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Berliner Morgenpost

Berlin, 8. März 2000


 

Hitlers williger Anwalt

Professoren im Zeugenstand: Der umstrittene Publizist David Irving verteidigt seine Holocaust-Thesen vor dem Londoner High Court

Von Dieter Ebeling

Üblicherweise gibt es in solchen Fällen eine Jury. Diesmal aber haben beide Seiten auf Geschworene verzichtet. Denn sie finden übereinstimmend, dass dieses Verfahren ohnehin nur schwer zu verstehen ist. So wird der Richter Charles Gray im Saal 73 des Londoner High Court bald allein zu entscheiden haben.

Es geht um üble Nachrede - und wenn Gray nicht gerade als Richter amtiert, dann ist er einer der bekanntesten Fachanwälte für üble Nachrede in Großbritannien. Möglicherweise bedauert er, nicht Historiker zu sein, denn es klagt der umstrittene britische Publizist David Irving gegen die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt und den Penguin Verlag.

Der 62-Jährige fühlt sich in seiner Ehre verletzt und vertritt sich vor Gericht selbst. Irving wehrt sich gegen Lipstadts Buch «Denying the Holocaust» von 1994, in dem die Professorin aus Atlanta ihn beschuldigt, ein «Leugner des Holocaust» zu sein, ein «Hitler-Bewunderer», der «Scheuklappen trägt, Dokumente verfälscht und Fakten unrichtig wiedergibt, um historisch unhaltbare Schlüsse zu ziehen». Lipstadt, in der Rolle der Beschuldigten, muss nach englischem Recht vor Gericht all ihre Behauptungen beweisen. Sie sieht in Irving jemanden, der den Neonazis als wissenschaftliches Feigenblatt dient und die massenhafte Ermordung der Juden durch die Nazis implizit entschuldigt.

Nach Ansicht Irvings, der kein studierter Historiker ist, dessen frühe Bücher zum Beispiel über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 aber von der Fachwelt gleichwohl ernst genommen werden, sind die Beschuldigungen alle falsch und ungerecht. Er habe niemals wider besseres Wissen den Holocaust geleugnet, sagt er, «wie sehr wir anders denkenden Historiker auch über Mittel, Umfang, Daten und andere Details zu streiten wünschen». Er bestreite nicht, dass viele Juden in Konzentrationslagern gestorben seien. Er finde allerdings keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine organisierte Ausrottung gehandelt habe. Und es gebe auch keine Beweise dafür, dass Adolf Hitler das angeordnet habe. Auch für den Massenmord in den Gaskammern von Auschwitz gibt es nach Irvings Auffassung keine Beweise. Die Kammern, die man dort den Touristen zeige, seien von den Polen gebaut worden.

Da muss mancher im Gerichtssaal tief durchatmen, wenn sich David Irving in Rage redet und darüber klagt, mit dem Etikett des «Leugners des Holocaust» werde ihm ein «virtueller Judenstern» angeheftet, mit dem er beruflich vernichtet werden solle. Berge von Akten sind in den Gerichtssaal geschafft worden. Denn alle Beweismaterialien müssen bereits vor Beginn des Prozesses vorgelegt werden - und britische Gerichte entscheiden in Fragen der üblen Nachrede immer über die Streitfrage selbst. Es geht also um die historische Wahrheit, so weit sie sich dem Gericht erschließen kann.

Richard Rampton, der Anwalt von Deborah Lipstadt, sagte, Irving habe die Nähe von Alt- und Neo-Nazis und deren Applaus zumindest nicht gemieden. Und er versucht, die Glaubwürdigkeit des Autors zu erschüttern. Hat er zum Beispiel 1991 in Calgary nicht gesagt: «Mehr Leute [sic. Frauen] sind auf dem Rücksitz von Senator Kennedys Auto in Chappaquiddick gestorben als in den Gaskammern von Auschwitz»?

Nein, protestiert Irving, er habe gesagt « . . . als in den Gaskammern von Auschwitz, die man den Touristen zeigt». «Ich sage immer genau das Gleiche», bekräftigt Irving. Dann spielt Rampton eine Videoaufnahme der Rede ab - und da fehlt dieser Zusatz. Irving schaut betreten drein.

Die jetzt freigegebenen Aufzeichnungen Adolf Eichmanns, der den Holocaust organisierte, habe er noch nicht lesen können, sagt Irving, «bei der wenigen Zeit, die ich habe». Rampton erwidert siegessicher: «Sollten Sie aber tun.» Er werde darauf in seinem Schluss-Plädoyer zurückkommen. Sir John Keegan, angesehener Militärhistoriker und gegen seinen Willen von Irving in den Zeugenstand gerufen, findet nach wie vor, dass Irvings Buch «Hitlers Krieg» von 1977 ein wichtiges Werk sei.

Die darin und seither vielfach publizierten Ansichten des Klägers über die «Endlösung» seien allerdings «pervers». Prof. Richard Evans von der Universität Cambridge legt als Zeuge Lipstadts ein 740 Seiten starkes Gutachten vor. Darin weist er Irving zahlreiche handwerkliche Fehler nach. Am 13. März sollen die Schluss-Plädoyers gehalten werden, danach muss Richter Charles Gray entscheiden. dpa

© Berliner Morgenpost 2000

 

 

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March 8, 2000
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