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this website Frankfurt, den 11. März 2007, Nr. 60
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Leitartikel Falsche
Europäisierung Von Reinhard
Müller Äußerungen
über historische Themen sind kein
Fall für das
Strafrecht. DIE alte Frage "Wie oft wird Hitler
noch besiegt?" muss eigentlich lauten:
Wann ist Hitler endlich besiegt?
Bisher gibt es dafür kaum
Anzeichen. - Das Hakenkreuz steht weiterhin
unter strengem staatlichen
Markenschutz. Sogar in
durchgestrichener Form ruft es
Staatsanwälte und Gerichte auf den
Plan; jetzt entscheidet darüber
der Bundesgerichtshof.
- "Mein
Kampf" steht im Giftschrank und
darf auch von den Kindern und Enkeln
der Erlebnisgeneration nicht ohne
weiteres gelesen werden.
- Das Versammlungsrecht wird
ausgerichtet an einer kleinen
Minderheit in der
Gesamtbevölkerung, die mit den
Symbolen der nationalsozialistischen
Herrschaft zu provozieren sucht.
- Althergebrachte und hart
erkämpfte Regeln der Demokratie
wie die Bannmeile rund um das Parlament
werden verändert -- beileibe nicht
nach den Wünschen der Radikalen,
aber letztlich doch an ihnen
orientiert.
- Sondergesetze zum 8. Mai und zum
Holocaust-Mahnmal sollen
Geschmacklosigkeiten verhindern und die
deutsche Erinnerungskultur frei halten
von Missbrauch.
Das offenbart die große Macht,
welche die Extremisten über diese
freiheitliche Grundordnung haben. Stets
ist sie in der Defensive -- auch im
Gedenken, wenn etwa anlässlich der
Jahrestage der
Zerstörung Dresdens durch die
Alliierten gesagt wird, man wolle den
"Rechten" nicht die Hoheit über den
Umgang mit diesem Geschehen
zugestehen. Dieser merkwürdige Umgang mit dem
hirnrissigen NS-Kult soll nun auch auf
Europa ausgedehnt werden: Die
Bundesregierung plant, während der
deutschen Ratspräsidentschaft in der
EU ein altes Vorhaben wiederzubeleben und
die Leugnung des Holocaust und anderer
Völkermorde unter Strafe zu stellen.
Damit
hat Deutschland Erfahrung. Gerade erst wurde der
notorische
Holocaust-Leugner Ernst
Zündel (oben) -- durchaus
konsequent -- zur Höchststrafe von
fünf Jahren Haft verurteilt. Nicht wenige
Gewaltverbrecher, die Menschen zu Tode
gebracht haben, und viele
Wirtschaftskriminelle kommen mit
milderen Strafen davon; das ist ein
Zeichen für die heutige Bedeutung
der Strafnorm "Volksverhetzung". Einst sollte damit die "Anreizung zum
Klassenkampf" bekämpft werden.
Später
sprach der Gesetzgeber von "Klimaschutz";
Bundesjustizministerin Zypries
(links) redet nun vom "sozialen Frieden".
Auch die EU-Kommission unterstützt
den deutschen Vorstoß "in vollem
Umfang". Sie weist jegliche Bekundung von
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
zurück und verurteilt sie mit aller
Entschiedenheit. Das ist gut zu hören, es wäre
schlimm, wenn es anders wäre. Doch
solche Fanfarenstöße sind im
Grunde nicht nötig. Das friedliche Zusammenleben aller
Bevölkerungsgruppen wird nämlich
schon längst geschützt, nicht
zuletzt vom Strafrecht: durch die
Beleidigungsdelikte und
selbstverständlich auch dadurch, dass
das Aufstacheln zum Hass gegen bestimmte
Bevölkerungsgruppen unter Strafe
steht. Doch wurde das
Delikt der Volksverhetzung unter einer
recht großen Koalition immer mehr
zu einem Sondergesetz gegen bestimmte
Äußerungen und Meinungen --
und das stößt sich an der
Meinungsfreiheit des Grundgesetzes und
auch an den europäischen
Grundwerten. Denn trotz der Einschränkungen,
die das deutsche Strafgesetzbuch vorsieht
und die auch die Bundesjustizministerin
nun in einen europäischen
Rahmenbeschluss schreiben will, ist
festzuhalten: Äußerungen
über geschichtliche Vorgänge
sind keine Fälle für das
Strafrecht, es sei denn, man will
bestimmte Themen tabuisieren oder eine
Denkart vorschreiben. Beides steht zur
freiheitlichen Demokratie in
Widerspruch. Wer allgemein bekannte historische
Tatsachen leugnet, macht sich ohnehin
lächerlich. Nachfragen muss aber
jeder dürfen. Nichts darf per Gesetz
außer Streit gestellt werden.
Historische Fakten stehen fest. Aber was
wir von ihnen wissen und wie wir sie
beurteilen, ist einem ständigen
Wandel unterworfen. Insofern sind sowohl der wegen seines
Beharrens auf der Existenz des
türkischen Völkermords an den
Armeniern zeitweise in der Türkei
verfolgte Orhan Pamuk als auch der
britische Historiker David Irving,
der in Wien wegen Holocaust-Leugnung in
Haft war (oben), Opfer eines falschen
Gesinnungsstrafrechts. Dass auch das Verharmlosen von
historischem Unrecht strafbar ist,
führt zu absurden Ergebnissen. So
wurde ein Landesvorsitzender
des Bundes der Vertriebenen angeklagt,
weil er öffentlich darauf hingewiesen
hatte, dass die Zahl der Auschwitz-Opfer,
wie er in Polen erfahren habe, deutlich
niedriger sei als früher
angenommen. Tatsächlich entsprach seine Zahl
in etwa dem Stand der neuesten Forschung.
Doch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs
kann auch ein solches "bewusstes
Infragestellen der Opferzahlen von
Auschwitz" strafbar sein. Zudem ist eine pflichtgemäße
Verteidigung solcher Angeklagter kaum noch
möglich, ohne dass sich der Anwalt
selbst strafbar macht. So wird neben der Meinungsfreiheit eine
weitere grundlegende rechtsstaatliche
Errungenschaft aus politischen
Gründen über Bord gekippt. Noch
gibt es die nicht unberechtigte Hoffnung,
dass das Bundesverfassungsgericht einigen
Auswüchsen, die überdies keinem
einzigen Völkermordopfer helfen,
Einhalt gebietet. Doch in solchen Fragen politischer
Korrektheit kennen die europäischen
Regierungen keine Zweifel. Da wähnt
man sich immer auf der richtigen Seite --
wie damals bei der Isolierung
Österreichs, als die FPÖ in die
Wiener Regierung aufgenommen wurde. Dass
der nun geplante Rahmenbeschluss letztlich
den Ewiggestrigen in die Hände
spielen könnte, scheinen weder die
Bundesregierung noch die anderen
europäischen Befürworter zu
bedenken. ©
Frankfurter Allgemeine Zeitung
2007 -
Our dossier on
Ernst Zündel
-
-
Wie
im Mittelalter:Historische Wahrheit und
fiktive Erinnerung: Zur Verurteilung
Ernst Zündels
-
2004 flashback: Ernst
Zündel charged with incitement in
Germany
-
2005 flashback: "A
good investment" -- Cost to Canadians
of sending Zündel to his native
Germany: $130,000. "The cost of the
trip is not of great concern to members
of the Jewish community, said Bernie
Farber, executive director of the
Canadian Jewish Congress."
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