Donnerstag, 8. Juni 2000, Siete 17
Räuber
Hotzenplotz und Petrosilius Zwackelmann Eine
Nachbemerkung zur Verleihung des
Konrad-Adenauer-Preises an Ernst
Nolte Von Michael Brenner Was für eine verpasste
Gelegenheit! Mit Spannung hatte man die Lobreden
anlässlich der diesjährigen Verleihung
der Konrad-Adenauer-Preise der Deutschland-Stiftung
erwartet. Würden es die Laudatoren verstehen,
den Autor des Räubers Hotzenplotz und den
Initiator des Historikerstreits die sich die beiden
Preise teilten, entsprechend zu würdigen? Ich,
so gebe ich gerne zu, bin maßlos
enttäuscht. Wie konnte man nur übersehen, dass sich die
Jury bei der Kombination der beiden
Preisträger doch gewiss ihre Gedanken gemacht
hat? Von einem Laudator hätte man zumindest
eine kleine Gedankenbrücke erwarten
können. Etwa darauf zu verweisen, dass der
Diebstahl von Omas Kaffeemühle durch den
(klassenkämpferisch gesinnten) Räuber
Hotzenplotz den Untaten des bösen Zauberers
Petrosilius Zwackelmann (hat dieser nicht ein
kleines Schnauzbärtchen?) vorausging, und
letztere nur als bloße Reaktion darauf
verstanden werden kann. Es hätte also ein nettes, humorvolles
Treffen werden können. Mit hintersinnigen
Reden, deren Inhalt den Zuhörern ein wenig
verschlüsselt geblieben wäre. Wie etwa
jene Vorlesung des Geehrten, in die ich Anfang der
neunziger Jahre in der Freien Universität
hineinhörte. Der eben emeritierte Nolte
sprach damals unbekümmert von der Zustimmung
für die Nürnberger Gesetze aus
zionistischen Kreisen (gemeint war offensichtlich
der auch innerhalb des Zionismus isolierte Georg
Kareski), illustrierte die Affinitäten
zwischen Nationalsozialismus und Zionismus mit
Wandschmierereien ultraorthodoxer Juden und
zitierte andauernd einen britischen
Historiker", dessen Namen zu nennen er sich
beharrlich weigerte. Man könne all dies
ja bei ihm nachlesen. Die Studenten tuschelten,
ob damit David Irving gemeint sei, wie
auch in der Woche davor von einem
französischen Politiker" die Rede
war, ohne Le Pen beim Namen zu
nennen. Dieses Erlebnis hat mich nachhaltiger
beeindruckt als der Historikerstreit. Um Nolte ist
es seitdem relativ still geworden. Ins historische
Abseits hatte er sich bereits manövriert,
bevor seine weltgeschichtlichen Betrachtungen von
den meisten Kollegen nur noch mit dem Prädikat
abstrus" bedacht wurden und seine
öffentlichen Interviews, wie seinerzeit im
Spiegel, ihn so weit nach rechts abdriften
ließen, dass selbst die CDU-Vorsitzende sich
jetzt weigerte, bei der Preisverleihung zu
erscheinen. Dennoch scheint die Selbststilisierung
zum Märtyrer unangebracht. Wenn es denn
stimmt, dass er -- so Nolte über Nolte --
aus dem öffentlichen Leben Deutschlands
entfernt und zu einer ,Unperson' gemacht worden
ist", dann ist es doch ganz beachtlich, wenn der
bayerische Ministerpräsident ihn in seinem
Grußwort unter die Wissenschaftler, die
sich mutig auf die Wahrheitssuche begeben",
zählt und der Leiter des Instituts für
Zeitgeschichte ihn als einzigen
Geschichtsphilosophen unter den deutschen
Historikern" lobt. Auch die Münchner Residenz
ist wahrlich kein Refugium der Geächteten. An diesem Ort wirkt das Gerede vom
Ausgestoßensein befremdlich. Nein, das
Gegenteil mag verwundern: dass für ein
derartiges Ereignis in der Münchner Residenz
und im Bayerischen Hof Türe und Tore
geöffnet, Grußworte und Laudatoren
bereit gestellt werden, zeugt von der Akzeptanz
rechtslastiger Ideen zumindest im bayerischen
Mainstream. Manche mögen, wie der
CSU-Politiker Posselt damit entschuldigt werden,
dass sie die Deutschland-Stiftung mit der
Konrad-Adenauer-Stiftung verwechselten. Andere
wussten nur all zu gut, auf welchem Ball sie
tanzten. Was meinen Kollegen Horst Möller dazu
bewogen hat, trotz vielfacher Warnungen diese
Laudatio zu halten, weiß ich nicht. Es mag
Bekennermut zu einem Mentor gewesen sein oder das
Bekenntnis zur Freiheit der Andersdenkenden",
wie er es unter Berufung auf Rosa Luxemburg
ausdrückte. Auch muss zur Kenntnis genommen
werden, dass er sich in seiner Laudatio von den
schlimmsten Thesen Noltes distanzierte, was bei
einer solchen Feier durchaus nicht
selbstverständlich ist. Allerdings mag man
sich fragen, wie ausgerechnet jemand, der die
Wehrmachtsausstellung auf Grund einiger falsch
zugeordneter Bilder pauschal diskreditiert,
gleichzeitig das Gesamtwerk eines Historikers
würdigen kann, von dessen zentralen Aussagen
in den letzten Jahren er sich selbst ständig
distanzieren musste. Und wohl weiter muss. Denn einen großen Dienst hat der Geehrte
seinem Laudator mit seiner Dankesrede wahrlich
nicht geleistet. Indem er nach längeren
Attacken gegen Marcel Reich-Ranicki und die
neue Frankfurter Allgemeine Zeitung von 1999"
subtil zum Thema jüdischer Intellektueller und
deren Singularitätsanspruch des genuinen
Judentums" überleitete, entwarf er -- als
Krönung des Ganzen -- das
negativ-germanozentrische Paradigma", das
weitgehend mit dem jüdischen"
verschmolz. Das Resultat steht für die innere
Bedrohung durch eine
schuldlos-schuldbekennende Generation". In
einem anderen für die Feierlichkeit
abgedruckten Beitrag wird eine
judäozentrische"
Geschichtsinterpretation aufgeführt, deren
Kern die These von der weltgeschichtlichen
Singularität des Holocaust" bilde. Vielleicht merkten die Zuhörer in der
Residenz gar nicht, dass zumindest einer der
Lobredner die versteckten Zusammenhänge der
Preisverleihung verstanden hatte. Es war Helmut
Zöpfl, dessen Lobrede auf Otfried
Preußler, den Autor des Räubers
Hotzenplotz, immer wieder erwähnte, dass
dieser in seinen Büchern ein klares Weltbild
entwickelte: hier Gut, dort Böse. Gewiss
vereint dieses Weltbild nicht nur die Publikationen
der beiden Geehrten, sondern trifft auch auf den
harten Kern der Deutschland-Stiftung zu. So
versendet das für den Inhalt der
Festbroschüre verantwortlich zeichnende
Vorstandsmitglied Adelbert Reif gelegentlich
recht aussagekräftige Briefe. Nachdem Reif in
der Welt ein einseitiges Porträt über
meine Person und den neu eingerichteten Lehrstuhl
für Jüdische Geschichte und Kultur
verfasst hatte, wollte er sein Interesse über
jüdische Themen durch die Teilnahme an einer
im Dezember 1998 veranstalteten wissenschaftlichen
Konferenz zum Exodus der Juden aus Polen 1968
vertiefen. Die Walser-Bubis-Debatte ließ ihn
seine Teilnahme wieder zurück ziehen, mit
folgender mir gegenüber geäußerten
denkwürdigen Begründung: Die vom Vorsitzenden des
Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz
Bubis, betriebene unerhörte Hetze
schließt aus meiner Sicht
gegenwärtige jede seriöse Diskussion
über das Judentum betreffende Fragen aus." Es scheint, als hätten Reif und die
Deutschland-Stiftung wieder Interesse am Judentum
gewonnen und in Nolte dafür einen
würdigen Repräsentanten gefunden. Horst Möller fordert in seiner
Laudatio Diskussion statt Ausgrenzung. Niemandem
sei das Recht genommen, auch auf die verquersten
Theorien einzugehen. Nur muss man wissen, auf
welches Niveau und in welche Gesellschaft man sich
damit begibt. Wer heute noch wie Ernst Nolte von
einer judäozentrischen"
Geschichtsinterpretation und einem
negativ-germanozentrischen Paradigma"
spricht, braucht einen Psychologen nötiger als
einen Lobredner. Wer heute Ludwig Klages
bemüht, um seine Theorien über
Antisemitismus und Judentum loszuwerden, ist in
einem ganz anderen Sinn, als mancher das verstehen
mag, ein Ewiggestriger. Was aber macht der
Lobredner, der sich so bemüht hatte, alle
Wogen zu glätten, nach einer solchen Rede des
Gelobten? Ach, wie schön muss es doch gewesen
sein, die Laudatio auf den Räuber Hotzenplotz
halten zu dürfen. Der
Autor lehrt Jüdische Geschichte und Kultur an
der Universität München. Related files: -
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