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trial transcripts | David
Irving's "Radical's Diary" für Jan.: 28
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Berlin, 17. März 2000 [transcript of last day]
Die Verneinung der Verneinung David Irving fühlt sich verleumdet, wenn man ihn einen "Holocaust-Leugner" nennt - in London hat er deshalb eine Historikerin verklagt und so einen bedeutenden Prozess ausgelöst Tom Levine LONDON, 16. März. David Irving trägt einen blauen Nadelstreifenanzug und wirkt verspannt. Steif steht er vor dem Londoner Gericht, fest krampft sich die Rechte zu einer halben Faust, wenn er redet. Das verwundert. Schließlich kann David Irving hier das tun, wonach er sich lange gesehnt hat. Er kann vor einem aufmerksamen Publikum seine Ansichten verbreiten. Er kann ausführlich über sich selbst sprechen und sein Ansehen rühmen, dass er glaubt, unter Historikern zu genießen. Und er darf über Widersprüche oder Unmöglichkeiten referieren, die er in der Holocaust-Forschung aufgedeckt haben will. Vor allem aber kann Irving ungehindert über eine weltweite Verschwörung räsonieren, mit der die "Organisationen des Judentums" ihn "für vogelfrei erklärt, verhaftet, beschimpft und so gut wie vernichtet haben als professionellen Geschichtswissenschaftler". "Vernichtet", das deutsche Wort benutzt der Brite Irving an dieser Stelle, nicht das englische. Vier Stunden lang redet der Kläger Irving im Saal 73 des Royal High Courts in London. Es ist sein Schlussplädoyer. Eine Sammlung von Details und Behauptungen, von halben Zitaten und angedeuteten Querverweisen. Manchmal treibt Lord Charles Gray ihn zur Eile an. Ansonsten gibt der Richter nicht preis, was er von den Tiraden David Irvings hält. Die Verteidiger der Gegner nennen Irving einen "fanatischen Antisemiten, Rassisten und Rechtsextremisten". Manchen gilt der Fall "David Irving gegen Penguin Books und Deborah Lipstadt" als das wichtigste Verfahren zum Holocaust seit dem Eichmann-Prozess. Und das hat mit dem Kläger, also Irving, nur in zweiter Linie zu tun. Er hat seinen Fall gewissermaßen hinter sich. In den siebziger Jahren noch hat man dem Autor für seine Werke über Hitler und den Zweiten Weltkrieg zumindest Fleiß bescheinigt, gerne auch Detailkenntnis. Inzwischen wird er als Forscher längst nicht mehr ernst genommen. Ihm wird vorgeworfen, in seinen Werken den Holocaust, die Ermordung der europäischen Juden, beharrlich zu leugnen. In Deutschland wurde er bereits im Jahr 1993 wegen einiger seiner Äußerungen zu einer Geldstrafe von 30 000 Mark verurteilt. Er darf nicht mehr in die Bundesrepublik einreisen. Von seinen Anhängern aber wird Irving immer noch als "renommierter Historiker" bezeichnet, auch wenn ihm die akademischen Weihen fehlen. Rechtsextreme und Neonazis schätzen, was Irving schrieb und sagte: Dass Hitler die Ermordung der europäischen Juden nicht befohlen habe, sondern "der beste Freund der Juden war, den sie im Dritten Reich je hatten". Und dass der Holocaust im Sinne einer "systematischen" Tötung von Juden eine Erfindung sei - ebenso wie die Gaskammern von Auschwitz. Weil Irving sich einen Historiker nennt und seine Thesen immer wieder öffentlich verbreitet, beschrieb ihn die Historikerin Deborah Lipstadt in ihrem Buch "Denying the Holocaust", das in Großbritannien 1995 im Penguin Verlag erschien, als "einen der gefährlichsten Sprecher der Holocaust-Verneinung". Eine Feststellung, die David Irving für eine Verleumdung hält. Er sah seinen Ruf beschädigt und klagte gegen Deborah Lipstadt. Das Leugnen des Holocaust ist in England nicht strafbar, in dem Prozess geht es darum, ob David Irving nachzuweisen ist, dass er Geschichtsfälschung betreibt. Nach dem englischen Recht liegt die Beweispflicht auf der Seite der Beklagten, also der Historikerin Lipstadt und ihres Verlages. Sie mussten in den vergangenen Verhandlungstagen belegen, dass David Irving "vorsätzlich Geschichte verfälschte, um sie mit seinen ideologischen Vorstellungen und seiner politischen Agenda in Übereinstimmung zu bringen". Das heißt, dass Lipstadt und ihr 21-köpfiges Team aus Rechtsexperten und Rechercheuren vor dem Londoner Gericht die Tatsache des Holocaust haben beweisen müssen. Lipstadts Verteidiger, Richard Rampton, hat den Kläger im Gerichtssaal noch einmal einen "Lügner" genannt, der "Geschichtsfälschung im großen Stil" begangen habe. David Irving hat dann in seiner Rede erklärt, dass er "nicht Willens war, Quellen ihre natürliche Bedeutung zuzuschreiben, wenn sie nicht übereinstimmten mit (seiner) eigenen Sichtweise". Manche der Zuschauer im Saal lachten, als Irving das in seinem Plädoyer vorbrachte.[*] Schließlich war es genau dies, was Lipstadts Anwalt Rampton dem Gericht an zwei exemplarischen Stellen vorgeführt hat: Wie Irving sich aus einer Quelle nur die zu seiner Version der Geschichte passenden Bestandteile herausgreift und den Rest einfach unterdrückt. In dieser Beweisführung der Verteidigung sehen viele Beobachter das Entscheidende des Falls. Denn mit dem Londoner Prozess ist es dazu gekommen, dass die Holocaust-Verneinung vor einem Gericht verneint wird. Das Urteil wird nicht vor Mitte April erwartet.
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17. März 2000
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