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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurt, Mittwoch, 2. Februar, 2000


 

Wer nicht gegen mich ist, der ist für mich

Kunst der doppelten Buchführung: David Irving führt einen zwiefachen Prozeß, im Gerichtssaal und im Internet

 

IrvingLONDON, 1. Februar In der vergangenen Woche hat David Irving den Ausschwitz-Experten und Architekturprofessor Robert van Pelt im Kreuzverhör gehabt.

Tag für Tag hat van Pelt auf der Basis seines 438 Seiten langen Gutachtens, mit Hilfe von postergroßen Ruinenphotos, Konstruktionsblaupausen, Dias sowie den Aussagen der Überlebenden und jenen der Mörder wieder und wieder bewiesen, das es, ja, Gaskammern in Auschwitz gegeben hat. Das dort, ja, „ohne jeder vernünftigen Zweifel" 900.000 bis eine Millionen Juden „systematisch" umgebracht worden sind.

In der vergangenen Woche ist David Irving trotzdem jeden Abend hocherhobenen Hauptes vom Gericht nach Hause gegangen und hat sein triumphierendes Tagebuch fortgeschrieben. Anschließend hat er es elektronisch um die Welt gesandt an seine Fans und die, die es noch werden sollen: Böse Schläge habe er van Pelt versetzt, ihn zerstört, unglaubwürdig gemacht, dabei den Richter deutlich für sich eingenommen, die Journalisten seien aufgesprungen und zu den Telefonen geeilt, die jüdischen Prozessbeobachter hätten grau ausgesehen, und so weiter und so fort.

Zu Beginn der neuen Woche präsentierte er nun einen seiner eigenen Zeugen. Der Herr heißt Kevin MacDonald und ist Professor der Psychologie an der Universität von Longbeach in Kalifornien, die nicht zu den ersten Universitäten der Vereinigten Staaten gehört. Er ist „Biobehaviorist", auf die „Evolution menschlichen Verhaltens" spezialisiert, insbesondere auf die von klar definierten Gruppen. Unter der Gruppen interessieren ihn die Juden, besonders ihre als Gruppe entwickelten Strategien, ihre Feinde zu bekämpfen. Er machte David Irving als Objekt einer jüdischen Verschwörung aus, was sich schon daran zeige, mit wem Deborah Lipstadt korrespondierte, als sie „Denying the Holocaust" schrieb, das Buch, das der Gegenstand dieser von Irving eingebrachten Verleumdungsklage ist: nämlich mit dem Yad Vashem, mit dem Simon-Wiesenthal-Center, mit der Anti-Defamation-League. Yehuda Bauer habe Frau Lipstadt nach Erhalt einer ersten Fassung brieflich sogar den Rat gegeben, „den Irving-Teil noch etwas aufzufetten".

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So absurd das alles ist, MacDonalds schriftlicher Bericht an das Gericht ist doch ein unangenehmes Papier; in emotionslosem Gelehrtenduktus sind da Details zusammengerührt, die zwar nicht die These von der allumfassenden Verschwörung stützen, aber doch ernsthafte Einwände gegen Lipstadt und manche ihren Mitstreiter vorbringen. MacDonald zitiert Noam Chomsky, dem die über ihn von der Anti-Defamation League zusammengestellte Akte zugespielt wurde: Sie soll einem FBI-Bericht verblüffend geähnelt haben.

Er zitiert aus der Kolumne, die Lipstadt eine Zeitlang für den „Jewish Spectator" schrieb und in der sie sich strikt gegen Mischehen aussprach. Sie lobte einen Rabbi, der Eltern darin bestärkte, ihren Kindern täglich einzuhämmern: „ Ich erwarte von dir, das du einen Juden heiratest". Er bezeichnet Lipstadt, die an der Emory Universität von Atlanta die Abteilung für Jüdische und Holocaust-Studien leitet, daher als „jüdische Aktivistin", ein Wort, das seinen antisemitischen Drall nur bekommt, wenn man weiß, woher es stammt. Menschen wie Lipstadt, so MacDonald, deren „politisches Dogma" es sei, den Holocaust als „einzigartig" zu betrachten, trügen dazu bei, das er aus der Sphäre wissenschaftlicher Forschung in eine der religiösen Unanfechtbarkeit überführt werde.

Don Guttenplan, ein amerikanischer Journalist in London, der in der Februarausgabe von „Atlantik Monthly" den bisher ausführlichsten, materialreichsten und vernünftigsten Text zu diesem merkwürdigen Prozeß geschrieben hat, rief in diesem Zusammenhang weiter Zurückliegendes in Erinnerung. Die ADL hatte nach Erscheinen von Hannah Arendts Bericht „Eichmann in Jerusalem" das Buch als „böse" verdammt und Arendt vorgeworfen, Eichmann zu verteidigen. Raul Hilberg, der in seinem Standardwerk „Die Vernichtung der europäischen Juden" schmerzhaft und deutlich auf die Kooperation von Juden mit den Nazis hingewiesen hatte, wurde 1968 von offizieller Seite von den Yad-Vashem-Archiven ausgeschlossen. Was den Holocaust betrifft gibt es seit je bei vielen, Juden wie Nichtjuden, ein Streben nach dogmatischer Wahrheit, nach einem sakralisierten Umgang, der nicht mehr in Frage gestellt werden darf. Wer es dennoch tut, muß damit rechnen, vom Antisemitismus Vorwurf getroffen zu werden.

Wer dies aber offen sagt, wird wiederum von Irving und seinesgleichen alsbald zu Tode umarmt. Wer sich wie Guttenplan mehr Gedanken über David Irving macht, anstatt bloß die hier eingeklagten Schlagworte vom „Lügner" und „Holocaust-Leugner" nachzubeten, wird von Irving schon beinahe als Gefolgsmann betrachtet. Artikel wie der von Guttenplan scheinen postwendend als Quellenangabe in Gutachten wie demjenigen von MacDonald auf. Jedes halbwegs neutrale Wort in einer Zeitungsartikel über Irving wird auf seiner Web-Seite an besonders prominenter Stelle platziert. Manchmal wünscht man sich erschöpft, die Welt wäre wirklich so schwarz und weiß, wie David Irving sie sieht.

Als MacDonald gegangen ist, ertrinkt der Prozeß aufs Neue in der Dokumentenflut. Irving steht wieder im Kreuzverhör. Jede Frage, jede Antwort brauchen unerträglich lange Zeit, weil erst der Richter und Irving ihre dickleibigen Akten bekommen müssen, sich darüber beugen, suchen, nicht finden, keine Übersetzung haben. Alle Originaldokumente sind ja deutsch. In einem Anfall von Ungeduld bittet der Richter, für die wichtigsten Dokumente Übersetzungen anfertigen zu lassen, es sei sonst alles „mühsam".

Doch selbst wenn es eine Übersetzung gibt, zweifelt Irving sie rituell an, bisher allerdings erst in einem Fall zu Recht: Der britische Historiker Richard Evans, der Hauptsachverständige der Verteidigung, hat offenbar, "Die Juden müssen dran glauben" mit "The Jews have to believe it" übertragen.

Sind all diese Schwierigkeiten erst einmal überwunden, haben alle die richtige Seite gefunden und sich auf eine englische Bedeutung geeinigt, kriegt Rampton doch nur wieder eine der vier Haupt- und Lieblingsantworten von David Irving: „Das ist vierzehn Jahre her -- ich weiß nicht mehr, warum ich das so interpretiert habe." Oder: „Wenn Sie Bücher schreiben würden, wüßten Sie, das man immer etwas weglassen muß, sonst wird das ja alles zu dick." Oder „Damals habe ich nur aufgrund der vorhandenen Quellenlage arbeiten können. das restliche Material war in Moskau. Oder „Ich will meine Leser fesseln und unterhalten, deshalb übersetze ich manchmal etwas freier, nicht so hölzern wie Ihre Experten." Der Prozeß wird fortgesetzt. EVA MENASSE

 


 

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Wednesday, February 2, 2000
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