Deutsche Presse Agentur Frankfurt, June 18, 1992

DPA Bericht 18 06 1990

GOLEM - POOL: XO61790X0010X635 ***03** SEITE: 8

ZI-NR: 5 DOK&emdash;NR: 44

bas028 6 pl 484 vvvvb dpa 001

Großbritannien/Historiker

* inla ausl gabe hist

Historiker David Irving auf dem Weg in die deutsche Politik

Von dpa-Korrespondent Jobst Knigge =

London (dpa) - Immer weniger Zelt hält es der umstrittene rechtsgerichtete britische Historiker David Irving in jüngster Zeit an seinem Londoner Schreibtisch aus. Seit Anfang des Jahres ist er bereits sieben Mal in beiden Teilen Deutschlands unterwegs gewesen. In über 40 Reden versuchte er dabei unter anderem seine Kernthese unter das Volk zu bringen, daß die planmäßige Massenvernichtung der Juden eine Legende sei.

Es ist ein langer Weg, auf dem der einstmals anerkannte Historiker und Autor von rund zwei Dutzend Büchern über die Nazi-Zeit zum extremen Außenseiter seines Fachs geworden ist. 1977 hatte er erstmals meine Fachkollegen und sein Publikum mit der Feststellung vor den Kopf gestoßen, Adolf Hitler habe nichts von der Massentötung der Juden gewußt. Aber es dauerte weitere zwölf Jahre bis er den gesamten Holocaust in Frage stellte.

Im vergangenen Sommer sagte er, er sei nun davon überzeugt, daß es keine Gaskammern in Auschwitz gegeben habe. Grundlage für diese Erkenntnis sei der sogenannte Leuchter-Report, den Irving seitdem selbst vertreibt. Dieser Bericht wurde von dem amerikanischen Ingenieur Fred Leuchter, der sich selbst als Experten für den Bau von Gaskammern für den amerikanischen Strafvollzug beschreibt, nach einem Besuch in Auschwitz 1988 verfaßt. Leuchter schrieb darin, es habe so gut wie keine Spuren von Zyanid im Mauerwerk der als Gaskammern ausgewiesenen Räumlichkeiten gefunden. Bei mehrjähriger Einwirkung von Zyklon-B hätten die porösen Wände dagegen große Mengen von Zyanid-Resten speichern müssen. Außerdem seien die Räume als Gaskammern ungeeignet gewesen, weil Türen und Fenster nicht hermetisch abgeriegelt werden konnten.

Ds angesehene Münchner Institut für Zeitgeschichte sieht in dem Leuchter-Report dagegen "eine pseudowissenschaftliche, ziemlich plump gemachte NS-apologetische Propaganda-Schrift". Eine Untersuchung des gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Krakau aus dem Jahr 1945 habe bei entsprechenden Analysen noch ganz deutliche Spuren von Zyklon-B ermittelt. Die Gaskammern seien zum Teil durch die SS vor ihrem Abzug gesprengt worden und seien dann jahrelang Regen und Wind ausgesetzt worden, was die Spuren beseitigt habe.

Irving, der 52jährige Sohn eines britischen Marineoffiziers, fühlt sich offenbar in der Rolle eines ideologischen Führers der extremen deutschen Rechten wohl. Über seine politischen Pläne hüllt er sich gegenwärtig noch in Schweigen. „Ich mache im Moment Wühlarbeit," erklärte er in einem dpa-Gespräch. Ihm sei dafür jedes Forum recht. Kann er sich mit irgendeiner der bestehenden politischen Gruppen identifizieren? "Eigentlich nicht. Absichtlich habe ich mich nicht mit den Republikanern eingelassen," sagte er. Er habe den Zerfall der Partei vorausgesehen.

Anstatt in die Vergangenheit blickt Irving, der zu den vielgelesenen Historikern in Deutschland gehört, zunehmen in die Zukunft. Deutschland ist für ihn die kommende Weltmacht. In wenigen

Jahren sieht er die Nation "auf ganz friedliche und harmlose Weise" wieder in den Grenzen von 1937. Darüber hinaus werde der ganze Ostraum von der deutschen Wirtschaftkraft abhängig werden. Deutschland werde mit der Stärke seiner Mark das erreichen "was Hitler im Juni 1941 militärische versucht hat."

Irving erkennt an, daß er sich vom Establishment der Historiker total isoliert hat und zunehmend auch mit den Verlegern in Konflikt geriet. Seine Bücher, so sagt er, würden inzwischen in vielen deutschen Buchläden boykottiert. Deshalb benutze er den Direktverkauf bei seinen Vorträgen. In Zukunft wolle er auch verstärkt mit Videos arbeiten, um seine Thesen zu verbreiten.

Achtung: Zu diesem Bericht bietet dpa ein Bild an.

dpa wn ga lt

170600 jun 90

ENDE ZI