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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Feuilleton, 16. März 2000


[transcript of last day]

 

 

Irving at courthouseWer vorm Showdown zittert, hat verloren

Letzte Runde: Im Irving-Prozess schlägt die Stunde der Schlussplädoyers

 

LONDON, 15. März

Gegen sein Ende hin verzögert sich der Irving-Prozess noch einmal effektvoll. Zwei Tage lang wartete London vergeblich, dass überhaupt irgend etwas geschah. Der Montag der Schlussplädoyer-Woche fiel gleich ganz aus. Am Dienstag dann hätte entweder der Richter den beiden Parteien oder die beiden Parteien einander Fragen zu den bereits vorliegenden „closing statements" stellen sollen, doch darüber, was eigentlich verabredet war, gingen die Meinungen auseinander.

Es stellte sich heraus, dass keiner etwas anderes vorbereitet hatte als ebendie Plädoyers und dass der Richter keine Fragen hatte. Richard Rampton weigerte sich, mit Rücksicht auf irgendwelche erwarteten Zuhörer aus Amerika, seine Rede einen Tag früher zu halten. Irving, der keine Gelegenheit auslässt, sich beim Richter lieb Kind zu machen, bot halbherzig an, die seine gleich zu halten, worauf niemand näher einging, denn in einem Fall wie diesem gebührt dem Kläger das letzte Wort.

Also hatten sich all die Zuschauer am zweiten Tag der Woche vergeblich Stunden vorher um einen Sitzplatz angestellt. Dabei war alles bereit für den Showdown: Im Gerichtssaal 73 stehen plötzlich neue, weiche blaue Stühle, eine boshafte Wohltat nach acht Wochen in unsäglichen Plastikschalen. Seit langem wieder waren die Pressereihen bis zum letzten Platz gefüllt. Selbst der gestrenge Gerichts-Clerk, der Damendrache, schien unter der Robe besonders elegant gekleidet. Doch nach einer knappen Stunde gingen alle wieder nach Hause, und Richter Gray war zutiefst verärgert.

Die Show wurde vertagt. Es ist eine Show für die Öffentlichkeit, nichts anderes. denn der Richter hat die Plädoyers ja bereits schriftlich. Aus dieser Kenntnis heraus ermahnte er David Irving, die Stellen über die internationale jüdische Verschwörung, als deren Opfer er sich wähnt, „wegzulassen". „Machen Sie diesen Gerichtssaal nicht zu einer Plattform dafür." Irving hat einhundertundvier Seiten verfasst, die er in einer gekürzten Version am endgültig letzten Tag dieses Verfahrens in zwei Stunden vortragen möchte. Wer ihn fragt, wie er das Konvolut so dramatisch zu kürzen gedenkt, bekommt zur wegwerfenden Antwort: „Schnell."

Überhaupt ist David Irving auch nach acht Wochen Strapaze ganz der Alte. Er sitzt zu Hause in seiner Wohnung in einem der teuersten Viertel Londons, in einer Seitengasse der Oxford Street, und rechnet sich seine Chancen „fifty-fifty" aus. Natürlich hat er sich wie ein Geier auf jene Punkte seiner Klageschrift gestürzt die die Verteidigung in ihrer Beweisführung links liegen gelassen hatte. In ihrem Buch „Denying the Holocaust" schreibt die von Irving der Verleumdung angeklagte Deborah Lipstadt unter anderem von einer „Antizionistenkonferenz", die im November 1992 in Schweden hätte stattfinden sollen. Neben altbekannten Holocaust-Leugnern, wie Irving, dem Franzosen Faurisson und Fred Leuchter, hätten laut Lipstadt auch Vertreter der Hamas, der Hizbullah und der russischen Pamyat teilnehmen sollen, bevor die Veranstaltung in letzter Minute von der schwedischen Regierung verboten wurde. Irving behauptet seit je, niemals beabsichtigt zu haben dort hinzufahren. Der Absatz in Lipstadts Buch stelle ihn in eine Reihe mit Mördern und Terroristen, was nicht nur Verleumdung, sondern, schlimmer, eine direkte Gefahr für sein Leben darstelle.

Das Wort der nächsten Tage wird „Absatz 5" sein. Absatz 5 des englischen Gesetzes gegen Verleumdung besagt, dass bei mehreren verleumderischen Aussagen nicht alle gleichermaßen bewiesen werden müssen. Wer also jemanden einen Dieb und Mörder nennt und den Mord, aber nicht den Diebstahl beweisen kann, kann vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen werden, weil damit die Reputation eines Klägers bereits hinreichend in Zweifel gezogen ist. Vor diesem Absatz muss Irving zittern: Rampton hat sich bereits darauf berufen, als es um den zitierten Hamas/Hizbullah-Absatz ging. Deshalb kommt Irving in seinem Schlussplädoyer immer wieder darauf zurück. Er bestürmt den Richter, in diesen Details keine Nebensächlichkeiten. sondern Kernstücke der Verleumdung und Rufschädigung zu sehen.

Darüber hinaus stilisiert er sich, eine seiner Lieblingsrollen, zum Vorkämpfer der freien Meinungsäußerung: Gleich auf den ersten Seiten behauptet er, dass die Holocaust-Forschung von seiner Seite nicht behindert, sondern im Gegenteil vorangetrieben worden sei. Einige britische Historiker von Rang haben sich in der Vergangenheit dieser Auffassung angeschlossen: Sir John Keegan hat auch vor Gericht wiederholt, dass die Historiografie Irving einer Reihe von Dokumenten verdankt, die Vorgänge auf der Naziseite beleuchten halfen.

Einen Tag vor seinem letzten großen Auftritt in diesem Gerichtsfall gab sich irving betont gelassen. Hinter ihm an der Wand hängt noch immer das Porträt von Roosevelt, doch eine riesige, aus der Luft aufgenommene Fotografie der Ruinen von Krematorium II in Auschwitz/Birkenau ist als Schmuck des Raumes dazugekommen. So wacklig viele seiner Behauptungen vor Gericht schienen, sosehr er in manchen Bereichen nachzugeben schien -- zu Hause, hinter seinem Schreibtisch, ist er derselbe wie vor acht Wochen.

Entzückt erzählt er von einem Einfall, zu dessen Ausführung ihm leider die Zeit gefehlt habe: Eine Fünfzigpfundnote wollte er auf ein Blatt Papier kopieren und Richard Rampton schenken, und „Reproduktion" hätte er das dann genannt. Dieser irvingsche Scherz bezieht sich auf die Gaskammer in Auschwitz, zu der er am liebsten „Nachkriegs-Fake" sagt, die Rampton jedoch mit gutem Grund „Reproduktion" genannt haben will.

Wer Irving da so sitzen sieht, begreift plötzlich, dass nach diesem oft „sensationell" genannten Gerichtsfall die Welt genauso sein wird wie zuvor. Selbst wenn, was derzeit niemand seriös vorhersagen kann, Irving diesen Prozess verlieren, wenn er wegen der Höhe der Gerichtskosten bankrott gehen sollte, werden ihn seine Geldgeber nicht im Stich lassen. Am Tag vor seinem Schluss-Statement bekam er wieder ein dickes Päckchen Schecks mit der Post nach Hause. Seine Anhänger werden weiterhin treulich an ihn glauben, und junge Rechtsradikale werden sich ihr ideologisches Fundament weiterhin aus seinen Büchern holen, die es kostenlos im Internet zum Herunterladen gibt. Ein paar hochkarätige Holocaust-Experten werden ein paar kluge Gutachten geschrieben haben darüber, wie Irvings Theorien funktionieren und wie man sie widerlegt. Wer sich dafür über die Maßen interessiert, wird in die Bibliotheken gehen und alles nachlesen können. So wird es sein.

Doch zuerst darf London noch fiebrig die Schlussplädoyers erwarten und in ein paar Wochen das Urteil des völlig undurchschaubaren Richters Charles Gray. -- EVA MENASSE

 

Website fact: The Durchhaltevermögen of the defence team is aided by a five million dollar fund provided by the American Jewish Committee, which enables them to pay 21 lawyers and "experts"; the expert like Evans, Longerich, etc. earn £750 (DM2500) per day (while the defence's star legal team is paid considerably more). Nobody is paying for Mr Irving, who has been fighting this Existenzkampf for three whole years. [Help!]

 

SUGGESTION: Fax a reader's letter to this newspaper the Frankfurter Allgemeine Zeitung at (+49) 69 7591 1743 or 


16. März 2000

 

 

 

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