Zehms
Äußerungen hätten nicht den Boden
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
verlassen und seien im übrigen durch die
Wissenschaftsfreiheit
gedeckt. |
Thüringen, Germany, November 28, 2000
Jenaer Professor im
Zwielicht Von Falk HEUNEMANN und Martin DEBES Er ist ein streitbarer Mensch, der
Professor Günther Zehm. Zu DDR-Zeiten saß
es im Gefängnis, weil er seine Meinung vertrat. Und
auch als Feuilleton-Chef der Tageszeitung "Welt" feilte er
an seinem Ruf eines unbequemen Denkers. Aber sollte ein bezahlter Hochschullehrer der
Universität Jena einen Beitrag für eine
Festschrift verfassen, die dem bekannten britischen
Auschwitz-Leugner David Irving gewidmet ist? Sollte
er Kolumnen schreiben für die rechtsnationale Postille
"Junge Freiheit" und sollte er dort schwadronieren über
"verblödete Vergangenheitsbewältiger"? Rektor Karl-Ulrich Meyn hat da so seine Bedenken.
"Ich teile die Meinungsäußerungen von Herrn Zehm
in keiner Weise", ließ er gestern in einem eiligen Fax
mitteilen. Auch finde er die von Zehm gewählten
Publikationswege "nicht adäquat". Jedoch, Meyn will dem
Philosophen nicht "den Mund verbieten." Zehms
Äußerungen hätten nicht den Boden der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen und seien
im übrigen durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt. Die
Antifaschistische
Hochschulgruppe denkt anders. Sie
sieht Zehm als Teil eines "Netzwerks der Rechten", das
bewusst Grenzen zwischen rechtsextrem und
rechtskonservativ vermischen wolle, um die Geschichte zu
relativieren. Der Professor selbst glaubt sich einer Kampagne
ausgesetzt. Die Beschuldigungen entsprächen einem
totalitären Stil, den er aus kommunistischen Zeiten
kenne. Und Irving? Der sei ein "angenehmer Zeitgenosse", der
alles sehr ordentlich erforsche. Ansonsten habe er sich um
dessen Publikationen in den letzten Jahren gar nicht
gekümmert. Dass die Universität sich bedeckt hält, hat
wohl auch damit zu tun, dass Zehm in den 50er Jahren
ausgerechnet an der Jenaer Hochschule verhaftet wurde. Vier
lange Jahre saß er im Zuchthaus. Der Schüler von
Ernst Bloch und Theodor Adorno machte
später im Westen als Journalist Karriere und brachte es
bis in die Chefredaktion der "Welt". Heute macht sich Zehm in der "Jungen Freiheit" Sorgen,
dass der Jugend durch "mediale Dauerberieselung" der
Zukunftmut geraubt werde. Der Vorwurf der Kollektivschuld
treibe die Jugend in die innere Emigration oder in die
"Anschuldigungs und Seelenvergiftungsindustrie." Zehm bewegt
sich damit zumindest teilweise auf der Argumentationslinie
des Schriftstellers Martin Walser oder des Anglisten
Dieter Schwanitz. Einer Argumentationslinie, mit der
sich laut Meyn die Studenten ja kritisch auseinandersetzen
könnten. |