AR-Online logo Posted on Saturday, March 24, 2001
Index to David Irving's

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IN JANUARY1965 years author David Irving and Rolf Hochhuth met for an interview in the Der Stern office in Hamburg. An improbable Dutzfreundschaft between the historian and the leftwing liberal playwright began, which has lasted ever since.

Ein Kronzeuge für Hochhuths These war der britische Historiker David Irving, dem der Dramatiker freundschaftlich verbunden war. Diese Beziehung sollte in der Folge das Verhältnis zwischen Mann und Hochhuth stark belasten. Denn dass sich Hochhuth mit diesem revisionistischen Geschichtsschreiber einliess, konnte ihm Golo Mann bis an sein Lebensende nicht verzeihen.

 

 

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Berne, Switzerland, Samstag, den 24. März, 2001


Images below:

  • Demonstrationen gegen die «Stellvertreter»-Aufführung in Basel 1963. (Foto P. Armbruster, Basel)
  • Rolf Hochhuth zur Zeit der «Stellvertreter»-Kontroverse in den Sechzigerjahren. Adelmann/Manfred Ehrlich (SLA)
  • Postkarte von Rolf Hochhuth an Golo Mann aus dem Jahre 1987 zur Filbinger-Affäre. (SLA, Archiv Rolf Hochhuth)

 

«Sie sind ein Fanatiker der Gerechtigkeit»

Ein spannungsreiches Vierteljahrhundert: Der Briefwechsel Rolf Hochhuth / Golo Mann

T. FEITKNECHT, K. LÜSSI

Demo gegen HochhuthWOHL kein Schriftsteller im 20. Jahrhundert hat eine derart starke direkte politische Wirkung gehabt wie Rolf Hochhuth: Mit seinem Stück «Der Stellvertreter» (1963), das die Haltung des Papstes gegenüber dem Holocaust kritisierte, erschütterte er den Vatikan und die katholische Kirche.

Mit dem Drama «Soldaten», das am Mythos des britischen Kriegspremiers Churchill kratzt, löste er in Grossbritannien einen politischen Sturm aus, so dass eine Aufführung erst nach der Abschaffung der Theaterzensur 1968 zustande kam.

Und mit seiner Publizistik um die Tätigkeit der deutschen Juristen während der Nazi-Zeit bewirkte er 1978 den Rücktritt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Karl Filbinger.

An und von Golo Mann

Hochhuth ist kein Historiker, sondern ein Schriftsteller, der historische Themen literarisch gestaltet. Bei den umfangreichen Recherchen zu seinen Werken stützt er sich immer wieder auf die Arbeiten von Historikern.

Einer, mit dem Hochhuth während eines Vierteljahrhunderts in Verbindung stand, war Golo Mann. Der Briefwechsel zwischen dem Dramatiker und dem Historiker ist ein Spiegel der Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlichen Themen, die beide beschäftigten.

Das Schweizerische Literaturarchiv (SLA) in Bern betreut sowohl den Nachlass Golo Manns als auch das Archiv Rolf Hochhuths, so dass dieser umfangreiche Briefwechsel vollständig erhalten ist - vom ersten Dankesbrief Hochhuths an Golo Mann im Zusammenhang mit der «Stellvertreter»-Kontroverse 1963 bis zum letzten Brief 1988, den Golo Mann ungeöffnet retournierte.

1963: «Der Stellvertreter» Rolf Hochhuth [links] war 32-jährig, als sein Stück «Der Stellvertreter» durch Erwin Piscator in West-Berlin uraufgeführt wurde und sogleich heftige Debatten auslöste.

Sein Drama stand im Kontext jenes historischen Aufarbeitungsprozesses, in welchem jüngere Literaten und Historiker die nationalsozialistische Vergangenheit aufgriffen und gegen das Klima der Geschichtslosigkeit der Fünfzigerjahre antraten.

Vor allem aber brach Hochhuth mit seiner Kritik am Schweigen des Papstes zum Judenmord im Dritten Reich das Tabu der moralischen Integrität der katholischen Kirche. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren dementsprechend. Feuilletonisten, Intellektuelle, Wissenschaftler, Abgeordnete des Deutschen Bundestags und sogar Papst Paul VI. beteiligten sich an einer literarischen, politischen, historischen und moralischen Kontroverse.

Diese verlief in der Schweiz nicht minder heftig, als im September 1963 die Erstaufführung im Basler Stadttheater anstand. Wochenlange Debatten in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen waren nur ein Ausdruck der Aufregung, die «Der Stellvertreter» hervorrief.

Die Formen des Protests reichten von einem Aufruf zum Schweigemarsch der «Aktion Junger Christen für den konfessionellen Frieden» bis hin zu einer anonymen brieflichen Bombendrohung, die bei der Basler Polizei einging.

Unter Intellektuellen und Wissenschaftlern fand sich demgegenüber eine ganze Reihe namhafter Befürworter des Stücks, zu denen neben Karl Jaspers, Hannah Arendt und Carl Amery auch Golo Mann zählte.

«Ich will nicht beurteilen, ob Rolf Hochhuth ein grosser Dichter ist - die Zukunft wird es erweisen», schrieb Mann am 17. 9. 1963 in den «Basler Nachrichten» über Hochhuths Erstling, und fuhr begeistert fort: «Aber ein Dichter ist er; und für das, was er mit seinem ,Stellvertreter' leistete, empfinde ich Bewunderung.»

Hochhuth, der als erster deutscher Dramatiker den Holocaust auf die Bühne brachte, hatte sich seiner Meinung nach dem Stoff gewachsen gezeigt: «Die Macht des Wortes, die diesem Gegenstand gegenüber bisher immer versagen musste, hier versagt sie nicht.»

Hochhuth erreichte durch die dramatische Bearbeitung seines Stoffes im «Stellvertreter» eine gewollte Unmittelbarkeit, die dem Leser wie dem Theaterbesucher die Gewissensfrage stellte. Wie Golo Mann hält auch Hochhuth am Glauben an die Handlungsfähigkeit und Entscheidungsmöglichkeit des Einzelnen fest, die schuldhaftes Handeln erst möglich machen.

Er betrachtet es als die wesentliche Aufgabe des Dramas, darauf zu bestehen, dass der Mensch ein verantwortliches Wesen sei. In Schillers Tradition hat er die «Schaubühne als moralische Anstalt» wieder aufleben lassen. Hier lag auch der Kern von Manns Lob:

«Wie viel einfühlsame Menschenkenntnis, Phantasie und Mitleid, Kummer, tiefer Ekel und Zorn werden hier unter den Bann der Kunst gezwungen! Das ist die eigentlichste Leistung. Sie erklärt, warum das deutsche Publikum sich von dem Drama hat ansprechen lassen wie noch von keinem Prozess in Nürnberg und Jerusalem, keiner noch so gründlichen Studie des ,Institutes für Zeitgeschichte'. Für sie müssen wir dem Dichter dankbar sein.»
Der Briefwechsel beginnt

Am 11. 10. 1963 bedankte sich Rolf Hochhuth in einem zweiseitigen Brief für Golo Manns Artikel in den «Basler Nachrichten».

Nach der emotionsgeladenen Kontroverse um sein historisch recherchiertes Drama war er für das Lob von Seiten eines reputierten Historikers besonders empfänglich:

«Mich persönlich aber hat noch mehr als diese grosse Hilfe selbst die Tatsache betroffen gemacht, dass ein Historiker und ein grosser Schriftsteller es war, der da unter Einsatz seines Prestiges für mich eintrat. [. . .] Meine Situation ist ja so: Die Historiker klopfen mir auf die Schulter und finden, ich hätte bei totaler Verzerrung der Geschichte immerhin literarische Verdienste. Die Literaten finden, ich hätte wenigstens historische.»

In seinem Brief nutzte Hochhuth auch gleich die Gelegenheit, Golo Mann seine Bewunderung für das Werk seines Vaters Thomas Mann zu gestehen, dem er «verfallen [sei] in einem Masse, das mich in meiner Eigenschaft als Schreibender fast vernichtet hätte».

Aber auch Golo Manns Arbeiten sprachen ihn an: «Meine Verehrung für Sie - wenn ich das einmal sagen darf - beruht vielleicht in erster Linie auf der Sympathie, die ich für den Künstler in Ihnen empfinde [. . .]»

Die Hochachtung des Autodidakten Hochhuth vor den schriftstellerischen Leistungen von Vater und Sohn Mann war tief und blieb auch in Krisenzeiten und über den Bruch mit Golo Mann hinaus bestehen. Kein Wunder, dass er seinen Brief mit der Bitte um eine persönliche Begegnung abschloss: «Nochmals meinen herzlichsten Dank, verehrter Professor Mann. Darf ich Sie einmal aufsuchen?»

1965: «Die Soldaten»

Es dauerte dann allerdings fast zwei Jahre, bis ein erstes Treffen zustande kam. Am 8. 7. 1965 notierte sich Golo Mann in sein Tagebuch, das er abwechselnd deutsch, französisch, englisch oder spanisch verfasste:

«Lundi, Rolf Hochhuth prit le lunch avec moi et Maman. Un jeune homme modeste, sérieux et intelligent. On a parlé sur le projet du drame auquel il travaille.»

Dieses Stück hiess «Soldaten», und Hochhuth brachte darin den britischen Kriegspremier Winston Churchill auf die Bühne. Der Autor, über sein gewagtes Vorhaben selber ein wenig verunsichert, fragte am 21. 3. 1967 Golo Mann an, ob er ihm wie versprochen das Stück «zur Begutachtung» schicken dürfe, und gab als Grund eine wachsende Unsicherheit gegenüber der Möglichkeit, Geschichte exakt zu berichten, an.

«Bei Ihnen erhoffe ich mir Verständnis dafür, weil Sie ja Ihre Geschichte als Erzählung bezeichnen und auch in Essays mehrfach ausgesprochen haben, wie problematisch der Wissenschaftsanspruch der Historiker ist.»

Mann willigte ein. Wenige Tage später antwortete er Hochhuth in einem dreiseitigen, eng beschriebenen Brief, dem er ein vierseitiges «Merkblatt» mit Korrekturvorschlägen beilegte.

Der Historiker beurteilte das neue Stück positiv, wenn auch die Begeisterung fehlte, die er beim «Stellvertreter» gezeigt hatte: «Ihr Buch las ich in zwei Tagen und Abenden, was wohl ein wenig zu schnell war. Ein schönes Buch ist es, und hat den ganzen Ernst, den Sie ehedem schon bewiesen. Den ganzen künstlerischen Ehrgeiz auch und viel von dem Saft.»

Das Churchill-Bild

ChurchillDreh- und Angelpunkt von Manns Kritik war die Gestaltung der Hauptperson des Stückes, Winston Churchill. Golo Mann bekundete Mühe mit dem Gesamteindruck, den «Soldaten» vom britischen Premier vermittelte.

Eine historisch falsche Zeichnung konnte und wollte er Hochhuth allerdings nicht zur Last legen, konzedierte ihm im Gegenteil eine sehr ausgewogene Darstellung. Golo Mann war zu sehr Historiker, als dass er sich einem verklärten Bild Churchills verschrieben hätte. Dennoch wünschte er sich die Hauptfigur des Stückes heldenhafter.

Mann hatte, wie aus seinem Brief hervorgeht, den britischen Staatsmann während des Krieges als charismatische Persönlichkeit und Hoffnungsträger auf einen Sieg über den Nationalsozialismus erlebt. Diese Erfahrung erwies sich vor dem Hintergrund eines Geschichtsbildes, das dem grossen Mann eine zentrale Rolle in der Geschichte einräumte, als nachhaltig prägend.

Seine leise Verärgerung, dass es aus diesem Dilemma kein Entrinnen gab, übertrug er schliesslich auf Hochhuth. Er hielt fest, dass Churchill allmählich seinen Hass auf Hitler auf das ganze deutsche Volk übertragen habe, und fuhr fort: «Das zeigen Sie. Sie zeigen ja die Ursachen wohl auch, Sie wollen gerecht sein, Sie sind ein Fanatiker der Gerechtigkeit.»

Auf Meeresboden liegendes Sikorski-Flugzeug, linksEinen gewichtigeren Einwand machte Golo Mann an anderer Stelle geltend. Hochhuth vertrat in seinem Stück die hochbrisante These, Wladyslaw Sikorski, Ministerpräsident der polnischen Exilregierung in London, sei auf Veranlassung Churchills hin vom britischen Geheimdienst ermordet worden

[Auf Meeresboden liegendes Sikorski-Flugzeug, links].

Gemäss Hochhuth lag in der Haltung Sikorskis gegenüber der Sowjetunion ein Konfliktpotenzial, das die Gefahr eines Separatfriedens zwischen Hitler und Stalin in sich trug. Vor dieses Problem gestellt, reagierte der britische Premier in «Soldaten» mit der Beseitigung Sikorskis mittels eines inszenierten Flugzeugabsturzes.

Hochhuth konnte seine These nur auf Indizien stützen, einen Beweis vermochte er bis heute nicht zu erbringen. Golo Mann schien sie wenig glaubhaft:

«Sie deuten hier an, und Sie werden häufig andeuten und die Leser oder Zuschauer müssen glauben, dass Sie es glauben, dass Sikorski ermordet wurde und dass Churchill von dem Mordplan gewusst hat. Diese Behauptung, verehrter Herr, ist eine sehr schwerwiegende. So, wie ich Churchill kenne, kommt sie mir nicht wahrscheinlich vor. [. . .] Das müssen Sie auf Ihre Kappe nehmen. Ich kann es nicht.»

Ein Kronzeuge für Hochhuths These war der britische Historiker David Irving, dem der Dramatiker freundschaftlich verbunden war. Diese Beziehung sollte in der Folge das Verhältnis zwischen Mann und Hochhuth stark belasten. Denn dass sich Hochhuth mit diesem revisionistischen Geschichtsschreiber einliess, konnte ihm Golo Mann bis an sein Lebensende nicht verzeihen.

Boykott in England

Mit dem Drama «Soldaten», das in England als Besudelung eines Nationaldenkmals empfunden wurde, provozierte Hochhuth erneut einen Theaterskandal. In den Medien entbrannte ein aufgeregter Streit um die Sikorski-These, und die britische Zensur verhinderte während mehr als einem Jahr eine Aufführung auf englischem Boden.

Nachdem der tschechische Pilot der abgestürzten Maschine gegen den Autor auch noch eine Verleumdungsklage anstrengte, hatte Hochhuth vorerst genug von der Zeitgeschichte. Seine nächsten Theaterstücke «Guerillas», «Die Hebamme» und «Lysistrate und die Nato» verzichteten auf historische Rückgriffe.

Ein «furchtbarer Jurist»

Im Zusammenhang mit seinem Prosa-Stück «Eine Liebe in Deutschland» kam Hochhuth jedoch erneut folgenreich auf die Geschichte zurück. Er erzählte darin die tragische Liebesgeschichte zwischen einer Deutschen und einem polnischen Kriegsgefangenen, die dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fiel.

Ein Vorabdruck in der «Zeit» vom 17. 2. 1978 enthielt einen kurzen Passus, in dem der baden-württembergische Ministerpräsident und NS-Marinerichter Karl Filbinger als «furchtbarer ,Jurist'» bezeichnet wurde,

«der, wie man vermuten muss, nur auf freiem Fuss ist dank dem Schweigen jener, die ihn kannten».

Da der CDU-Politiker Filbinger Hochhuth unverzüglich in einen Prozess verwickelte, zog der Fall in der Öffentlichkeit immer weitere Kreise und förderte verschiedene Male neue Enthüllungen zu Filbingers Rolle als Marinerichter zutage.

Was als Halbsatz in der «Zeit» begann, wuchs sich schnell zur politischen Affäre aus, die den Ministerpräsidenten im August 1978 den Kopf kostete. Dies war jedoch weniger eine Folge der ihm zur Last gelegten Taten, als vielmehr seines uneinsichtigen und menschlich schwer verständlichen Verhaltens während der Affäre.

Der SPD-Politiker Erhard Eppler prägte in diesem Zusammenhang die prägnante Formel vom «pathologisch guten Gewissen» Filbingers. Und sein Parteigenosse Egon Bahr stellte am Fernsehen die Frage, «wie viele Todesurteile ein Mensch fällen muss, damit er sich an eins nicht mehr erinnert». Fünfzehn Jahre nach dem «Stellvertreter» initiierte Hochhuth damit erneut eine Debatte zur Vergangenheitsbewältigung.

Das Problem Irving

David IrvingWährend der Filbinger-Affäre standen Golo Mann und Rolf Hochhuth in keinem schriftlichen Kontakt. Je stärker sich Mann im Laufe der Siebzigerjahre an konservativen Positionen orientierte, desto mehr verringerte sich auch die Korrespondenz mit Hochhuth.

Für die Zeit vom November 1976 bis zum August 1978 besteht überhaupt eine Lücke im Briefwechsel. Erst nach dem Rücktritt Filbingers meldete sich am 21. 8. 1978 ein höchst verärgerter Hochhuth bei Golo Mann.

Er habe vernommen, dass Mann ihn im Zusammenhang mit der Filbinger-Affäre als «Jäger» bezeichnet habe. Weiter habe er vom Feuilleton-Chef der «Zeit», Fritz J. Raddatz, erfahren, dass Golo Mann ihn nicht mehr für glaubwürdig halte, solange er mit David Irving befreundet sei.

Hitler's WarDessen Publikationen nahmen in den Siebzigerjahren immer deutlicher revisionistische Züge an. 1977 veröffentlichte Irving seine Hitler-Biografie, in welcher er zu belegen versuchte, dass Hitler bis etwa im Oktober 1943 nichts von der «Endlösung» gewusst habe.

Auf dieses Werk nahm Hochhuth Bezug, als er in seinem Brief mit unbeholfenen Worten für seinen britischen Freund warb. Er führte an, dass er bereits 1977 der von Irving vertretenen These öffentlich entgegengetreten sei. Aber:

«Dennoch bleibt es dabei, dass Irving mein Freund ist, nur nehme ich ihn in diesem Punkt nicht ernst und sage ihm das ins Gesicht und öffentlich. Aber da seine Mutter eine geborene Dollmann ist, was nicht sehr englisch klingt; und da Irving zu Tode verlegen war, als meine Frau ihm rüde ins Gesicht sagte: "David, du bist wohl Halbjude, da du ja nicht idiotisch bist, aber trotzdem diesen krankhaften Hass gegen die Juden hast . . .", deshalb bitte ich auch Sie, lieber Herr Professor, um Milde für Irving in diesem einen Punkt, wo er tatsächlich nicht normal ist . . .»

Der Dramatiker unterschied strikt zwischen Werk und Person Irvings. Mit dem lebendigen Widerspruch zwischen einem absoluten Gerechtigkeitsanspruch, der ihn dazu bewog, einen ehemaligen Mitläufer mit seinem Verhalten im Dritten Reich zu konfrontieren, und seiner Freundschaft zu einem Revisionisten konnte er offenbar gut leben.

Für den Historiker Golo Mann, der trotz seinem Rechtsrutsch in den Siebzigerjahren auf festem demokratischem Boden stand, stellte sich das Problem anders. Es lag auf der Hand, dass er Hochhuths Erklärung schwerlich akzeptieren würde.

Ein Abschiedsbrief

In seinem Antwortbrief vom 22. 9. 1978 betonte Golo Mann, er wolle Hochhuth seine Freunde nicht vorschreiben, fand jedoch, Irving übe einen schlechten Einfluss auf ihn aus.

In der Tat hielt er Hochhuth in der Affäre Filbinger nicht für glaubwürdig. Manns eigene Position hatte zwei Schwerpunkte. Zum einen hielt er es als Historiker für wenig fair, einen unter Hunderttausenden, die in das nationalsozialistische Regime verstrickt waren, dreissig Jahre später herauszugreifen und exemplarisch büssen zu lassen.

Hochhuth postcardIn der ungefähr zur selben Zeit stattfindenden Debatte zur Verjährung nationalsozialistischer Verbrechen stellte er sich auf den Standpunkt, man hätte die Verfolgung in den Fünfzigerjahren heftiger betreiben sollen, nun sei es dafür zu spät.

Zum andern war Manns Position von klaren politischen Interessen bestimmt. In den späten Siebzigerjahren begann er in der Hoffnung auf einen baldigen konservativen Wechsel in der Bundesregierung mit der Unterstützung der CSU. Das emotional stark befrachtete Thema der Vergangenheitsbewältigung wollte er nicht der Linken überlassen.

Infolgedessen stellte Mann in seinem Brief nicht in erster Linie Hochhuths moralische Integrität in Frage, sondern seine politische:

«Für einen Kommunisten habe ich Sie nicht gehalten, jedenfalls nicht für einen im gängigen Sinn des Wortes. Was mich seit langem nachdenklich gemacht hat, ist, dass die Stosskraft ihrer Dramen und Schauspiele regelmässig in eine Richtung ging, die den Kommunisten zumindest nicht unangenehm zu sein brauchte; ich nehme dabei den ,Stellvertreter' aus, den ich für Ihr Meisterwerk halte. [. . .] Was danach kam? Mehr und mehr Verwirrung. Was habe ich mich bemüht, Ihnen die Sikorski-Idee auszureden! Nebenbei bemerkt: Waren Sie denn da nicht ,Jäger' und wieviel Jahre lang, wenn auch auf einer, meiner Überzeugung nach, absurden Spur!? Konnte, musste mir nicht der Verdacht kommen, Sie seien Jäger auch neuerdings gewesen?»

An Hochhuths Beteuerungen, die meisten der Filbinger belastenden Gerichtsakten seien erst während des Prozesses gefunden worden, mochte er nicht glauben. Bei alldem ging es Golo Mann nicht um Filbinger selbst, der ihm unsympathisch war, wie er in seinem Brief betonte.

«Trotzdem tat er [Filbinger] mir leid, und es bleibt meine Überzeugung, dass ihm Unrecht getan wurde. Das haben Sie, zufällig oder unzufällig, angefangen; danach war es ,Kettenreaktion'. Aber es geht halt doch immer nur gegen die ,Konservativen'.»

Im polarisierten Klima der späten Siebzigerjahre standen für Golo Mann klar die politischen Aspekte der Affäre im Vordergrund. Seiner Meinung nach war Filbinger Opfer einer politischen Kampagne geworden, die unter dem moralischen Deckmäntelchen der Vergangenheitsbewältigung linke Interessen verfolgte.

Seinem Wesen nach handelte es sich bei Golo Manns Brief vom 22. 9. 1978 um einen Abschiedsbrief. Sätze aus spitzer Feder illustrieren, wie tief der Riss in der Beziehung bereits war:

«Für was ich Sie halte: für einen überqueren, stark fanatischen Idealisten; zugleich sehend und verblendet; zugleich geschickt im Themengriff und in die Irre gehend.»
Neuer Anlauf

Dies war jedoch noch nicht das Ende ihrer Beziehung. Ebenfalls 1978 veröffentlichte der Historiker Hellmut Diwald seine «Geschichte der Deutschen», einen Vorläufer der Forderung nach einem neuen Nationalbewusstsein, wie sie im «Historikerstreit» der Achtzigerjahre von verschiedenen konservativen Historikern erhoben wurde.

Empörung löste in Diwalds Werk vor allem die ausgiebige Thematisierung der gewaltsamen Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung aus dem Osten bei gerade zwei Seiten zum Holocaust aus. Um die «Geschichte der Deutschen» entbrannte eine Kontroverse, an der sich auch Golo Mann mit einer vernichtenden Kritik des Werkes beteiligte.

Nach der Lektüre von Manns Artikel im «Spiegel» wandte sich Hochhuth am 4. 12. 1978 per Brief mit der Frage an Golo Mann, ob es denn zwischen ihnen nicht doch mehr Verbindendes als Trennendes gebe. Nach einer entsprechenden Handreichung Golo Manns schienen die früheren Beziehungen wiederhergestellt.

Doch trotz eifrigem Bemühen des Dramatikers wollte sich die Toleranz und streckenweise auch spürbare Wärme, die ihre Korrespondenz in den ersten Jahren geprägt hatte, nicht wieder einstellen. Immer wieder wurde die Freundschaft mit Irving zum Stein des Anstosses für Golo Mann.

Da half es auch nur vorübergehend, dass Hochhuth am 21. 5. 1984 mit mehreren Zeitungsartikeln belegen konnte, dass er Irvings verqueren Thesen längst bei verschiedenen Gelegenheiten öffentlich entgegengetreten war.

1987: Endgültiger Bruch

Zum endgültigen Bruch kam es wiederum über Filbinger. 1987 publizierte dieser seine autobiografische Schrift «Die geschmähte Generation». Dieses apologetische und mit reichlich Polemik gegen links ausgestattete Werk besprach Golo Mann am 26. 7. 1987 in der «Welt am Sonntag» weitgehend positiv.

Im Zusammenhang mit der Affäre, die im Buch ebenso ausführlich wie einseitig beschrieben wird, wiederholte Golo Mann nun öffentlich seine Vorwürfe an die Adresse Hochhuths und sprach polemisch von einer «meisterhaft konzertierten Hetze».

Dies rief Hochhuth auf den Plan, der nun seinerseits Manns Integrität in Zweifel zog und sich am 16. 8. 1987 am selben Ort in einem offenen Brief fragte, ob Golo Mann nun zu den neuen deutschen Patrioten vom Schlage Ernst Noltes zu zählen sei.

Fünf, sechs verschiedene Fassungen dieses Textes finden sich im Archiv Hochhuths. Mit jeder Korrekturrunde schwächte er die Angriffe auf den verehrten Historiker ab. Trotzdem: Eine gewaltige Portion Entrüstung blieb übrig, und schon nach wenigen Sätzen wird klar, hier rechnete einer mit einem einstigen Vorbild ab.

Golo Mann antwortete am 19. 9. 1987 in der «Basler Zeitung». Er wies Hochhuths Vorwurf dezidiert zurück und erklärte ausführlich, weshalb er sich nicht am «Historikerstreit» beteiligt habe. Der Bruch war nun unvermeidlich. Die Zeitspanne eines guten Einvernehmens zwischen Golo Mann und Rolf Hochhuth hatte im Grunde nur einige Jahre umfasst.

In den Siebzigerjahren erwies sich Manns Rechtsrutsch für die Beziehung als ebenso belastend wie Hochhuths widersprüchlicher moralischer Rigorismus. In ihren Dialog schlich sich eine zunehmende Distanz ein, die nur dann und wann von herzlicheren Perioden abgelöst wurde.

Den letzten Brief Hochhuths, der am 24. 4. 1988 nochmals den Versuch machte, den Kontakt wieder aufzunehmen, mochte Golo Mann gar nicht mehr lesen - er retournierte ihn ungeöffnet.

Eine Veranstaltung: Unter dem Titel «Geschichte und Theater: Rolf Hochhuths Briefwechsel mit Golo Mann» findet am Dienstag, 15. Mai 2001, 20.00 Uhr, im Stadttheater Bern eine Soiree statt, an der ausgewählte Briefe aus dieser Korrespondenz vorgetragen werden.

Dr. Thomas Feitknecht ist Leiter des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern. Lic. phil. Kathrin Lüssi ist frei schaffende Historikerin und lebt in Zürich.

© 2001 / Der Bund Verlag AG, Bern & Autoren / www.eBund.ch

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