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[verbatim trial transcripts | Radical's Diary Jan 28 ]

 

 

 

Frankfurt, Freitag, January 28, 2000


 

Der Anzügliche

Vor Gericht: Irving macht Öffentlichkeitsarbeit

 

LONDON, Ende Januar

,,Antisemiten sind nicht alle gleich. Manche brechen den Juden die Knochen, andere verletzen jüdische Empfindungen." Mit diesen Sätzen beginnt das Buch, das Anthony Julius, Literaturwissenschafter und Rechtsanwalt, über T.S. Eliot geschrieben hat. Gleich der nächste Satz, ,,Eliot fällt in die zweite Kategorie", paßt auch auf David Irving.

Doch vor Gericht hat Anthony Julius noch nichts dergleichen gesagt. Er hat nämlich noch überhaupt nichts gesagt. Der Staranwalt, dessen Name weit über Großbritannien hinaus bekannt ist, seit er Prinzessin Dianas Scheidungsabfindung mit den königlichen Rechtsvertretern verhandelt und nach ihrem Unfalltod auch die Abwicklung ihres letzten Willens übertragen bekommen hat, ist kein ,,Barrister". RamptonDas heißt, er trägt keine der lockigen Perücken und muss seinem Mitstreiter Richard Rampton [rechts] die Bühne überlassen.

Wenn eine von Ramptons kunstvoll aufgebauten Fragespiralen, die den Gegner in die Ecke treiben und dort wehrlos festnageln sollen, plangemäß aufgeht, schließt Rampton das Manöver gern mit einem trockenen Urteil in Richtung Richter ab: ,,Mister Irving ist ein Rechtsradikaler, ein Extremist und ein Holocaust-Leugner."

Anthony Julius sitzt immer nur dabei. Er blättert in den Akten und sieht dabei hoch konzentriert aus. Die abweisende Miene entspannt sich nur, wenn seine kleine Tochter in der Pause vor dem Gerichtssaal auf ihn wartet. Es heißt, daß er die Fäden ziehe, die Strategie plane.

Rampton dagegen könnte jederzeit in einem Hollywood-Gerichtsdrama eine tragende Rolle spielen: dieselbe Beherrschtheit, Schärfe und Ironie, die den meisten von ihm Verhörten das Gefühl gibt, er sei ein paar Längen schlauer als sie, daher wäre es besser, gleich die Wahrheit zu sagen. Aber bei David Irving funktioniert das nicht, der hält sich zu sehr für einen Übermenschen.

Richard Rampton, dem man die Rolle des moralischen Helden in diesem Holocaust-Juristenstück zumessen möchte, ist Spezialist für Verleumdungsklagen. Sein letzter spektakulärer Fall dauerte zwei Jahre: Er führte die Klage für McDonald's gegen eine Handvoll Greenpeace-Aktivisten, die Flugblätter gegen McDonald's verteilt hatten. Es war weder für Rampton noch für McDonald's ein großer Erfolg: Sie gewannen bloß die Hälfte der Teilverfahren, und die Fast-Food-Kette hatte jahrelang eine schlechte Presse. Dieses Unentschieden weist schon auf die Statistik hin, die in diesem Fall leicht gegen David Irving spricht: In den vergangenen Jahren haben vor englischen Richtern in Verleumdungsfällen immer eher die verloren, die die Klage eingebracht hatten.

Die beiden Parteien, die hier vor Gericht um den Holocaust streiten und darum, ob Irving ein Faktenverdreher ist, könnten nicht unterschiedlicher sein. Auf der Seite der von Irving verklagten Deborah Lipstadt. die selbst jede Aussage verweigert, sitzen dreizehn Menschen in drei Reihen vor aufgeklappten Laptops und stecken einander ständig kleine gelbe Zettelchen zu. Zu dem von Rampton und Julius geführten Team gehören ein weiterer Barrister, junge Anwälte, deutsche Rechercheure und gut gekleidete Mädchen, die sich zwischen den Hunderten Aktenordnern bewegen wie in ihrem Wohnzimmer und so graziös wie schnell alles bringen, was gebraucht wird.

,,Es ist ja nicht wie bei Ihnen, wo jeder Assistent wieder einen Assistenten hat", sagt Irving einmal sarkastisch, als ihm eine Akte fehlt. Inzwischen ist ein junger Mann vom gegnerischen Team dazu abgestellt, dem Kläger seine Akten zu reichen, denn Irving ist ja ganz allein.

Dafür bestreitet er die gesamte Pressearbeit des Falles. Mit kleinem Kichern beschied er einen Mitarbeiter der beiden involvierten Kanzleien schon vor Prozessbeginn, doch Mr. Irvings Web-Seite aufzusuchen, um dort die Basisinformationen zu bekommen. Der Text der Klage, die ,,opening statements", Links zu anderen Internetseiten sowie ein täglich aktualisiertes internationales Pressesortiment in den Originalsprachen sowie in englischer Übersetzung - alles ist da. Irving behält sich natürlich vor, den dort eingespeisten Artikeln seine Kommentare darüber anzufügen, was sie seiner Ansicht nach an Wahrheit oder Bösartigkeit enthalten. Seit einigen Tagen bietet Irving einen weiteren Service: Er stellt nun auch die wörtlichen Mitschriften der Verhandlungstage zur Verfügung.

Schon nach der ersten Woche hatte ,,Irving gegen Lipstadt" von Saal 37 in Saal 73 umziehen müssen. Die Umzugskartons der Aktenordner liegen immer noch unordentlich im Raum. Dafür haben die Ordner jetzt Platz in richtigen Regalen gefunden und stehen nicht mehr, wie in Saal 37, in übereinander gestapelten Kartonhaltern vor den Fenstern und verhindern jedes Tageslicht. Das angloamerikanische Rechtssystem schreibt vor, dass alle Beweise, die benutzt werden sollen, schon vor Verhandlungsbeginn dem Gegner offen gelegt werden müssen. Daher ist die Fachliteratur zum Prozess bereits geschrieben, und die Buchverlage könnten eigentlich schon ihre Unterhändler schicken. ,,Beweise für die Durchführung der Endlösung" heißt Christopher Brownings Beitrag, mit 63 Seiten der kürzeste.

Weil Deborah Lipstadt am Donnerstag an der internationalen Holocaust-Konferenz in Stockholm teilnimmt - in seinen anzüglichen E-Mails nennt Irving es ,,einen Holocaust-Ausflug" -, wird der Prozess am Montag fortgesetzt.--EVA MENASSE


 

SUGGESTION: Did this journalist accurately reflect the day's proceedings? Check the day's transcript (when available) and then fax a reader's letter to her newspaper the Frankfurter Allgemeine Zeitung at (+49) 69 7591 1743 or 


Friday, January 28, 2000
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