Junge
Freiheit
23. Februar 2007
Wie
im Mittelalter Historische
Wahrheit und fiktive Erinnerung: Zur
Verurteilung Ernst Zündels
Doris
Neujahr DAS Urteil gegen den
Holocaust-Leugner
Ernst Zündel durch das
Landgericht Mannheim konnte nur auf die
Höchststrafe von fünf Jahren
Gefängnis lauten. Schließlich
hatte der bald 68jährige Zündel
bis zur Urteilsverkündung bereits
vier Jahre hinter Gittern gesessen - zwei
davon in kanadischer Auslieferungshaft -,
so daß eine geringere Strafe zu
einem Anspruch auf Schadensersatz durch
den Staat geführt hätte -
politisch und psychologisch eine
Unmöglichkeit![Website
comment: In fact the German courts has
ruled that Zündel's US/Canadian
imprisonment will not be offset against
the five year
sentence]. Was die juristische Seite des
langwierigen Verfahrens betrifft, hat
Volker Zastrow in einem für
bundesdeutsche Verhältnisse
freimütigen Kommentar in der
FAZ von einem kurzen
Prozeß im Gewand eines langen"
gesprochen. Er warf die Frage auf, ob
derartige Verfahren, in denen es
unmöglich (ist), entlastende
Beweise" anzuführen - da ja das
Leugnen von Sachverhalten verboten wurde,
muß mit verboten werden,
darüber zu verhandeln, ob es welche
sind" - eines Rechtsstaates überhaupt
würdig seien. Auch in anderen
großen Zeitungen klang ein Unbehagen
an, sogar bei Heribert Prantl in
der Süddeutschen. Eine
Ausnahme bildete Springers
Welt. Die Bedeutung des Zündel-Prozesses
liegt nicht nur und nicht einmal
hauptsächlich auf der juristischen
Ebene und schon gar nicht in der Person
des Angeklagten, es geht um Prinzipielles.
Die 1994 eingeführte Strafbarkeit der
Holocaust-Leugnung setzt diesen Vorgang
faktisch der Gotteslästerung und
Majestätsbeleidigung gleich. Dadurch
wird massiv die Meinungsfreiheit tangiert,
die besagt, daß keine andere Instanz
als die Wahrheit selbst über Gehalt
und Relevanz einer Meinung zu befinden
hat. Die Wahrheit braucht keinen
zusätzlichen äußeren
Schutz, weil sie durch sich selber wirkt
und ihre Leugner einfach dadurch,
daß sie ihre Unfähigkeit zur
Wahrheit demonstrieren, die
gesellschaftliche
Satisfaktionsfähigkeit verlieren. Wer behauptet, der Zweite Weltkrieg sei
nie entfesselt worden, die Atombombe auf
Hiroshima sei nie gefallen und die Mauer
in Berlin nie gebaut worden, der kann der
geschichtlichen Wahrheit nichts anhaben
und auch keine Toten beleidigen. Er macht
lediglich sich selber unmöglich, und
das nicht zu knapp. Warum
überließ man Zündel dann
nicht einfach seinem Schicksal? Offenbar dient
das Verfahren als erzieherische
Maßnahme. Laut einem taz-Bericht
hat der Vorsitzende Richter alle
Beweisanträge zum Schluß mit
der Begründung abgelehnt,
daß es unerheblich sei, ob
es den Holocaust gegeben habe oder
nicht, seine Leugnung jedenfalls sei in
Deutschland verboten". Vorausgesetzt, die Schilderung trifft
zu, dann hätte diese Begründung,
die in die mittelalterliche Dogmatik
zurückverweist, einen verborgenen
Zweck der Gesetzeslage offenbart, die zu
Zündels Verurteilung geführt
hat: Wenn Sachverhalte unter den Schutz
von Gesetzen gestellt werden, geht es gar
nicht um die Sachverhalte, sondern um die
Sicherung einer für sie beanspruchten
Deutung, Hoheit und Heiligkeit; geht es um
die Behauptung des quasi-konfessionellen
Glaubens, der sich daran knüpft; geht
es darum, Konformismus zu einer
herrschenden Glaubens- und
Wertegemeinschaft zu erzwingen. Deren Regeln stehen sogar über der
Verfassung. Dadurch entsteht eine
allgemeine Unsicherheit, in der die
Heuchelei zum Lebensprinzip der
Gesellschaft zu werden droht. Volker
Zastrow hat darauf aufmerksam gemacht,
daß seit 2005 schon das
konkludente" Billigen von
NS-Verbrechen strafbar ist. Es muß
also gar nicht mehr ausgesprochen werden,
sondern es genügt, daß
Gesinnungsprüfer aus den
Äußerungen des Delinquenten die
entsprechende Schlußfolgerung ziehen
können. Doch sind das alles nur Symptome eines
tieferen, tragischen Zusammenhangs. In
zwei Ländern ist das
Holocaust-Gedenken zur Zivilreligion
geworden: in Israel und in Deutschland.
Für die Juden ist der Holocaust (was
sich ohne weiteres nachvollziehen
läßt) ein Unvergleichliches,
das der Undarstellbarkeit unterliegt und
somit Merkmale des jüdischen Gottes
trägt. Gott ist zwar nur als
Abwesenheit, als ahnungsvolle Leerstelle
gegenwärtig, doch wird sie mit
ähnlichen Ritualen und Erwartungen
umkleidet wie sonst nur Gott. Die jüdischen Opfer werden zu
Auserwählten eines Geschehens mit
messianischer Bedeutung und treten vor
alle übrigen Opfer. Das knüpft
an die religiöse Selbstwahrnehmung
der Juden als ein auserwähltes
Volk" an. Ihrer Auserwähltheit entspricht
spiegelverkehrt der auf den Deutschen
lastende Schuldfluch, der, wie
Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel
vor dem Deutschen Bundestag erklärte,
bis zum Ende aller Zeiten" gilt.
Dieser Fluch erreicht auch die deutschen
Toten. Der absurde Ausspruch:
Deutsche Täter sind keine
Opfer" schmerzt nicht deswegen, weil
Schreihälse ohne Köpfe ihn
skandieren, sondern weil er die Logik der
Zivilreligion in Deutschland, der bei
Strafe seines sozialen Todes niemand sich
entziehen darf, konsequent auf den Punkt
bringt und den Deutschen ihre Lage
höhnisch vor Augen führt. Das bedeutet, daß die
Gedenkreligion des Holocaust in
Deutschland sich von anderen
Zivilreligionen qualitativ unterscheidet.
Normalerweise greifen sie auf einen
vorhandenen, schon geheiligten
Traditionsbestand zurück und
aktualisieren ihn mittels liturgischer
Formen. In Deutschland mußten die
Voraussetzungen der Zivilreligion erst
implementiert und dafür authentische
Erinnerungs- und Traditionsstränge
gekappt werden. Damit nicht genug, wird der Holocaust
zunehmend auch als politischer Mythos
verstanden, als Ursprungsmythos des
israelischen Staates ohnehin, seit
längerem auch der Bundesrepublik und
neuerdings sogar Europas. Ein Mythos ist
eine Große Erzählung",
die Vergangenheit und Gegenwart
zusammenschweißt. Dementsprechend
erleben wir zur Zeit, wie der Holocaust
durch Rituale, mediale Einwirkungen,
Simulationen usw. als
vergegenwärtigende Erinnerung in das
Bewußtsein eingesenkt wird. Erinnern
ist die intimste Vergegenwärtigung
der eigenen Vergangenheit. Für die
meisten Deutschen aber, weil ihre
persönliche oder Familiengeschichte
keine unmittelbaren Berührungspunkte
damit aufweist, kann es sich nur um eine
fiktive Erinnerung handeln. Für die
Implementierung eines solchen
Erinnerungssurrogats und seine
nachträglich Heiligung stellt das
historische Verstehen und das Aufzeigen
historischer Zusammenhänge einen
Störfaktor dar. Die Übermacht
des verengten, indoktrinierten
Vergangenheitsbildes führt zu
pathologischen Konfusionen im
Bewußtsein und zur Zerstörung
der Gegenwart. Günter Zehm hat vor Jahren
in einer Pankraz"-Kolumne glossiert,
wie die zur Schuldgemeinschaft"
zurechtgestutzten Deutschen sich in die
Besinnungslosigkeit der
Spaßgesellschaft"
flüchten, denn einen anderen Ausweg
läßt man ihnen nicht (JF
43/98). Wenn die Entwicklung so weitertreibt,
könnten wir am Ende in die Situation
der Marranen geraten, der zwangsgetauften
Juden im mittelalterlichen Spanien, die
von der Inquisition permanent
überwacht wurden, ob sie vom
oktroyierten Glauben wieder abfielen. Von
dem neuen Gott-Substitut ist auf Erden
keine Gnade zu erwarten. Vor seinen
Sachwaltern kann man sich verbergen, indem
man Reue und Schuldgefühl bekundet,
nicht aber vor Gott selbst. In dieser hoffnungslosen Situation
fressen Heuchelei und Schuldgefühl
sich immer tiefer ins Innere ein, werden
dort ununterscheidbar und geraten
außer Kontrolle. Der Kontrollverlust
wird idealtypisch personifiziert von der
Spezies der Antideutschen, die
Ausländern immer wieder Rätsel
aufgibt. Im Februar 2006 beobachtete der
Times-Korrespondent Roger Boyes
(der stolz darauf ist, daß sein
Vater im Zweiten Weltkrieg gegen
Deutschland gekämpft hat) in Dresden
einen Gedenkmarsch für die
Bombenopfer, dem das No Tears for
Krauts!" der Gegendemonstranten
entgegenschallte. Wegen dieser
anstößigen und dummen
Message" habe er sich auf perverse
Weise zur NPD hingezogen gefühlt, die
diesen Marsch organisiert hatte". Ganz ähnlich könnte die
Verurteilung Ernst Zündels - dessen
niederschmetternde moralische und
politische Beurteilung durch das
Mannheimer Gericht ja zutreffen mag - dazu
führen, daß er zum Kronzeugen
der bedrohten Meinungsfreiheit in
Deutschland aufsteigt. Den konkreten Fall
beiseite lassend, wird niemand, der noch
bei Verstand ist, sich wundern, daß
die aktuelle Gedenk- und Zivilreligion,
die aus einer säkularen Gesellschaft
hervorgegangen ist, um dann
selbstgewiß und zunehmend
selbstherrlich und dogmatisch die
säkularen Grenzen zu
überschreiten, die Gegenkräfte
der Säkularisierung alarmiert und
mobilisiert. Alles andere wäre der
Ausdruck von Friedhofsruhe. © JUNGE
FREIHEIT Verlag GmbH & Co. 09/07
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Our dossier on
Ernst Zündel
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FAZ
Leitartikel: 'Falsche
Europäisierung,' - sober
criticism of the laws under which
Zündel and Mr Irving are
imprisoned, argues strongly against any
extension of these absurd laws
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2004 flashback: Ernst
Zündel charged with incitement in
Germany
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2005 flashback: "A
good investment" - Cost to Canadians of
sending Zündel to his native
Germany: $130,000. "The cost of the
trip is not of great concern to members
of the Jewish community, said Bernie
Farber, executive director of the
Canadian Jewish Congress."
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