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Irving's "Radical's Diary" für Jan.: 28
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] Frankfurt, 7. März 2000
Lügner, Nazi oder Opfer einer Verschwörung? Der Historiker Irving steht in London vor Gericht, weil er behauptet, der Holocaust habe so nicht stattgefunden Von Peter Nonnenmacher (London)
Ob er denn wirklich, wird David Irving gefragt, seiner neun Monate alten Tochter diesen Kinderreim vorgesungen habe, auf dem Weg in den Park, beim Passieren von Kindern, die ihm als "Halbblut" auffielen? Gewiss habe er das, sagt Irving: Er schrieb es schließlich (1994) in seine Tagebücher. "Rassistisch, Mr. Irving?" fragt der Rechtsanwalt Richard Rampton. "Anti-semitisch, Mr. Irving?" Das findet nun der rührige Vater und Historiker keineswegs: "Nein, ich glaube nicht." Der Anwalt setzt nach: "Ihrem kleinen Kind diese Art Gift einträufeln?" Irving schüttelt den Kopf: "Sie glauben doch nicht, dass ein neun Monate altes Kind versteht . . ." Richard Rampton glaubt es durchaus: "Sein perverser, rassistischer Vater bringt dem armen kleinen Kind ein rassistisches Reimchen bei!" Worauf Irving erwidert: "Ich bin kein Rassist." [Foto links unten: Tochter Jessica, 2000 mit bester Freundin Mia] Ist David Irving ein Rassist? Ist er ein Neonazi? Ist er ein gefährlicher Hitler-Apologet - oder nur, wie er selbst behauptet, ein gewissenhafter Akademiker, der durch eine globale, schurkische Verschwörung zum Schweigen gebracht werden soll? Um diese Frage, um die Glaubwürdigkeit Irvings, wird zur Zeit vor dem Londoner High Court verhandelt. Dort will der 62-jährige Brite, rechtsradikale Historiker und Verfasser von über zwanzig Werken (hauptsächlich zur NS-Geschichte) die US-Professorin Deborah Lipstadt zwingen, von ihrer "Verunglimpfung" seiner Person abzulassen, die seiner Überzeugung nach auf "den Ruin meines guten Namens" zielt. Der Verleumdungs-Prozess, den Irving auch gegen Lipstadts britischen Verleger, den Penguin-Verlag, angestrengt hat, strebt gegenwärtig seinem Höhepunkt zu: Die Beweisaufnahme ist just abgeschlossen worden, die Plädoyers sollen nächste Woche gehalten werden, ein Urteil wird für April erwartet. In dem Prozess wehrt sich der Kläger gegen das vor vier Jahren von der Expertin für jüdische Studien an der Universität Atlanta veröffentlichte Buch Das Leugnen des Holocaust, in dem Lipstadt Irving beschuldigte, "ein Adolf-Hitler-Partisan" zu sein, "der Scheuklappen trägt und Dokumente verdreht und Fakten fälscht, um zu historisch unhaltbaren Schlüssen zu kommen - besonders zu Schlüssen, die Hitler entlasten". Hinter solcher "Diffamierung" sieht Irving "die traditionellen Feinde der Wahrheit" - linke und jüdische Organisationen - am Werk, denen schlicht die Folgerungen seiner jahrzehntelangen Arbeit nicht gefallen. Seit Mitte Januar hat der Mann im Nadelstreifenanzug, der sich etwas auf seinen Ruf als NS-Experte ("nicht als Holocaust-Experte") zugute hält, diesen Ruf vor Gericht zu retten gesucht. Wiewohl er der Kläger im Verfahren ist, weiß Irving, dass es hier, im Raum 73 des High Court, um einen letzten, verzweifelten Versuch zur Verteidigung seines Renommees als Historiker geht. Ohne eigenen Rechtsvertreter, dafür mit Bergen von Dokumenten hat sich Irving gegen Lipstadt, gegen Penguin und gegen den scharfzüngigen Anwalt Richard Rampton zur Wehr gesetzt. Publizität war ihm und seinem Prozess jedenfalls sicher. Nicht nur ist der Brite mit dem ausgeprägten Kinn und den buschigen Brauen, mit seinen auf der Insel durchaus untypischen Deutschland-Sympathien und seinem geradezu unheimlichen Einfühlungsvermögen ins Denken der NS-Führung, ein Rätsel für seine Landsleute, ein prominenter Außenseiter der britischen Gesellschaft geblieben. Sein Fall hat auch, zum ersten Mal in dieser Weise, die britische Öffentlichkeit mit radikal revisionistischen Theorien konfrontiert. "Es kommt nicht jeden Tag vor, dass die Geschichte selbst vor Gericht steht", kommentierte es der Churchill-Biograf Martin Gilbert. Endlich, freute sich der israelische Historiker Yehuda Bauer vom Holocaust-Museum Yad Vaschem, biete ein Gerichtsverfahren "die wunderbare Chance, ein für alle Mal den Mythos zu begraben, dass es den Holocaust nicht gab". Skeptischer zeigte sich Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem: "Diese Gerichtshöfe sind nicht der ideale Ort zur Klärung der Wahrheit." Sein eigenes Buch über einen in Britannien lebenden Kriegsverbrecher könne, wegen der dortigen Gesetze, nicht vertrieben werden: "In diesen Gerichten kann doch alles passieren - und ein Sieg für Irving wäre ein schwerer Schlag für Wahrheit und historische Genauigkeit." Mangel an historischer Genauigkeit war indes, was David Irving in der Beweisaufnahme der vergangenen Wochen den Beklagten vorhielt. Zwar mochte Irving gar nicht pauschal bestreiten, dass es so etwas wie den Holocaust gab (den er früher einmal "eine Legende" genannt hatte), und dass unter nationalsozialistischer Herrschaft Juden ums Leben kamen. Dass es freilich eine systematische Vergasungs-Politik gab, dass Hitler die Ausrottung der Juden angeordnet hatte, und dass Auschwitz als eine zentrale Vernichtungsstätte fungierte - das lasse sich keineswegs beweisen, monierte Irving. Bei den zu Kriegsende gesprengten "Entlausungs-Kammern" von Auschwitz beispielsweise seien keine Deckenlöcher auffindbar gewesen, durch die Gas in die Gebäude hätte eingeleitet werden können. Und "rein logistisch" sei die Vergasung von Millionen Juden eh unmöglich gewesen. In Wirklichkeit seien die jüdischen Insassen des Lagers Auschwitz wohl am Typhus und an Entkräftung, also an "natürlichen Todesursachen", gestorben. Und die das Gegenteil belegenden Augenzeugenberichte der Überlebenden? Eine Frage der Imagination, von Psychiatern zu beantworten, befand Irving. Aber die Geständnisse der Lager-Verwalter gegenüber britischen Beamten? Erpresst von den Betroffenen, unter Androhung brutaler Gewalt. Ein paar Mal brachte Irving, mit seiner Forderung nach Belegen, nach handfesten Beweisen, die Gegenseite in zornige Verlegenheit. Wo er selbst angegriffen wurde, behalf er sich hingegen mit argumentativen Seitensprüngen, oder mit unschuldsvoller Ahnungslosigkeit. Belastende Dokumente - wie die letzte Woche von Israel freigegebenen Gefängnis-Notizen Adolf Eichmanns - hatte Irving "nicht gelesen". Der Inhalt einiger Papiere war ihm "neu", während ihm andere "reine Fälschung" schienen. Letztlich war er bereit einzuräumen, dass es in einem KZ, in Birkenau, wohl Vergasungen "in begrenztem Umfang" gegeben habe. Als "systematisch" habe er das aber seinerzeit nicht einstufen können, da es an entsprechenden Nachweisen gefehlt habe - nicht seine Schuld also, wenn er Umfang und Absicht des "Holocaust" genannten Phänomens in seinen Werken bestritt. In einem zeitweise bizarren Ringen um historische Details, um Löcher in Gaskammern, Höchstkapazität von Lager-Aufzügen und Lebensbedingungen in den KZ-Transporten (Irving: "Die Leute waren doch gut versorgt, in diesen Zügen") sah High-Court-Richter Charles Gray in den letzten Wochen Irving seine "differenzierte" NS-Perspektive verteidigen und harte Hiebe gegen die Beklagten austeilen, die ihm vor der Weltöffentlichkeit "den verbalen gelben Stern eines Holocaust-Leugners" aufzuzwingen und seine Existenz zu zerstören suchten. Richard Rampton, Lipstadts Anwalt, war von solchen Beschuldigungen nicht zu beeindrucken: "Herr Irving nennt sich einen Historiker. In Wahrheit aber ist er gar kein Historiker, sondern ein Geschichtsfälscher. Um es ganz direkt zu sagen: Er ist ein Lügner." Mit Tagebuch-Material, das Irving selbst veröffentlicht hatte, mit Auszügen aus Irving-Reden und Bildern von rechtsradikalen Veranstaltungen, auf denen Irving in der Vergangenheit gesprochen hatte, suchte Rampton Irving als Rassisten, Anti-Semiten und Hitler-Fan zu klassifizieren. Nicht nur abfällige Bemerkungen über schwarze Briten und Kinderlieder der arischen Art kamen dabei zur Sprache, sondern auch David Irvings berühmt-berüchtigter kanadischer Satz von 1991, auf dem Rücksitz des Wagens von Edward Kennedy in Chappaquiddick seien "mehr Frauen umgekommen als jemals in einer Gaskammer in Auschwitz". Leider, zuckte Irving die Schultern, seien solche Bemerkungen immer wieder missverstanden worden - weshalb er ja auch seit 1993 aus Deutschland verbannt sei, wo "ein paar gute Freunde von mir im Gefängnis sitzen", und wo die Behörden neuerdings seine Auslieferung durch das Vereinigte Königreich verlangt hätten. Nicht auf sich sitzen lasse mochte Irving allerdings den Vorwurf, er habe 1990 einmal, am 20. April in München, bei einem Neonazi-Treffen das Glas auf Hitlers Wohl erhoben. Das könne er schon deshalb nicht getan haben, erwiderte der Hitlerologe, "weil ich nicht trinke". Weniger Heiterkeit als mit dieser Bemerkung rief er allerdings mit einer Antwort hervor, die er nach dem Bericht eines Reporters der Londoner Times auf dem Nachhauseweg vom Gericht einer Frau gab, die ihm erklärte, dass ihre Großeltern in den Gasöfen von Auschwitz ermordet worden seien. "Vielleicht beruhigt es Sie zu wissen", sagte David Irving, "dass Ihre Verwandten mit größter Sicherheit an Typhus gestorben sind - genau wie Anne Frank." Copyright © Frankfurter Rundschau 2000 Dokument erstellt am 06.03.2000 um 20.45 Uhr Erscheinungsdatum 07.03.2000
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7. März 2000
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