuhr, persönlich das Bomber
Command im Hauptquartier in High Wycombe westlich
von London angerufen und die Anweisung gegeben,
sofort mit 100 Flugzeugen Berlin anzugreifen. Er
sah, daß das die einzige Möglichkeit
sein würde, den Krieg in seinem Sinne zu
verlängern. Es war nämlich in diesem
Sommer eine Friedensbewegung in England
ausgebrochen, auch in seinem eigenen Kabinett.
Churchill sah, daß hier eine Möglichkeit
gegeben war, diese Friedensbewegung zum Schweigen
zu bringen, indem man einen Luftkrieg anfing.
Außerdem konnte man so den Amerikanern die
Schrecklichkeit der Deutschen unter die Nase
halten. Und: man konnte den Druck der deutschen
Luftangriffe von den englischen Fliegerhorsten und
Radaranlagen im Süden Englands ab- und auf die
Hauptstadt umlenken. Das war seine Absicht. Viermal haben wir dann Berlin angegriffen,
zwischen dem 25. August und 4. September 1940,
viermal hat sich Hitler geweigert, auf diese
Angriffe zu antworten. Als Churchill dann zum
vierten Mal Berlin angreifen ließ, hat Hitler
am 4. September 1940 seine berühmte Ansprache
im Sportpalast gehalten, in der er sagte: Wir
werden ihre Städte ausradieren" und so weiter.
Churchill hat darauf sofort den Befehl gegeben, am
gleichen Abend die Stadtmitte Berlins noch einmal
anzugreifen. Am 6. September erschien dann die
deutsche Luftwaffe über London, an einem
Samstagnachmittag -- kein Nachtangriff, sondern ein
Tagangriff. Damit war der Luftkrieg eröffnet.
Es war eindeutig der Wunsch Churchills, daß
es so passierte. DS: Welche Rolle spielte denn bei der britischen
Luftkriegführung das Bomber Command? War
Churchills Kurs der Kriegführung bei der
Luftwaffenführung umstritten? Gab es in
Großbritannien überhaupt einen dem
deutschen vergleichbaren militärischen
Widerstand, der bei uns schließlich in den
20. Juli mündete? Irving:
Es gab im Sommer 1940 einen Widerstand
gegen Churchill. Es stellte sich erst nach und nach
heraus, daß dahinter die spätere
Königinmutter steckte, damals Queen
Elizabeth; sie hat Churchill gehaßt. Sie
hat mit verschiedenen Admiralen konspiriert. Das
war auch mit ein Grund, warum Churchill den
Luftkrieg provozierte. Es gab damals diese
Strömung. DS:
Noch einmal zurück zum Angriff auf Dresden:
ist es denn richtig, daß zwischen den zwei
Angriffswellen absichtlich zwei Stunden Zeit
gelassen wurde, damit beim zweiten Angriff auch die
Lösch- und Sanitätseinheiten getroffen
werden konnten? Irving:
Das ist absolut richtig, das hat Bomber
Harris mir gegenüber persönlich
bestätigt, als ich ihn am 23. März 1962
besuchte. Er hat mir bestätigt, daß das
reine Taktik war -- wie das ja auch die irischen
Terroristen bei uns in England machten, die immer
zwei Bomben legten, zuerst eine kleine Bombe,
darauf kamen dann Feuerwehr und Rettungsleute, und
dann ging die große Bombe los. DS: Man hält den Deutschen in der
offiziellen Geschichtsdarstellung oft den
industrialisierten Massenmord" -- an den
europäischen Juden -- vor. Aber gab es nicht
bei der britischen Luftwaffenführung noch viel
präzisere Überlegungen, mit welchen
technischen Mitteln wie viele Deutsche am
effizientesten zu töten seien? Ich denke da
zum Beispiel an Figuren wie den
Rüstungsexperten Lindemann, den
späteren Lord Cherwell (rechts).
Haben wir es da nicht auch mit einem
singulären" Verbrechen zu tun? Irving:
Genau so habe ich das in meinem
Dresden-Buch beschrieben. Man hat zum Beispiel
genau ausgeklügelt, wie man am besten eine
deutsche Altstadt zum Brennen bringen konnte. Man
warf zuerst eine Menge Wohnblock-Knacker" ab,
das waren 4000-, später sogar
8000-Pfund-Bomben, die zerbrachen die Fenster und
rissen die Dächer herunter. Dann warf man die
Brandbomben ab, die die Gardinen und alles andere
in Brand setzten. Man hat mit Absicht die deutschen
Altstädte angegriffen, denn die brannten am
besten, und es gab, wie gesagt, diese raffinierten
Maßnahmen mit den zwei Stunden zwischen den
Angriffen. Das war alles Absicht. Ich habe Harris später danach befragt --
und es gab damals bereits die Kontroverse, ob es
nicht viel besser gewesen wäre, Auschwitz
zu bombardieren --, und er hat mir ganz burschikos
geantwortet: Herr Irving, was für ein
Irrtum, ich hätte ganz genau gewußt, wie
ich lieber sterben würde, ob an Zyankali oder
an Brandbomben." Also er wußte ganz genau,
was schmerzhafter war. Dabei muß ich sagen, er war durchaus ein
großer Befehlshaber; sein Denkmal hier an der
Fleet Street, das hat er durchaus verdient. Er war
ein Könner wie unser Feldmarschall
Montgomery oder Großadmiral Karl
Dönitz. Es kann nicht einfach gewesen
sein. Er hatte eine 50.000 Mann starke Streitmacht
unter seinem Kommando, davon sind 30.000 Mann ums
Leben gekommen. Er hätte jeden Abend den Krieg
verlieren können. Er sagte mir: Ich
hätte jeden Abend einen Schlag führen
können, der mit einer Katastrophe endet." Aber
er hat das durchgehalten bis zum Ende, auch wenn er
nicht immer einverstanden mit dem war, was er tun
mußte. Einer seiner Offiziere im Hauptquartier im
Westen Londons sagte mir einmal, wie Harris mit
seinem Wagen an einem Kreisverkehr nicht
weiterkonnte und stehenbleiben mußte. Da kam
ein Bobby, hielt ihn auf und sagte ihm: Sie
wissen, Sie hätten einen Menschen töten
können, wenn Sie weitergefahren wären."
Harris antwortete: Mann, ich töte
Tausende jeden Abend." DS: Herr Irving, Sie haben auch eine fundierte
Biographie über den britischen Kriegspremier
Winston Churchill geschrieben. Würden Sie aus
Ihrer heutigen Kenntnis der Dinge heraus Churchill
als einen Kriegsverbrecher bezeichnen? Irving:
Nach den heutigen Maßstäben
ist Churchill zweifellos ein Kriegsverbrecher.
Inzwischen ist klar festgelegt, daß solche
Luftangriffe, wie sie 1945 gegen Dresden
geführt wurden, eindeutig ein Kriegsverbrechen
sind. Schon aus Gründen der
Proportionalität: man darf nicht einfach eine
Stadt mit hunderttausend Menschen auslöschen,
um eine Zigarettenfabrik oder eine Fabrik
Glashütte auszulöschen. Das darf man
nicht. DS: Nach allen Unterlagen, die Sie im Laufe der
Jahrzehnte auswerten konnten und die Sie kennen:
wie hoch schätzen Sie die Zahl der Opfer vom
13. Februar 1945 -- gerade auch, wenn man
berücksichtigt, daß sich viele
Flüchtlinge aus dem Osten zu diesem Zeitpunkt
in der Stadt aufhielten? Irving:
Das ist leider stark politisiert, diese
Zahlenklauberei. Aus irgendwelchen Gründen,
die mir nicht ganz klar sind, hat sich die DDR
immer auf die Zahl von 35.000 Toten festgelegt. Das
ist mehr, als in dem Polizeibericht steht, aber es
ist weniger, als damals von den Fachleuten gesagt
wurde. Es gab einen Arzt in Dresden, einen
leitenden Arzt, der auch in den sechziger Jahren
noch in Dresden wohnte. Ich
habe mit ihm korrespondiert, und er hat mir
einen Brief geschrieben, in dem er sagte: die Zahl
der Toten ist 145.000. General Klaus
Mehnert, der Stadtkommandant von Dresden,
sprach diesem Mann gegenüber von einer Zahl
von 140.000. Als ich das Buch schrieb, meldete sich bei mir
ein Oberstudienrat aus Hannover namens Hanns
Voigt, der Leiter der
Vermißten-Nachweiszentrale war, Leiter der
Abteilung Tote". Er schilderte mir genau, wie
man diese furchtbare Aufgabe ausführte. Er
sagte: wir hatten zum Schluß etliche Eimer
voller Trauringe, die wir alle an die Reichsbank in
Frankfurt abgegeben haben (man weiß, was man
später mit diesen Eimern von Trauringen anfing
und behauptete!). Er sagte mir, seine
Schätzung liege bei 135.000. Diese Zahl habe
ich auch in meinem Buch erwähnt. Nachdem das Buch dann 1963 erschien, hat mir das
Bundesarchiv im Frühjahr 1966 zufällig
gleichzeitig mit dem Zentralarchiv in Dresden eine
andere Zahl genannt. Man hatte inzwischen den
polizeilichen Erfahrungsbericht gefunden. Der Mann,
der damals Leiter der SS-Polizeiführung in
Dresden war, hatte am 10. März einen Bericht
zusammengestellt -- nach dem Stand vom 2.
März, also zwei Wochen nach dem Angriff -- und
gibt darin verschiedene Zahlen an: 17.000 hier,
10.000 auf dem Altmarkt verbrannt usw. Nach diesen
Schätzungen durfte man von etwa 25.000 Toten
und etwa 35.000 Vermißten ausgehen, da
käme man auf rund 60.000. Das Ganze ist nicht so einfach, wie die
Puristen" unter den Wissenschaftlern immer
behaupten: Herr Irving, da haben Sie es
doch!" Nein, da haben wir es nicht. Es gab Leichen,
es gab Keller, da gab es nur noch einen Brei, oder
Schichten von Asche. Wie hätte man da
feststellen sollen, wie viele Leute dort verbrannt
sind? Außerdem gab es unzählige
Flüchtlinge in der Stadt, eine halbe Million
Flüchtlinge. Ganze Familien kamen ums Leben,
die kein Zuhause hatten, keinen Luftschutzkeller.
Wenn eine ganze Familie ums Leben kommt, dann gibt
es niemanden, der sie als vermißt meldet. Oder man geht das Ganze wie in Hamburg an, wo
man weiß, wie viele Wohnungen es gab und
wieviele Menschen auf jede Wohnung kamen. Auch auf
diese Weise kann man Berechnungen anstellen. Ein sehr
gutes Werk ist jetzt von der Stadt Dresden
veröffentlicht worden, da ist von
Nebenerscheinungen die Rede, anhand derer man
Berechnungen anstellen kann. Auf dem Heidefriedhof
zum Beispiel war ein Bergungskommando. Die Berichte
dieser Leute erwähnen Mitte April 1945 zum
Beispiel: wir haben hier 300 Zentner
Altkleidung." Man hat den Leichen die Kleidung
abgenommen. Und sie hatten dort fünf Tonnen
Schuhwerk, Berge von Schuhen (woran erinnert man
sich dabei?); man hatte Berge von Brillen. Man hat
die Altkleidung den Leichen abgenommen, sortiert
und gesäubert und dann an die Gefangenenlager
weitergegeben. Aber diese 15.000 Kilo Kleider sind
natürlich nicht von allen Leichen. Man sieht
die Fotos vom Altmarkt: die Leichen, die dort auf
den Scheiterhaufen zu 500 aufgestapelt sind, die
sind nicht entkleidet. Auch die Leute, die auf den
Straßen zerstückelt oder verbrannt
waren, deren Kleidung wurde ebenfalls nicht
abgenommen. Nur von den sauberen" Leichen
konnte man die Kleidung abnehmen. Auch das ist so
eine Nebenrechnung, bei der man dann wieder auf
eine andere Zahl kommt. Im Ergebnis waren es
bestimmt mehr als 60.000, vielleicht um die
100.000, vielleicht sogar 135.000. Genauer kann man
nicht sein. DS: Nun ist der Angriff auf Dresden auch ein
Kapitel bundesdeutscher Geschichtspolitik";
während einerseits deutsche Untaten in der
offiziellen Darstellung mit zunehmender Entfernung
von den Ereignissen immer größer werden,
werden deutsche Opfer nach Möglichkeit
minimalisiert. Sehen Sie aus der Perspektive des
Auslands, daß sich an diesem
Nationalmasochismus der bundesdeutschen
Geschichtspolitik in den Jahren seit der
Wiedervereinigung etwas geändert hat? Irving:
Nein, es läuft immer noch in die
falsche Richtung. Als ich im Februar 1990 zum
letzten Mal in Dresden war, da war Dresden noch
nicht politisch korrekt. Die Wiedervereinigung war
gerade im Gange, es war immer noch DDR, aber man
durfte plötzlich frei reden. Am 13. Februar,
am Abend des Luftangriffes, war ich in Dresden, es
war sehr feierlich, Leute kamen mit Kerzen -- so
etwas hat man in Westdeutschland nie gemacht an den
Jahrestagen der großen Luftangriffe. Den
Westdeutschen war das unheimlich. In den
darauffolgenden Jahren verstärkten sich dann
die Bemühungen, daß diese Art des
Gedenkens einzustellen sei. Diese ganze Zahlenklauberei geht in die gleiche
Richtung. Man möchte die richtigen Zahlen
nicht nennen. Man möchte keine Endsumme"
nennen. Genauso, wie die Endsumme sechs
Millionen" immer die gleiche bleibt, so liegt die
Zahl der Luftkriegstoten in Deutschland immer bei
ungefähr einer halbe Million". Man
weiß nicht genau, ob damit nur Deutschland
gemeint ist oder Deutschland einschließlich
der besetzten Gebiete -- aber immer bleibt es bei
ungefähr einer halben Million. Wenn man das aber auseinanderzieht: Dresden um
die 100.000, Hamburg um die 40.000, in Pforzheim
27.000, in Darmstadt 15.000, dann sieht man: diese
halbe Million kann unmöglich die richtige Zahl
sein. Doch das ist Politik, man treibt damit
Politik. DS:
Noch eine Frage zum Thema Geschichtspolitik"
in Deutschland: für erhebliche Diskussionen
hat in der Bundesrepublik im Herbst 2004 der Film
Der Untergang" (rechts) gesorgt, der
die letzten Tage Hitlers im Bunker der Berliner
Reichskanzlei thematisiert. Was sind aus Ihrer
Kenntnis heraus Punkte, wo Sie sagen würden:
nein, so war das nicht, das war anders? Irving:
Wenn man mein Werk Hitlers Krieg"
lesen würde, würde man feststellen,
daß dieser Film aus meinem Buch hätte
entstehen können. Ich stützte mein Buch
sehr weitgehend auf die engste Umgebung Adolf
Hitlers -- so zum Beispiel auf die vier
Sekretärinnen, die ihm bis zuletzt dienten und
die mich sehr unterstützten mit ihren
Niederschriften, ihren Tagebüchern. Man
bekommt dann ein ganz anderes Bild. Es ist für viele Deutsche sicherlich ganz
erstaunlich, zu sehen, daß es effektiv zwei
Hitlers gegeben haben muß -- es gibt den
Hitler aus Hollywood, und es gibt den Hitler, so
wie ihn die Leute gekannt haben, die um ihn waren.
Das war aber das allererste, was mich an dem Mann
interessiert hat. Ich hatte das Buch
Der
Untergang Dresdens" anhand der Augenzeuge, der
Leute geschrieben, die dabei waren, entweder in der
Luft oder am Boden. Mein Verleger bat mich, ihm ein
neues Werk vorzuschlagen, und ich sagte ihm: ich
möchte jetzt ein Buch über Adolf Hitler
schreiben, und zwar mit den gleichen Methoden. Ich habe mich dann mit einiger Mühe in den
Hitler-Kreis eingearbeitet, und ich stellt zu
meinem Erstaunen fest: das waren alles elegante,
intelligente, kluge, gebildete Menschen, die
entweder durch den Generalstabs-Lehrgang gegangen
waren oder durch die Universität, oder auch
sonst ganz normale Menschen. Und sie alle sprachen
über den Mann, der einmal ihr Vertrauen
besessen hatte, äußerst positiv. Ich dachte mir: das kann nicht sein.
Donnerwetter, wie kann das sein? Auf der einen
Seite haben wir den Hitler, den wir durch die
englischen Zeitungen, durch Hitler, durch Hollywood
kennen, auf der anderen Seite haben wir den Mann,
den diese Leute erlebt haben -- einen vollkommen
anderen Hitler. Deswegen habe ich diesem Mann
zwanzig, dreißig, vierzig Jahre meines Lebens
gewidmet. Und
ich bin davon überzeugt, daß meine
Hitler-Biographie im nächsten Jahrhundert die
Grundlage bilden wird. Also im nächsten
Jahrhundert werde ich wahrscheinlich unheimlich
reich werden! DS: Sie haben selbst seinerzeit mit Albert
Speer (left) und anderen Zeitzeugen
sprechen können. Ist das glaubhaft, wie es im
Untergang" dargestellt wird, daß Speer
Hitler im Angesicht des Endes widerspricht und
eingesteht, er habe die Befehle zur Zerstörung
der deutschen Infrastruktur heimlich
ausgesetzt? Irving:
Man muß vieles cum grano
salis nehmen, was Speer in seinen Memoiren und
seinen Tagebüchern schreibt. So will Speer zum
Beispiel ein Komplott geschmiedet haben, um Adolf
Hitler und sein Personal durch Giftgas umzubringen.
Er gab dann später im Nürnberger
Gefängnis unter
vier Augen Feldmarschall Milch (right)
gegenüber zu: das war alles nur
vorgetäuscht, um mein Leben zu retten. Milch
war sehr enttäuscht über diesen Mann; das
hat er in seinem Tagebuch festgehalten, daß
Speer ihm gestanden hat, daß das eine Finte,
eine Erfindung war. Man muß deshalb sehr vorsichtig sein bei
dem, was Speer sagt. Speer ist etwa am 23. April
1945 nach Berlin hineingeflogen. Eva Braun
hat ihn begrüßt und geküßt
und gesagt: Albert, ich wußte, Du
würdest uns nicht im Stich lassen" -- und er
sagte: Ich bin nur gekommen, um mich
abzumelden." Das hat er ja dann auch getan --
wahrscheinlich auch, um herauszufinden, was an
Pflaumen für die Zukunft für ihn
vorgesehen war. Er hat erst später erfahren,
daß er abgesetzt und durch Karl-Otto
Saur ersetzt worden war. DS: Sechzig Jahre sind diese Ereignisse nun her.
Wo stehen die Deutschen Ihrer Meinung nach heute?
Gehen sie souveräner mit ihrer Geschichte um
als früher? Oder haben sich Denk- und
Meinungsverbote eher noch verfestigt? Irving:
Nun, es gibt eben sotte und
sotte, wie die Schwaben es so schön sagen:
solche Deutsche und solche. Es gibt die Deutschen
im Ausland, die denken klar und richtig über
den Zweiten Weltkrieg. Und es gibt die Deutschen
innerhalb Deutschlands -- da kann man nur den Kopf
schütteln. Ich habe einmal einen Vortrag am
13. April 1998 an der Universität
Washington-Staat gehalten, da war eine mit
Humboldt-Stipendium ausgerüstete Deutsche
unter den Zuhörern. Die stand in der
Fragestunde auf und sagte: Herr Irving, ich
als Deutsche muß sagen, ich finde das nur
richtig, daß Sie in Deutschland Redeverbot
haben" und so weiter. Allmählich wurde es um
diese junge Dame still, eisig. Die Amerikaner haben
sie gar nicht verstanden -- daß ein Mensch,
anscheinend so klug und intelligent, so denken
kann, so starrsinnig und dickköpfig. Die Deutschen, die im Ausland leben, die sind
ganz anders. Wenn man die Deutschen etwa in
Argentinien kennenlernt oder in Südafrika oder
Südwestafrika -- die denken ganz anders. Ich
weiß nicht, ob die Deutschen in der
Bundesrepublik noch zu retten sind. Mal sehen. Das hat übrigens Adolf Hitler selbst schon
erkannt. Er hat mich einmal sozusagen als seinen
Biographen bestimmt -- das stimmt: er hat einmal im
August 1944 ein Gespräch geführt mit
seinem Hals-, Nasen-, Ohrenarzt, Dr. Erwin
Giesing, den habe ich interviewt. (Ich war
immer schon begeistert von Leuten, die Tagebuch
geführt haben. Wenn ich feststellte, ein Mann
aus Hitlers Umgebung hat Tagebuch geführt --
wie Feldmarschall Milch oder Rommel -- dann
unternahm ich alles, um diese Tagebücher zu
bekommen.) Da lese ich die Vernehmung von Dr. Giesing --
das war der Hals-, Nasen-, Ohrenarzt, der Hitler
für drei Monate nach dem 20. Juli behandelt
hat, ein normaler Oberstabsarzt des Heeres, ein
absolut normaler Mann, gar nicht politisch in
irgendeiner Art. Und ich sehe aus den
amerikanischen Vernehmungen Giesings: der Mann hat
Tagebuch geführt; er zitiert immer genaue
Daten: am 13. Oktober 44, da sprach Hitler mir
gegenüber über Reichsverweser
Horthy -- und so weiter. Ich fand den Vernehmungsoffizier, in Washington,
einen Dr. Cortes F Enloe, der sagte: ja,
genau, Giesing, der hat Tagebuch geführt, er
blätterte während der Vernehmung immer
nach. Ob er noch lebt, fragte ich. Weiß ich
nicht, sagte Enloe. Nun, er lebte, in Krefeld. Ich
habe ihn aufgesucht. Ich rief ihn an: Herr Giesing,
kann ich Sie aufsuchen? Ich bin englischer
Historiker, ich schreibe eine Biographie über
Adolf Hitler, ich muß Sie besuchen. Da sagte
er: Herr Irving, ich habe Sie
erwartet." Das war in den siebziger Jahren, er war noch
tätig, hatte seine Sprechstunden, er sagte:
bitte, ich habe noch eine halbe Stunde zu tun, da
nehmen Sie, das können Sie draußen
lesen. Nun, da hat er -- etwa am 23. August '44 -- ein
Gespräch mit Hitler; er ging immer nach den
Gesprächen in sein Nebenzimmer und hat sofort
das ganze Gespräch festgehalten. Da lese ich,
sinngemäß: Ich habe den
Führer gefragt, ob er wisse, daß der
Kaiser das gleiche Ohrenleiden gehabt habe. --
Woher wissen Sie das?" Ja, das wisse er aus dem
Buch von J.D. Chamier über den Kaiser,
Ein Fabeltier unserer Zeit". Ach,
das Buch kenne ich', sagt der Führer
(merkwürdig, denn das Buch war damals in
Deutschland von der sog. Parteiamtlichen
Prüfungs-Kommission auf den Index verbotener
Bücher gesetzt worden verboten). Und dann sagt Hitler: Der Kaiser ist gut
weggekommen in diesem Buch, das hat er gar nicht
verdient.'" Der Arzt sagte darauf: Ja, er hat
es gut gehabt, damals konnte man sehr
persönlich über einen Mann schreiben,
denn damals hat man viel mehr Gebrauch gemacht vom
Schriftlichen, von Briefen und so weiter. Heute
wird alles per Telefon oder Rundfunk gemacht, aber
damals konnte man anhand dieser schriftlichen
Aufzeichnungen viel persönlicher
schreiben." Hitler sagt dann: Herr Doktor, wissen Sie,
seit September '42 bin ich selbst dazu
übergegangen, alles bei mir stenographisch
aufnehmen zu lassen, alles hat seine
stenographische Ordnung, alles wird protokolliert,
im Wortlaut, und vielleicht kommt eines Tages ein
Engländer und schreibt über mich. Das
wird dann die erste objektive Biographie über
mich sein. Das kann aber nicht ein Engländer
der heutigen Generation sein, es muß einer
der nächsten Generation sein, es muß
aber auch ein Engländer sein, der die deutsche
Sprache beherrscht, und auch die ganzen Archive."
-- Deshalb am Telefon: Ich habe Sie erwartet,
Herr Irving!"... DS: Was ist zu tun? Sehen Sie Zeichen der
Hoffnung am Horizont? Könnte eine politische
Partei wie die NPD, die seit einigen Monaten im
Sächsischen Landtag vertreten ist, Akzente
auch im Bereich der Geschichtspolitik
setzen? Irving:
Ja, irgendwann kommen die Rechten in
Deutschland, aber da muß ich mich fragen, ob
ich dieses Deutschland dann besuche. Die Deutschen
sind sich selbst ihre schlimmsten Feinde. Sie
übertreiben immer. Die Deutschen kennen den
aurea mediocritas, den goldenen Mittelweg
nicht. Es muß immer schräg links oder
schräg rechts gehen. Wie heißt jetzt der
deutsche Außenminister -- Josef
Fischer? Sehen Sie, da gab
es diese schönen Fotos, wo er in seiner
Jugend einen Polizisten zusammengeschlagen hat,
zusammen mit seinen ebenso tapferen Freunden, und
jetzt ist er Außenminister... DS: Aber wenn es jetzt eine nationale Opposition
in Deutschland gibt, dann sind wir doch auf dem Weg
zu dieser goldenen Mitte... Irving:
Ja und nein. Da gibt es zu viele
Kahlgeschorene und Unverbesserliche -- genau wie in
England --, die haben nicht die Intellektuellen
gewonnen. Man muß auch Intellektuelle
für die Rechte gewinnen... DS: Natürlich. Aber das, was die Medien
über die NPD berichten, ist ja nur die
Hälfte. Die NPD besteht ja nicht zu hundert
Prozent aus Skinheads... Irving:
Ja, ich habe darüber gelesen, von
den Schwierigkeiten, die die deutschen Rechten den
Medien gegenüber hatten. Es wird nicht einfach
sein in Deutschland. Die Medien waren immer
dagegen. DS: Aber wenn es sich einpendeln würde?
Sagen wir mal, wenn es eine feste Größe
von 20 Prozent Nationalen in den Parlamenten geben
würde... Irving:
... das große Problem ist: die
Deutschen sind ein umerzogenes Volk. Das ist nicht
normal. Ich habe schon '85 gesagt, in Passau in
irgendeinem Saal: Sie sprechen davon, daß
Deutschland befreit' worden sei -- aber Sie
sind nicht befreit. Deutschland ist immer noch
besetztes Gebiet. Die deutsche Seele ist besetztes
Gebiet. So habe ich mich damals ausgedrückt.
Nichts hat sich daran geändert. Die deutsche
Seele ist besetztes Gebiet, und das wird für
die voraussehbare Zukunft auch so bleiben. Ich sehe
das so. DS: Herr Irving, wir danken Ihnen für das
Gespräch. Das Gespräch führten Henrik
Ostendorf und Karl Richter im Januar 2005.
|