September 23,
2000 Kein
Benzin und keine Taxis für die
Rechten Passau
macht mobil gegen die
DVU-Kundgebung Nicole Janz PASSAU, 22. September.
Wenn die rechtsextreme
Partei Deutsche Volksunion (DVU) und ihre
Anhänger am Samstag zu ihrer
traditionellen Kundgebung nach Passau
kommen, werden sich die Rechten erstmals
einer gemeinsamen Front von Bürgern
und Stadtverwaltung gegenüber sehen.
Denn die Passauer planen, die ungebetenen
Gäste -- die Polizei rechnet mit 3
000 Rechtsextremen -- aus der Stadt zu
ekeln. Vereine, Bürgergruppen,
Jugendgruppen, Künstler -- alle sind
dabei und wollen mit originellen Aktionen
den Extremisten deutlich ihre Abneigung
demonstrieren. Ein "Komitee Kritische
Öffentlichkeit" will einige Ideen
umsetzen, mit denen Parteichef Gerhard
Frey und seinen Anhängern der
Besuch in der Dreiflüssestadt
vermiest werden soll: Keine Taxis und
keine Hotelzimmer für Rechte; kein
Benzin für DVU-Busse; keine Bedienung
in Passauer Läden. Außerdem ist
noch ein besonderer
"Überraschungseffekt" für die
Rechten in Vorbereitung, den man aber noch
nicht bekannt geben will. Auch die Stadt zieht mit: Sie
organisiert dieses Jahr zum ersten Mal
einen Protestmarsch durch Passau. "Es ist
ermutigend, dass Bürgergruppen und
Institutionen gemeinsam Gesicht zeigen
gegen Rechts", sagt Oberbürgermeister
Willi Schmöller (CSU). Denn
schon lange kämpfe die Stadt gegen
ihr braunes Image. Seit 1984 kommt die DVU nach Passau und
hält ihre zentrale Kundgebung in der
Nibelungenhalle ab. Das Geld der DVU
für die Hallenmiete will Passau in
diesem Jahr nicht behalten. "Wir werden
die Summe den Hinterbliebenen des in
Dessau ermordeten Mosambikaners Alberto
Adriano spenden", sagte der
Oberbürgermeister. Einen Rechtsstreit mit der DVU hat
Passau kurz vor der Veranstaltung
verloren: Ein Video von David
Irving, deren Aufführung in der
Nibelungenhalle die Stadt verboten hatte,
darf nach einer Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Regensburg doch
gezeigt werden. Der umstrittene britische
Historiker Irving wurde 1993 in
München wegen der
"Auschwitz-Lüge" verurteilt.
In Deutschland hat er
Einreiseverbot. Junge
WeltSeptember 25, 2000 Kampf
um sauberes
Image
DVU-Veranstaltung in
Passau: Boykott ging schief -- gemeinsame
Gegendemonstration klappte In Passau geht alles
ein bißchen langsamer: Viele wollten
die DVU-Kundgebung am Samstag total
boykottieren. Wirklich gelungen war nur
eines: Autonome Linke, Vereine und
Passauer Bürger demonstrierten
gemeinsam gegen Rechts. 2 200
Anhänger der Deutschen Volksunion
(DVU) waren am Samstag mit Bussen nach
Passau gekommen. Dort war eigentlich der
totale Widerstand geplant gewesen. Keine
Bestuhlung in der Veranstaltungshalle,
kein Essen, keine Getränke, keine
Taxis, keine Hotels für Nazis, die
schon seit 1984 jährlich in die Stadt
kommen. Doch die meisten Ideen, die das
Passauer »Komitee für Kritische
Öffentlichkeit« angeregt hatte,
haben sich nicht durchgesetzt -- in Passau
braucht es Zeit, die Bürger
wachzurütteln. »Die Leute
müssen sich erst einmal daran
gewöhnen, keine Angst zu haben«,
sagt Dr. Werner Kraus, Sprecher des
Komitees. Er ist enttäuscht, weil
wenige seiner Ideen umgesetzt wurden. Die
Hotels redeten sich heraus, die Nazis
würden sowieso nicht
übernachten, also seien keine
Gegen-Rechts-Plakate nötig. Laut
Taxifahrern käme die DVU sowieso mit
Bussen in die Stadt,
Tankstellenmitarbeiter wußten
teilweise nichts von der Boykott-Idee. Nur
wenige Geschäfte zeigten mit Plakaten
ihre Abneigung gegen die Nazis. Immerhin:
Eine Buchhandlung veranstaltete auf eigene
Kosten eine Lesung zum Thema
»Deutscher Geist und
Judenhaß«. Auch die Stadt blieb
zurückhaltend: »Wenn der Wirt in
der Nibelungenhalle die DVUler nicht
bedient hätte, dann wären sie in
die Innenstadt gelaufen«, sagt
Oberbürgermeister Willi
Schmöller (SPD). Die
Konfrontation mit diesen Demonstranten war
ihm zu gefährlich. Obgleich er die Boykott-Idee nicht
unterstützt hat, ein großes
Zugeständnis machte der
Bürgermeister: Er rief, im Gegensatz
zu den vergangenen Jahren, alle
Bürger zu einem
Protestmarsch
gegen Rechts auf. 2 600 Bürger zogen
dann auch gemeinsam mit Linken durch die
Stadt. Es gab keine Krawalle, keine
Verletzten. Schnell waren
Anti-Nazi-Plakate, Aufkleber und Buttons
vergriffen. Die Polizei nahm nach eigenen
Angaben am Samstag 17 Personen in
Gewahrsam, 16 davon zählten zur
rechten Szene. Der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey
wandte sich in einer einstündigen
Rede vor allem gegen eine vermeintliche
»Hetzkampagne gegen die DVU«,
hinter der er eine »Medienmafia«
und »Schweinejournalismus«
vermutet. Frey gab dann in einer
80minütigen Pause seinen
Anhängern Autogramme. Zum
Abschluß der Kundgebung führte
die DVU auf Video eine Rede des britischen
Historikers David Irving vor, der
in Deutschland wegen seiner
Auschwitz-Lügen Einreiseverbot hat.
Irving sprach in dem Video über die
Zerstörung
der Stadt Dresden im Zweiten
Weltkrieg. Vor der Abfahrt der DVU-Busse
erhob eine alte Frau den rechten Arm in
Richtung der Demonstranten zum sogenannten
Kühnen-Gruß. Gegen sie soll
Anzeige erstattet werden. Die Jugendlichen in Passau sehen den
neuen gemeinsamen Protest positiv:
»Früher wollte die Stadt nicht
mit den Linken zusammen demonstrieren,
jetzt gab es endlich einmal eine
gemeinsame Demo«, unterstrich Petra
Schmatz, Kreisvorsitzende von
Bündnis90/Die Grünen im Passauer
Land. Doch ein Kritikpunkt bleibt. Eva
Scheinost, von der »Passauer
Jugend« findet die Zusammenarbeit mit
der Stadt in diesem Jahr zwar auch gut.
Trotzdem moniert sie: »Ich glaube,
daß die Stadt erst jetzt mitmacht,
weil in den Medien das Thema
Rechtsradikale im Moment in ist.« Dr. Werner Kraus vom
»Komitee Kritische
Öffentlichkeit« meinte im
Nachhinein, er hätte mehr Zeit
gebraucht, um die Aktionen besser zu
organisieren, um mehr
Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch
er bleibt optimistisch: »Dieses Jahr
haben wir eine gute Basis geschaffen, auch
wenn der Boykott nicht geklappt hat. Aber
wir kommen wieder, nächstes
Jahr.« Jana Nicolai
September 25, 2000 Bürger
gegen DVU auf der Straße Proteste
gegen DVU-Treffen. Stadt spendiert
Einnahmen aus der Hallen-Vermietung an
Opfer rechter Gewalt PASSAU taz Ein
totaler Boykott sollte es werden. Doch der
Plan für die DVU-Kundgebung am
Samstag ging nicht auf. Nur eines gelang:
Autonome Linke und Passauer Bürger
demonstrierten gemeinsam gegen
rechts. Die Boykottidee hatte sich so gut
angehört: Kein Passauer sollte die
Anhänger der Deutschen Volksunion
(DVU) bei ihrer Kundgebung in der
Nibelungenhalle bedienen. Kein Essen,
keine Getränke, keine Taxis, keine
Hotels für Nazis, die schon seit 1984
jährlich in die Stadt kommen. Doch die meisten Ideen, die das
Passauer "Komitee für Kritische
Öffentlichkeit" angeregt hatte, haben
sich nicht durchgesetzt. Das Fazit am
Samstag: Die Hotels waren sowieso
ausgebucht. Warum dann noch
Anti-Nazi-Schilder in die Tür
hängen, so die verbreitete Meinung.
Taxifahrer sprachen davon, dass die DVU
sowieso mit Bussen käme,
Tankstellenmitarbeiter zuckten bloß
mit den Schultern. Nur wenige
Geschäfte zeigten mit Plakaten ihre
Abneigung gegen die Nazis. Immerhin: eine
Buchhandlung veranstaltete auf eigene
Kosten eine Lesung zum Thema "Deutscher
Geist und Judenhass". "Die Passauer müssen sich erst
einmal daran gewöhnen, keine Angst zu
haben und aktiv zu werden", vermutet
Werner Kraus, Sprecher des
Komitees. Außerdem hätte er
mehr Zeit zum Organisieren gebraucht --
und mehr Aufgeschlossenheit bei der
Stadt. Die war vorsichtig. "Wenn der Wirt die
DVUler nicht bedient hätte, dann
wären sie in die Stadt gelaufen",
sagt Oberbürgermeister Willi
Schmöller (SPD). So war er am
Ende froh, dass die DVUler in der Halle
unter sich blieben -- und nicht mit den
Gegendemonstranten auf offener
Straße zusammenstießen. Über fünfzig Mal hat die
Stadt dagegen geklagt, dass die Rechten
die Nibelungenhalle nutzen -- immer wieder
hat das Verwaltungsgericht gegen Passau
entschieden: Die Halle ist ein
städtischer Veranstaltungsraum und
muss, wie es etwa die bayerische
Gemeindeordnung vorsieht, nicht verbotenen
Parteien zur Verfügung gestellt
werden. Immerhin: Das von der Stadt
eingenommene Geld für die
Hallenmiete, etwa 5.000 Mark, wird den
Hinterbliebenen des in Dessau ermordeten
Afrikaners Alberto Adriano
gespendet. Einen weiteren
Rechtsstreit hatte die Stadt kurz vor
der Veranstaltung auch verloren: Die
Aufführung eines Videos von
Holocaust-Leugner David Irving
vor den 2.200 Rechten war erst von der
Stadt verboten worden, wurde dann vom
Gericht wieder erlaubt. Obgleich die Stadt die Boykottidee
wenig unterstützt hat -- ein
großes Zugeständnis machte der
Bürgermeister: Er rief, im Gegensatz
zu den vergangenen Jahren, alle
Bürger zu einem gemeinsamen
Protestmarsch gegen rechts auf. 2.600
Bürger zogen gemeinsam mit Linken
durch die Stadt. Es gab keine Krawalle, keine
Verletzten. Kurzzeitig nahm die Polizei 29
Personen fest, 17 davon in Gewahrsam. Nach
Angaben der Polizei zählten davon 16
zum rechten und eine zum linken Spektrum.
Bis zum Sonntagmorgen waren alle wieder
auf freiem Fuß. Werner Kraus vom Komitee Kritische
Öffentlichkeit zeigte sich nach den
Protesten gegen die DVU optimistisch:
"Dieses Jahr haben wir eine gute Basis
geschaffen, auch wenn der Boykott nicht
geklappt hat. Aber wir kommen wieder,
nächstes Jahr." Spätestens in zwei Jahren wird
sich DVU-Chef Gerhard Frey sowieso
einen neuen Versammlungsort suchen
müssen: Die Stadt plant eine
Neugestaltung der Innenstadt und wird die
Nibelungenhalle abreißen. NICOLE
JANZ PASSAU
1984:
David
Irving approaches the
stage, followed by DVU
chairman Dr Gerhard
Frey. Marxist rioters have
tried for years to stop these
assemblies. Photo
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Relevant
links: -
Deutsche Volksunion (DVU) http://www.dvu.net
-
Passau http://www.passau.de
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