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Konkreter
wollte Zehm auch in Jena nicht
werden. Er fürchte
staatsanwaltschaftliche
Lauscher und wolle jeden
Anschein vermeiden, Gesetze zu
verletzen.
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taz, Berlin, Nr. 6369 vom 10. Februar
2001, Seite 7
Publizierender
Philosoph Der
Jenaer Philosoph Günther
Zehm bedauert in der "Jungen
Freiheit", dass Zweifler am Holocaust
sofort bestraft würden. Nun
zweifeln die Studenten an Zehm JENA taz -- Wo
hört die Freiheit der Wissenschaft
auf? Eine Frage, die derzeit die Jenaer
Friedrich-Schiller-Universität
spaltet. Es geht um Günther Zehm,
seit 1993 Honorarprofessor am Jenaer
Institut für Philosophie - und in der
deutschen Publizistik kein Unbekannter. In
den 70er-Jahren war Zehm Vizechefredakteur
der Welt, seit 1994 schreibt er für
das rechtskonservative Wochenblatt Junge
Freiheit. Unter Polizeischutz nahmen am
Donnerstagabend mehrere hundert Menschen
an einer Veranstaltung der Fachschaft
Philosophie teil: "Pankraz trifft seine
Leser". Unter diesem Pseudonym hatte Zehm einst
eine Kolumne in der Welt verfasst. Doch am
Donnerstagabend ging es um seine Mitarbeit
bei der Jungen Freiheit: In einem Artikel
hatte der Bloch-Schüler die
"Ablösung Gottes durch den Holocaust"
und die Instrumentalisierung des "ewigen
Racheschreis" beklagt. Die
alltägliche Verhöhnung Gottes
bleibe straffrei, während Zweifler am
Holocaust sofort bestraft würden,
rechtfertigte Zehm sich nun. Das, so der
Philosoph, sei "bedauerlich". Konkreter wollte Zehm auch in Jena
nicht werden. Er
fürchte staatsanwaltschaftliche
Lauscher und wolle jeden Anschein
vermeiden, Gesetze zu verletzen. Für die
Antifaschistische
Hochschulgruppe eine unbefriedigende
Antwort: Schon im Dezember hatte sie Zehm
einen "geistigen Brandstifter" genannt und
von der Hochschulleitung "Konsequenzen"
gefordert. Zehm alias "Pankraz" verwies am
Donnerstag auf die philosophische
Gedankenfreiheit. Mit der
Wissenschaftsfreiheit hatte schon
Uni-Rektor Karl-Ulrich Meyn Zehms
Äußerungen verteidigt. Am
Philosophie-Institut fänden Zehms
Positionen wenig Zustimmung, sagt Kollege
Gottfried Gabriel. "Philosophisch
ist Zehm aber eine Bereicherung!" Das Publikum forderte Zehm dagegen am
Donnerstag immer wieder auf, zur Jungen
Freiheit Stellung zu nehmen. Doch der
entzog sich: Der Verfassungsschutz sei
für ihn keine "Instanz des
philosophischen Diskurses". Die
nordrhein-westfälischen Ermittler
hatten bei dem Blatt
"Anhaltspunkte
für den Verdacht
rechtsextremistischer Bestrebungen"
festgestellt. Zehm hält die Junge
Freiheit für ein "kleines Wochenblatt
mit großer Liberalität und
großem Meinungsspektrum rechts der
Mitte." Liberalität forderte auch Zehm
selbst - im Umgang mit David
Irving. Der umstrittene britische
Historiker darf nach dem Urteil eines
Londoner Gerichts 1999 öffentlich als
"Verfälscher der historischen
Wahrheit" bezeichnet werden. Irving, so Zehm, sei mitnichten ein
Holocaust-Leugner. 1998 hatte Zehm einen
Beitrag in der Irving-Festschrift "Wagnis
Wahrheit. Historiker in Handschellen?"
veröffentlicht. "Eher zufällig"
sei eine Rede von ihm abgedruckt worden,
verteidigte er sich nun. Irving sei der
"Spürhund unter den Historikern", der
"unter grotesken Umständen auf
Dokumentensuche" gegangen sei. "Wenn das
kriminalisiert wird, spricht das eher
gegen das deutsche Strafgesetz als gegen
den Historiker." Er selbst glaube "im Großen und
Ganzen" an den Holocaust - "wenn auch in
Modulationen". Dass der Deutungsspielraum
bei solchen Äußerungen sehr
groß sei, so Zehm, habe er als
"publizierender Philosoph"
einkalkuliert. JÖRG VÖLKERLING
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