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Frankfurt, Monday, January 24, 2000


Nennt mich pervers

Wenn ihr mich nur ernst nehmt: Irving präsentiert einen Zeugen

 

LONDON, im Januar

Gegen seinen Willen tritt Donald Cameron Watt als Irvings erster Zeuge auf. Einer Zeugeneinvernahme kann sich keiner verweigern, auch der hoch angesehene emeritierte Professor nicht, der Generationen von Studenten an der London School of Economics in internationaler Geschichte unterrichtete. Respektvoll bittet Richter Gray den alten Herrn, sich im Zeugenstand doch zu setzen: ,,Es genügt, wenn Mister Irving steht." Irving, nach vollen vier Tagen der ,,Witness-Box" für kurze Zeit entkommen, genießt seine neue Rolle als Verhörer. Bevor er seine erste Frage stellt, weist er für alle, die es noch nicht wissen, noch einmal darauf hin, dass Professor Watt unfreiwillig hier ist: ,,Kein Odium wird an Ihnen haften bleiben, Herr Professor!"

Watt war 1947 und 1948 in Graz als britischer Soldat stationiert und arbeitete für das Foreign Service Research Departement. In dieser Funktion sichtete er Tonnen von erbeuteten Nazi-Dokumenten. Irving befragt ihn nun, wie sicher es sei, aus der negativen Dokumentenlage ,,positive Schlüsse zu ziehen, wie ich es oft tue". Das bezieht sich wieder auf sein Argument, wonach es ein Dokument, das man nicht findet, wahrscheinlich niemals gegeben hat: den von Hitler persönlich unterzeichneten Endlösungsbefehl zum Beispiel. Und wenn es ihn nicht gegeben hat, liegt für Irving die Annahme, Hitler habe vom millionenfachen Mord an den Juden keine Ahnung gehabt, nur ein Kinderschrittchen weiter. Professor Watt antwortet weise: Erstens wisse man nicht, wie viele Dokumente die Nazis zu Kriegsende noch zerstört hätten. Die Fehlbestände aus den letzten Kriegsjahren seien jedenfalls erheblich. Zweitens habe er seine Schüler immer gelehrt, das, was sie haben oder nicht haben, in den Zusammenhang ihrer anderen Quellen so gut wie möglich einzubetten. Über diese Antwort könnten sowohl Irving als auch sein Gegenspieler Rampton, der die von Irving der Verleumdung angeklagte Deborah Lipstadt und ihren Buchverlag vertritt, zufrieden lächeln. Nur kann man das von hinten nicht sehen.

David Irving ist nicht zu unterschätzen. Am letzten Verhandlungstag der zweiten Woche scheint er plötzlich erfrischt und wieder kämpferisch. Er bittet Professor Watt um einen ,,generellen Kommentar" zu seiner Arbeit als Historiker. Professor Watt, der wie jeder Zeuge in England auf die Bibel geschworen hat, sagt nun, was er sagen muss, weil es seine Meinung ist. Er wendet sich dabei zum Richter. Das erlaubt ihm den Komfort der dritten Person: ,,Ich war von seinem Fachwissen immer sehr beeindruckt. Auch wenn man mit ihm nicht übereinstimmt, muss man ihn jedenfalls ernst nehmen."

Zufrieden zitiert Irving aus einer über zwanzig Jahre alten Buchbesprechung von ,,Hitler's War", die Watt einst für den ,,Daily Telegraph" verfasst hat: ,,Ich persönlich fand es nicht unüberzeugend, was Irving etwa über Himmlers Charakter schreibt." In diesem noch jungen, neuen Jahrhundert fügt Watt dem hinzu: ,,Das Buch war historisch herausfordernd, aber als Ganzes nicht überzeugend." Und dann wendet er sich, wieder ganz alter Lehrer, direkt an Irving:

,,Alles, was getan wurde, wurde in Hitlers Namen getan. Sie müssen hier auch Ihre Vorstellungskraft benutzen. Außerdem glaube ich, dass Himmler praktisch unfähig war, irgendetwas selbst hervorzubringen. Er verließ sich darauf, dass alles von Hitler gedeckt war." Irving fragt dann noch, ob seine Art, Geschichte zu schreiben, in Watts Augen ,,pervers" sei. Irving verwendet gern Worte, die viel schlimmer sind als die, die die Verteidigung benutzt, um zu zeigen, welch abstoßender Bösewicht aus ihm gemacht werden soll. Watt antwortet, beinahe seufzend, dass er auf dem Gebiet der Geschichtsforschung schon Perverseres gesehen habe als das, was Irving produziert.

Nachher, auf dem Korridor, sagt Watt etwas Bemerkenswertes: Es widerstrebe ihm, dass Irving behandelt werde, als wäre er ein Pädophiler. Scheinbar spontan erzählt er daraufhin eine andere Geschichte: dass er 1965 beauftragt worden sei, eine auf die wesentlichen Stellen konzentrierte und kommentierte Version von ,,Mein Kampf" herauszugeben. Er habe dem gern entsprochen, weil es zu diesem Text Zugang geben müsse. Doch in letzter Minute sei die Edition verhindert worden. Auch eine Hitler-Biografie zu schreiben sei ihm einmal angetragen worden. Zufällig hatte er gerade Rückenprobleme, lag wochenlang im Bett und hatte Muße, sich einzulesen. Es sei ihm physisch schlecht geworden. Er habe daher darauf verzichtet, sich jahrelang intensiv mit Hitler zu beschäftigen. Hier kommt er noch einmal auf Irving zurück: Bevor dieser ,,auf das Hitler-Business aufgesprungen ist", seien seine Bücher in Fachkreisen ernsthaft diskutiert worden, das solle man nicht vergessen. Dann nimmt Professor Watt seine Tasche und geht davon.--EVA MENASSE


 

SUGGESTION: Did this journalist accurately reflect the day's proceedings? Check the day's transcript (when available) and then fax a reader's letter to her newspaper the Frankfurter Allgemeine Zeitung at (+49) 69 7591 1743 or 


Monday, January 24, 2000
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