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Fried fürchtet, dass Finkelsteins Buch beim Erscheinen der deutschen Ausgabe Anfang nächsten Jahres die 'falschen Leser' findet.quoteend

Ostsee Zeitung

September 23, 2000

 

Thema oder Tabu?

Deutsche Historiker uneinig über Debatte zur „Holocaust-Industrie"

Hamburg (dpa) -- bookInstrumentalisierung und Ausbeutung des Holocaust durch jüdisches „Establishment" in den USA, unkorrekte Verwendung von Entschädigungsgeldern und Unkorrektheit auch bei den neuen Entschädigungsverhandlungen. Sind solche Vorwürfe für eine große öffentliche Debatte in Deutschland geeignet? Der Historiker Hans Mommsen (Feldafing) verneint. Sollte das umstrittene Buch des Politologen Norman G. Finkelstein (New York) „The Holocaust Industry" sogar auch auf dem Deutschen Historikertag in Aachen (26. -- 29. September) diskutiert werden? Mommsens Kollege Eberhard Jäckel (Stuttgart) ist strikt dagegen.

Jäckel und Mommsen sehen in Finkelsteins Thematisierungen in erster Linie eine Sache der Amerikaner. „Warum sollen wir zu jeder Polemik, die uns nicht betrifft, Stellung nehmen!" sagt Jäckel. Was den Historikertag angeht, so sei der „nicht dafür da, aktuelle Reaktionen abzuliefern". Für Mommsen gibt es bessere Arbeiten über die „Amerikanisierung des Holocaust". Sie seien aber bedauerlicherweise im wesentlichen an der deutschen Öffentlichkeit vorbeigegangen.

Der Vorsitzende des Verbandes der Historiker Deutschlands, Johannes Fried (Frankfurt am Main), verweist darauf, dass die Finkelstein-Debatte bislang nicht auf der Tagesordnung des Historikertags steht. Man sei jedoch „offen, wenn eine Diskussion gewünscht wird". Der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin, Wolfgang Benz, sieht in der Debatte weniger eine Sache der Historiker als ein „Problem der politischen Kultur". Ihn beunruhigt „der Beifall, den sich Finkelstein jetzt von der rechten Ecke billig einholt". So wie er sich über die „Kommerzialisierung des Holocaust" auslasse, habe man sich an rechten Stammtischen schon immer geäußert.

Michael Wolffsohn (München) meint, viele deutsche Historiker mieden das Thema der Instrumentalisierung des Holocaust „wie der Teufel das Weihwasser", weil sie angepasst, politisch korrekt seien, um ihre Karriere fürchteten. „Mit oder ohne Historikertag, langfristig kann auch dieses Thema nicht tabuisiert werden", betont Wolffsohn. „Wer sich diesen Themen widmet, ist noch lange kein 'Antisemit'. Nicht die Thematisierer, sondern die Tabuisierer fördern Antisemitismus, denn eine 'offene Gesellschaft' ohne Offenheit wäre ein Widerspruch in sich selbst."

Auch Karl Dietrich Bracher (Bonn) ist gegen eine Tabuisierung. Allerdings scheint ihm deutscherseits bei einem Thema dieser Art auch Zurückhaltung angebracht. „Die moralischen Gesichtspunkte sind bei Finkelstein und den Deutschen nicht die gleichen." Fried fürchtet, dass Finkelsteins Buch beim Erscheinen der deutschen Ausgabe Anfang nächsten Jahres die „falschen Leser" findet. Eberhard Jäckel empfiehlt als „besser recherchiert und fehlerfrei" das Buch „The Holocaust in American Life" des Chicagoer Historikers Peter Novick (1999, deutsch 2001).square

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