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Posted Monday, June 19, 2000


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Süddeutsche Zeitung

Donnerstag, 8. Juni 2000, Siete 17


Räuber Hotzenplotz und Petrosilius Zwackelmann

Eine Nachbemerkung zur Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises an Ernst Nolte

Von Michael Brenner

Was für eine verpasste Gelegenheit! Mit Spannung hatte man die Lobreden anlässlich der diesjährigen Verleihung der Konrad-Adenauer-Preise der Deutschland-Stiftung erwartet. Würden es die Laudatoren verstehen, den Autor des Räubers Hotzenplotz und den Initiator des Historikerstreits die sich die beiden Preise teilten, entsprechend zu würdigen? Ich, so gebe ich gerne zu, bin maßlos enttäuscht.

Wie konnte man nur übersehen, dass sich die Jury bei der Kombination der beiden Preisträger doch gewiss ihre Gedanken gemacht hat? Von einem Laudator hätte man zumindest eine kleine Gedankenbrücke erwarten können. Etwa darauf zu verweisen, dass der Diebstahl von Omas Kaffeemühle durch den (klassenkämpferisch gesinnten) Räuber Hotzenplotz den Untaten des bösen Zauberers Petrosilius Zwackelmann (hat dieser nicht ein kleines Schnauzbärtchen?) vorausging, und letztere nur als bloße Reaktion darauf verstanden werden kann.

Es hätte also ein nettes, humorvolles Treffen werden können. Mit hintersinnigen Reden, deren Inhalt den Zuhörern ein wenig verschlüsselt geblieben wäre. Wie etwa jene Vorlesung des Geehrten, in die ich Anfang der neunziger Jahre in der Freien Universität hineinhörte. Der eben emeritierte Nolte sprach damals unbekümmert von der Zustimmung für die Nürnberger Gesetze aus zionistischen Kreisen (gemeint war offensichtlich der auch innerhalb des Zionismus isolierte Georg Kareski), illustrierte die Affinitäten zwischen Nationalsozialismus und Zionismus mit Wandschmierereien ultraorthodoxer Juden und zitierte andauernd „einen britischen Historiker", dessen Namen zu nennen er sich beharrlich weigerte.

Man könne all dies ja bei ihm nachlesen. Die Studenten tuschelten, ob damit David Irving gemeint sei, wie auch in der Woche davor von einem „französischen Politiker" die Rede war, ohne Le Pen beim Namen zu nennen.

Dieses Erlebnis hat mich nachhaltiger beeindruckt als der Historikerstreit. Um Nolte ist es seitdem relativ still geworden. Ins historische Abseits hatte er sich bereits manövriert, bevor seine weltgeschichtlichen Betrachtungen von den meisten Kollegen nur noch mit dem Prädikat „abstrus" bedacht wurden und seine öffentlichen Interviews, wie seinerzeit im Spiegel, ihn so weit nach rechts abdriften ließen, dass selbst die CDU-Vorsitzende sich jetzt weigerte, bei der Preisverleihung zu erscheinen. Dennoch scheint die Selbststilisierung zum Märtyrer unangebracht. Wenn es denn stimmt, dass er -- so Nolte über Nolte -- „aus dem öffentlichen Leben Deutschlands entfernt und zu einer ,Unperson' gemacht worden ist", dann ist es doch ganz beachtlich, wenn der bayerische Ministerpräsident ihn in seinem Grußwort unter die „Wissenschaftler, die sich mutig auf die Wahrheitssuche begeben", zählt und der Leiter des Instituts für Zeitgeschichte ihn als „einzigen Geschichtsphilosophen unter den deutschen Historikern" lobt. Auch die Münchner Residenz ist wahrlich kein Refugium der Geächteten.

An diesem Ort wirkt das Gerede vom Ausgestoßensein befremdlich. Nein, das Gegenteil mag verwundern: dass für ein derartiges Ereignis in der Münchner Residenz und im Bayerischen Hof Türe und Tore geöffnet, Grußworte und Laudatoren bereit gestellt werden, zeugt von der Akzeptanz rechtslastiger Ideen zumindest im bayerischen Mainstream. Manche mögen, wie der CSU-Politiker Posselt damit entschuldigt werden, dass sie die Deutschland-Stiftung mit der Konrad-Adenauer-Stiftung verwechselten. Andere wussten nur all zu gut, auf welchem Ball sie tanzten.

Was meinen Kollegen Horst Möller dazu bewogen hat, trotz vielfacher Warnungen diese Laudatio zu halten, weiß ich nicht. Es mag Bekennermut zu einem Mentor gewesen sein oder das Bekenntnis zur „Freiheit der Andersdenkenden", wie er es unter Berufung auf Rosa Luxemburg ausdrückte. Auch muss zur Kenntnis genommen werden, dass er sich in seiner Laudatio von den schlimmsten Thesen Noltes distanzierte, was bei einer solchen Feier durchaus nicht selbstverständlich ist. Allerdings mag man sich fragen, wie ausgerechnet jemand, der die Wehrmachtsausstellung auf Grund einiger falsch zugeordneter Bilder pauschal diskreditiert, gleichzeitig das Gesamtwerk eines Historikers würdigen kann, von dessen zentralen Aussagen in den letzten Jahren er sich selbst ständig distanzieren musste. Und wohl weiter muss.

Denn einen großen Dienst hat der Geehrte seinem Laudator mit seiner Dankesrede wahrlich nicht geleistet. Indem er nach längeren Attacken gegen Marcel Reich-Ranicki und die „neue Frankfurter Allgemeine Zeitung von 1999" subtil zum Thema jüdischer Intellektueller und deren „Singularitätsanspruch des genuinen Judentums" überleitete, entwarf er -- als Krönung des Ganzen -- das „negativ-germanozentrische Paradigma", das weitgehend mit „dem jüdischen" verschmolz. Das Resultat steht für die innere Bedrohung durch eine „schuldlos-schuldbekennende Generation". In einem anderen für die Feierlichkeit abgedruckten Beitrag wird eine „judäozentrische" Geschichtsinterpretation aufgeführt, deren Kern „die These von der weltgeschichtlichen Singularität des Holocaust" bilde.

Vielleicht merkten die Zuhörer in der Residenz gar nicht, dass zumindest einer der Lobredner die versteckten Zusammenhänge der Preisverleihung verstanden hatte. Es war Helmut Zöpfl, dessen Lobrede auf Otfried Preußler, den Autor des Räubers Hotzenplotz, immer wieder erwähnte, dass dieser in seinen Büchern ein klares Weltbild entwickelte: hier Gut, dort Böse. Gewiss vereint dieses Weltbild nicht nur die Publikationen der beiden Geehrten, sondern trifft auch auf den harten Kern der Deutschland-Stiftung zu. So versendet das für den Inhalt der Festbroschüre verantwortlich zeichnende Vorstandsmitglied Adelbert Reif gelegentlich recht aussagekräftige Briefe. Nachdem Reif in der Welt ein einseitiges Porträt über meine Person und den neu eingerichteten Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur verfasst hatte, wollte er sein Interesse über jüdische Themen durch die Teilnahme an einer im Dezember 1998 veranstalteten wissenschaftlichen Konferenz zum Exodus der Juden aus Polen 1968 vertiefen. Die Walser-Bubis-Debatte ließ ihn seine Teilnahme wieder zurück ziehen, mit folgender mir gegenüber geäußerten denkwürdigen Begründung:

„Die vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, betriebene unerhörte Hetze schließt aus meiner Sicht gegenwärtige jede seriöse Diskussion über das Judentum betreffende Fragen aus."

Es scheint, als hätten Reif und die Deutschland-Stiftung wieder Interesse am Judentum gewonnen und in Nolte dafür einen würdigen Repräsentanten gefunden.

Horst Möller fordert in seiner Laudatio Diskussion statt Ausgrenzung. Niemandem sei das Recht genommen, auch auf die verquersten Theorien einzugehen. Nur muss man wissen, auf welches Niveau und in welche Gesellschaft man sich damit begibt. Wer heute noch wie Ernst Nolte von einer „judäozentrischen" Geschichtsinterpretation und einem „negativ-germanozentrischen Paradigma" spricht, braucht einen Psychologen nötiger als einen Lobredner. Wer heute Ludwig Klages bemüht, um seine Theorien über Antisemitismus und Judentum loszuwerden, ist in einem ganz anderen Sinn, als mancher das verstehen mag, ein Ewiggestriger. Was aber macht der Lobredner, der sich so bemüht hatte, alle Wogen zu glätten, nach einer solchen Rede des Gelobten? Ach, wie schön muss es doch gewesen sein, die Laudatio auf den Räuber Hotzenplotz halten zu dürfen.

Der Autor lehrt Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München.

 

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