Oberstleutnant
a.D. Karl-Heinz Keitel: Gespräche
mit meinem Vater beim internationalen
Gerichtshof in Nürnberg." 14.9.46, 13.30 Uhr:- Sprechzimmer.=
offene Zellen nebeneinander 6-8,
entsprechende Zellen gegenüber. Man
spricht durch eine Fensterscheibe von ca.
40x60cm. Die übrige Trennwand besteht
aus einem Drahtgitter. Neben jedem
Sprechenden
sitzt ein MPPosten mit weißem
Stahlhelm.... Päps
[Feldmareschall Wilhelm
Keitel] spricht von sich als
Todeskandidaten, ist sich über sein
Schicksal völlig klar. Hat viele
Befehle -- auch von Göring -- i.A.
also im Auftrag von Hitler unterschreiben
müssen. Die größten
Schwierigkeiten werden ihn vom russischen
Ankläger gemacht. Die Vorwürfe
gegen ihn sind größer als gegen
Göring und Sauckel wegen
Arbeiterverschleppung und dem bekannten
Mord-Befehl an den Kommissaren. Der Name
von Päps ist der meistgenannte im
Prozess. Sprach kurz über seinen
Verteidiger [Dr Otto
Nelte], der ein hochgebildeter
Mann und absolut für geschichtliche
Wahrheit sei. Mammi sei er zu weich, zu
intellektuell und kein kämpferischer
Verteidiger. Mein Eindruck: blaß,
sehr mager, besonders im Gesicht. Sehr
ernst betr, der deutschen Zukunft. Glaubt,
daß der Krieg bzw. die
Auseinandersetzung zwischen Ost und West
nicht beendet ist. Uber Nelte ist er
über die Vorgänge draußen
gut unterrichtet im Gegensatz zu mir.
Seelisch sehr weich (seine Art). Neigte
zweimal zu Tränen. Höflich zu
den Amerikanern, sprach etwas
englisch.
15.9.46 9.30 -- 10.00 Uhr: wir sprachen
über Frau v.Blomberg und meine
Kenntnisse über den früheren
Führeradjutanten [Fritz]
Wiedemann. Gisevius zog den Fall vor Gericht.
Päps protestierte durch Nelte gegen
dieses Thema, da nichts mit dem Prozess zu
tun. Gisevius, Charakter, war durch
Canaris, der von Kriegsanfang an ein
doppeltes Spiel trieb, in der Schweiz mit
Agenten-Aufträgen für England
und Amerika beauftragt werden. Auf die Frage von Nelte, wieviel er vom
Ausländer für seine
Tätigkeitbekommen habe, verweigerte
er die Auskunft. Die Anwälte seien
fast ausschließlich wie die
Berserker gegen Gisevius aufgetreten. Fall Schreiber sei lächerlich
verpufft. Päps beantragte, sofort
vernommen zu werden. Der unbekannte Oberst
sei mein Schwager Bürkner gewesen,
der eine eidesstattliche Erklärung
abgab. Päps habe ihn damals
angeschissen: solche Versuche seien
verboten. Fall General Misny sei ein unangenehmer
Fall. Jüttner soll angeblich auf
Befehl von Päps gehandelt haben.
Angeblich wußten die Ämerikaner
den Aufenthalt von Jüttner nicht, als
er als Zeuge geladen werden sollte. Nelte
wollte sofort zu Jüttner fahren, erst
dann gaben die Amerikaner zu, daß
Jüttner schon vernommen sei. Er habe
in dieser Sache nie einen Befehl von
Päps bekommen. Päps trennt
Nationalsozialismus und Idee von den
Tatsachen und der schlechten Menschheit,
die diese Idee durchsetzten wollte. Der
Schritt vom Genie über den Hasardeur
zum Wahnsinnigen sei ein sehr kleiner!
Schlechtes und Korruptes in der Partei!
Schlechtigkeit der übrigen Welt!
Dönitz-Wort: Das
Führerprinzip" habe er gesagt,
erkennt er nicht an, sondern der Mensch --
Hitler -- habe versagt. Für
Deutschland und seine Menschen passe keine
Demokratie amerikanischer
Prägung. Nelte sei zwar gut, aber ob er in
seiner rückhaltlosen -- oft
überflüssigen Offenheit und
seinem Streben nach Wahrheit von der
Umwelt verstanden wurde -- möchte er
beinahe bezweifeln. Kam als erster mit Seyss-Inquart im
Lager an, nacheinander die anderen, diese
seien zum Teil auf die unwürdigste
Weise gefangen genommen worden. Nackend
ausziehen, Frauen auf der einen Seite,
Männer auf der anderen Seite,
allerdings unter Umdrehung der anderen
Seite. Dorle sei mit dem letzten Sonderzug
[aus Berlin] (etwa 18.4.) Richtung
Berchtesgaden gefahren und Mammi am 20.4.
nach Prag herausgeflogen worden.
16.9.46. 13.30-14.00 Uhr:
Führerbefehl sei es ab 1943 (?)
gewesen, daß alle Volksdeutschen aus
Heer, Marine und Luftwaffe in die
Waffen--SS zu überführen
seien. Der Prozess wäre fair
geführt, soweit die Angeklagten nicht
durch die Nürnberger
Verhältnisse physisch kaputt seien.
Allerdings herrsche der Wille, schuldig zu
sprechen und sie zu überführen.
In dieser Hinsicht bedeutungsvoll das
Zurückhalten von Dokumenten für
die Entlastung aus den 12 Jahren beim
Kreuzverhör. Umklappen von
Angeklagten, wie Schirach (religiös)
zu erklären aus Zusammenbruch
physischer Art durch erdrückendes
Material, welches auch Schirach unbekannt
war. Auch spielte vielleicht sein Krach
mit Hitler eine Rolle (1943), zu dem er
[seit Juni 1943] nicht mehr
zugelassen war. Speer habe tadellos bis zum
Schluß seinen Mann gestanden. Er
wäre jetzt natürlich völlig
kaputt. Päps selbst sei in den
letzten Prozesswochen völlig
nervös gewesen, weil jeden Tag neue
Dokumente aufgetaucht und gefunden worden
seien, positive und negative, echte und
unechte, absichtlich zu spät
vorgetragene Dokumente, um ihn in
Widersprüche zu verwickeln.
Presse--Nachrichten über den Prozess
seien entstellend, da propagandistisch
ausgewertet. Päps' Standpunkt:
Nicht mein Kopf, sondern mein
Gesicht verteidige ich." Unbedingte
Wahrheit, geschichtliche Treue, volles
Tragen der Verantwortung für alle
seine Untergebenen, aber nichts auf sich
nehmen, wo dadurch ein nicht
wahrheitsgetreues Bild entstehen
könnte. Päps verurteilt nicht
die Idee, sondern die Methoden, besonders
die nicht erkennbaren Methoden. (Im
Prozess offenbarte Verstöße
gegen die Menschlickkeit.) Wäre heute
lieber tot, als denselben Weg noch einmal
zu gehen, d.h. wenn er die Methoden
gekannt hätte. Die Anklage sei von den Engländern
sehr scharf und in nicht zu
überbietender Schärfe von den
Russen vorgetrieben worden. Die Amerikaner
hätten sich auf Weniges
beschränkt. Die Franzosen hätten
die Engländer für sich
mitsprechen lassen. Pflichterfüllung
habe er nicht nur sein ganzes soldatisches
Leben von seinen Untergebenen, sondern in
erster Linie von sich selbst verlangt,
gepaart mit Verantwortungsfreude. Er
stünde auch heute zu allem, was er
getan habe. In seinem Schlußwort
habe er Armee, Offizierkorps und
Generalstab nicht erwähnt, weil das
Sache von Göring, Raeder, Dönitz
und vielleicht von Brauchitsch nach
Feststellung von Nelte gewesen wäre.
Er habe die Erwähnung vorgehabt, aber
er hätte nur sprechen dürfen als
Chef des OKW, nicht als Oberbefehlshaber.
Sonst wäre die ganze Verteidigung
umgestoßen worden. Päps besteht
dicht, daß Hitler Dinge befohlen
hat, von denen fast alle Angeklagten
nichts gewußt haben. Ausspielen der
einen gegen die Anderen sei sein
[Hitlers] Prinzip gewesen. Das
Leben im Führerhauptquartier sei im
Sinne des Wortes ein Leben hinter
Stacheldraht wie in Nürnberg gewesen
nur damals als Chef des Stabes.
17.Sept. 46, 13.50 - 14.00 Uhr:
Päps sagte im Zeugenstand, daß
sich die Armee vorbildlich geschlagen
habe. Verstöße gegen das
Kriegsrecht seien zwar vorgekommen, aber
geahndet worden. Die Soldaten hätten
gehandelt im Vertrauen auf die
Führung.
19.9.46, 13.00 -- 13.5o Uhr: Nelte sei
es gelungen, trotzdem er weniger
Berufsjurist als Syndikus sei, sich
eigentlich als Fremder sehr schnell in das
Nürnberger Milieu einzuleben und
durchzusetzen. Der engl. Hauptrichter
[Mr Justice Lawrence] habe ihm
ausdrücklich seine Anerkennung sagen
lassen, an seiner Verteidigung könne
man aber auch nichts auszusetzen. Nelte
arbeite mit einer hervorragenden
Psychologie. Mit der Verteidigung
hätte Nelte es sich auch einfacher
machen können. Himmler könne
beim Röhm-Putsch seine Finger nicht
im Spiel gehabt haben. Päps habe
damals als Infantrieführer in Potsdam
(Divisionskommandeur) mit seinem
Generalstabsoffizier Major von Rintelen
den Putsch rechtzeitig herausbekommen und
sie Blomberg gemeldet, der es aber nicht
habe glauben wollen. Es sei ein Putsch
Röhms gegen das Heer gewesen. Er
wollte seine SA zur Miliz machen, das
Söldner-Heer abschaffen und selbst
Kriegsminister werden. Seine
SA-Führer sollten das zukünftige
Offizierkorps bilden. Nelte hat eine Bezahlung durch
Päps für seine Tätigkeit
abgelehnt. Er betrachte diese Verteidigung
als seine nationale Pflicht!?! Päps:
es ist tragisch sagen zu müssen: im
l. Weltkrieg teilte ich als
l.Generalstabsoffizier mit meinem
Kommandeur die Verantwortung in taktischer
Hinsicht über eine Division. Im 2.
Weltkrieg hatte ich als Feldmarschall und
als Chef des OKW lediglich die
Befehlsbefügnisse über meinen
Fahrer und Burschen.
21.9.46. 13.30 -- 14.00 Uhr.: Nelte hat
nach Lesen der Anklageschrift
vorgeschlagen, nur lautere Wahrheit zu
antworten. Päps lOO%ig dafür,
Dokumente kann man nicht leugnen. Der
amerikanische Anklagevertreter habe ihm im
Zeugenstand nur 2 Fragen vorgelegt. Waren
diese Befehle betr. Rußland von
Ihnen unterschrieben? -- Ja! Waren Sie
sich bewußt, daß Sie gegen das
Völkerrecht verstoßen? -- Ja!
Der amerikan. Oberstaatsanwalt, der
Päps vernahm, sei sehr fair gewesen.
Er habe ihm geholfen, habe sich um Mammi
vorbildlich gekümmert (Paß, um
aus Berchtesgaden herauszukommen).
Päps sagte, Hitler war sich über
die Völkorrechts-Widrigkeit der
Rußlandbefahle völlig klar
gewesen. Er habe aber auf dem Standpunkt
gestanden: Siegen wir, haben wir sowieso
Recht. Dieser Lebenskampf ist nur mit
außerordentlichen Mitteln zu
gewinnen und der Russe wird uns durch
seine Methoden einfach zu solchen
Maßnahmen zwingen. Einen schlechten
Eindruck habe Schacht gemacht, der sich
als der klügste Angeklagte vorkomme.
Je nachdem, wie es paßte, habe er
die Dinge mit seinem politischen
Verständnis kommen sehen. Mal war er
völlig unpolitisch gewesen, mal nur
Wirtschaftler. Eigentlich habe er sein
Gesicht verloren. Der Prozess um den 20. Juli 44 habe
ergeben, daß Rommel zu Goerdeler
gesagt habe: Auf mich könnt Ihr
Euch verlassen!" Aufgrund dieser Belastung
habe Päps ihm einen Brief geschrieben
im Auftrage von Hitler. Entweder sei
alles in Ordnung, dann solle er sich beim
Führer melden, oder er habe als
Offizier die Konsequenzen zu ziehen." Man
habe ihn später vor dem Volk nicht
fallenlassen können, deswegen
Staatsbegräbnis usw. Feldmarschall von Kluge ließ sich
schon 1943 zu Besprechungen von Goerdeler
nach Berlin einladen und wurde von seinem
Neffen schwer belastet. Ob Kluge
bewußt über Gisevius usw.
Sabotage getrieben hat, weiß man
nicht. Jedenfalls sei Hitler der Ansicht
gewesen, Kluge sei zu klug, um solche
Fehler zu begehen. Besonders übel hat
Hitler genommen, daß Kluge in den
kritischen Tagen nach dem 20.7.44 24
Stunden nicht erreichbar war, angeblich um
eine Panzerarmee auf dem linken
Flügel zu besuchen. Hitler nahm an,
daß Kluge sich in einen Graben
gesetzt hätte, um sich gefangennehmen
zu lassen. Kluge wurde dann abberufen. Er
schrieb dann an Hitler einen Brief, er
möge den Krieg beenden und wenn
dieser Brief ankäme, lebe er nicht
mehr. Fromm tat am 20. Juli nachmittags von
16.00 -- 23.50 Uhr nichts. Erst als der
Führer gesprochen hatte über den
Rundfunk, handelte er, gab Beck einen
Fangschuß, ließ Olbricht, v.
Stauffenberg und 2 andere
erschießen, erschien dann bei
Goebbels und sagte, es sei alles
bereinigt. Später wurde Fromm
erschossen, weil er aktiv am 20. Juli
beteiligt war. Päps glaubt, daß
Sabotage im Osten überhaupt nicht
stattgefunden habe, dagegen im Westen
über Gisevius bestimmt. Den
Amerikanern sei deswegen auch die Invasion
geglückt. Der Zusammenbruch im Westen
sei aber sonst unvermeidlich gewesen. Die
Truppe habe vorbildlich ihre Pflicht
getan.
23.9.46, 13.00-15.30 Uhr: Himmler ist
dumm, wenn auch Idealist. Verfiel zum
Schluß hin in Ungnade, erschien auch
nicht mehr im Bunker der Reichskanzlei,
weil er Angst hatte, nicht mehr
herauszukommen. Hatte nach Schweden
Friedensfühler über Graf
Bernadotte ausgestreckt. Nach Aussage
Kaltenbrunners auch über die Schweiz.
Mit der Röhm-Affäre hatte er
insofern zu tun, daß er sich auf die
richtige Seite stellte gegen Röhm,
der Kriegsminister werden Wollte und den
Gedanken der Miliz vertrat. (Damals stand
in Genf die Frage zur Diskussion:
Söldner-Heer oder Miliz). Er wollte
seine SA in die richtige Rolle bringen und
die Generalität (Blomberg) auffliegen
lassen. Die Generalität (Blomberg)
standen auf der schwarzen Liste.
Schleicher und Bredow standen auf Seiten
von Röhm. Himmler kam zum Schluß vor
Flensburg zu Päps zu einer
einstündigen Aussprache und fragte
Päps offen, ob er sich ihm zur
Verfügung stelle, denn er (Himmler)
müsse ja den Laden übernehmen.
(In diesem Zusammenhang ist interessant,
daß ich im Jahr 1951 den
Hofastrologen von Himmler, Herrn Wolff (?)
in Hamburg kennenlernte, der mir
erzählte, daß er später
ins KZ gesteckt (schon 43/44 ?) worden
wäre und von Himmler im KZ beauftragt
worden sei, über alle führenden
Männer der Ära ein Horoskop zu
stellen, ob sie für einen Umsturz --
von seiner Seite aus -- gegen Hitler
geführt, für eine Mitarbeit
geeignet wären.) Als Himmler dann den Inhalt des
Hitler'schen Testamentes erfuhr, schmiss
er sich sehr an Dönitz heran.
Später in Flensburg fragte
Dönitz Päps: Was halten
Sie von Himmlers Hiersein?" Päps
sagte, der muß weg. Und Päps
übernahm es, Himmler das zu sagen. Er
sagte ihm, er solle sich Zivil anziehen
und gehen. Himmler übergab noch einen
Brief für Eisenhower an Päps, in
dem er sich für eine
Friedensverwendung zur Verfügung
stellte. Päps zerriß diesen
Brief vor einer Weitergabe. Päps
stimmte zu, daß Himmler zweifellos
mit seinen Leuten in den besetzten
Gebieten gewütet habe. Er habe seine
Leute mit Ausweisen der Waffen-SS
versehen, damit sie nicht eingezogen
würden. Das sei auch der Grund, warum
die Waffen-SS unter Umständen
für verbrecherisch erklärt
werden könnte. Das Verhalten von Frank und Speer sei
kümmerlich gewesen. Frank ist
völlig haltlos, er hat seine Aussagen
später im Schlußwort
widerrufen. Speer hoffte sich scheinbar
freikaufen zu können. Hatte anfangs
klar seinen Mann gestanden, aber dann
scheinbar mit den Engländern machen
wollen, wurde auch aus M. [Mondorf?
d.h. Alliierter Gefangenen-Sonderlager
ASHCAN] allein abtransportiert.
Verabschiedete sich damals so, als ob auch
für ihn das Verfahren erledigt sei,
wurde aber dann doch nach Nürnberg
geholt und hat sich jetzt tapfer gehalten,
da das andere doch nicht zum Erfolg
geführt hat.
24.9.46, l3.00-15.30 Uhr: Himmler sei
nicht der gewesen, für den ihn seine
SS gehalten habe. Z.B. habe seine Reden
fast grundsätzlich Jost
verfaßt. -- Päps und Jodl waren
absolute Gegner des wirtschaftlichen
Generalstabes, weil es nicht anginge,
daß (z.Teil junge)Offiziere im
Generalstab die Wirtschaft führen,
dieses Ressort müsse der Wirtschaft
verbleiben. Auch die Wirtschaft bringe nur
sehr wenig Persönlichkeiten hervor,
die in der Lage seien, einen Konzern zu
führen. Etwas anderes ist das
Rüstungsministerium, das im Kriege
nur ein Sektor der Wirtschaft ist. General
[Georg] Thomas habe aber den
totalen Wirtschaftsapparat in seine
Hände haben wollen, deswegen auch
sein Kampf für die
Selbstständigkeit des GBW.
(Seinerzeit Funk) und Nichtunterstellung
unter Göring (Vierjahresplan).
Päps ist für eine absolute
Privatwirtschaft unter bewußter
staatlicher Lenkung. Hitler habe die
Ansicht vertreten: Wir brauchen
Großbesitz, Mittelbesitz und
Kleinbesitz -- auch zur Erhaltung der
Privatinitiative." Hitlers Idee für
Krupp: Familienstiftung vom Staat
zum Lehen!" Er habe den Lehensgedanken
für sehr wertvoll gehalten.
25.9.46, 13.00-13.30 Uhr: Sprach
über die Probleme der Gegenwart. Es
gäbe nur ein Problem, Ost/West.
Glaubt an Verewigung des momentanen
Zustandes, bezw. des politischen Bildes.
Rußland und der Westen würden
keinen Meter zurückweichen.
Churchills Rede in der Schweiz sehr
deutlich, aber nicht an der Regierung,
währenddessen plündert England
Rhein- und R Uhrgebiet restlos aus.
Churchill propagiert Zusammenschluß
des Westens mit Frankreich, seiner Ansicht
nach die einzigstmögliche
Lösung. Sprach noch einmal über seine
Verteidigung. Leugnen sei sinnlos gewesen,
da Dokumente vorgelegen hätten, die
mit deutscher Gründlichkeit alle den
Krieg überstanden hätten. Seine
Randbemerkungen auf Dokumenten seien oft
Temperamentausbrüche gewesen. Er
erläuterte sein heutiges Decken von
Führerbefehlen gegenüber
Untergebenen und allen Stellen
außerhalb des OKW nach
außerhalb mit rücksichtsloser
Schärfe, obwohl er oft gegenteiliger
Auffassung wesen wäre: Prinzip jeder
militärischen Erziehung, sonst
Chaos!!' Sprach über die Größefähigkeiten von
Hitler, er habe vieles richtig und auch
realistisch gesehen. Bei den Erlassen kurz
vor dem Rußlandfeldzug habe er immer
wieder gesagt, jawohl ich
weiß, das ist Unrecht, aber entweder
wir gewinnen, oder es ist auch so alles
für das deutsche Volk verloren!' Mit
den laufend steigenden Rüstungen
aller Länder voll vertraut,
müßte man nach Ansicht von
Hitler, da wir ein Wettrüsten niemals
durchhalten konnten, zum
Präventivkrieg schreiten. Bei den
seit 1942 einsetzenden
Rückschlägen hat er dieses von
allen führenden Männern am
besten ertragen. Mir sind
Rückschläge 1000 km
ostwärts des Bug lieber als im
Warthebogen." Er hat alle Bedenken, die
ihm pausenlos vorgetragen wurden, weit von
sich geschoben. Einer muß
wollen und darf sich durch nichts beirren
lassen. Man muß glauben, sonst kann
man gleich Schluß machen." Er hielt
sich allein für fähig, diesen
für den Sieg unbedingt erforderlichen
Glauben aufzubringen. Deswegen wollte er
alles selbst machen. Deswegen hörte
er nicht auf die logischsten Folgerungen,
aus dieser Überzeugung hat er
ausschließlich zum Terror gegriffen
und ist wohl zum Schluß entartet und
maßlos und wohl wahnsinnig geworden,
wie er das Unmögliche der Aufgabe
erkannte, die er sich gestellt hatte.
26.9.46: Päps hat seinerzeit
Hitler davon abgeraten,
Feldmarschällen eine Dotation zu
geben. Hitlers Antwort: Friedrich der
Große hat seinen Marschällen
ein Jahresgehalt von 75.000 Talern
gegeben. Er gäbe seinen
Feldmarschällen einmalig eine
Dotation, die nur den halben Wert des
Jahresgehaltes der früheren
Marschälle habe.
27.9.46, 13.00-13.30 Uhr: Sprach
über die politische Lage. Die
Vergangenheit habe bewiesen, daß es
auf dem Wege einer Revolution nicht gehe.
Es bliebe nur der Weg der Evolution. Auf
keinen Fall dürfe man sich heute
schon für Ost oder West festlegen,
sondern abwarten. Er sei zwar nie
Politiker gewesen, aber klar sei,
daß eine Widerstandsbewegung eine
Wahnsinnstat seien würde. Allerdings
glaube er nicht, daß sich eine der
beiden Mächte (Amerika, bezw.
Rußland) aus Mitteleuropa
zurückziehen würden.
28.9.46, 13.00 -- 13,3o Uhr: Die
politische Lage bewege ihn sehr. Man habe
ihn aufgefordert, eine Beurteilung der
heutigen strategischen Lage Deutschlands
zu verfassen. Er habe dieses abgelehnt und
diese Arbeit an Jodl weitergegeben, der
als Chef des Wehrmachtführungsstabes
zuständiger sei. Jodl habe auch schon
die Bestätigung, daß seine
Arbeit in Washington angekommen sei. In
Amerika arbeiteten deutsche Stäbe mit
Hochdruck (z.B. General von Throta aus dem
Ministerium Speer). Jodl sei der festen
Uberzeugung, daß die Kurlandarmee
von den Russen konserviert würde und
weiterbestehe. Es könne passieren,
daß auf beiden Seiten Deutsche zum
Kämpfen gezwungen würden, wenn
es zu einer kriegerischen
Auseinandersetzung kommen sollte, was Gott
verhindern möge. Scharf müsse
ich die Lage beobachten. Es stehe
zumindestens fest, daß Amerika heute
noch keine klare Linie habe und nicht
wisse, was es wolle. Dieses sei eben der
Nachteil der dortigen Demokratie. Die deutsche Politik ab 1933 sei
richtig gewesen, wenn nicht diese Methoden
gekommen wären; man müsse diese
Maßnahmen aber aus der immer
schlechter werdenden Lage verstehen, und
Hitler wäre zum Schluß in
seiner Auffassung noch bestärkt
worden, als die Beschlüsse der
Konferenz von Jalta bekannt wurden. Er
glaube auch, daß Hitler in seiner
weltanschaulichen Beurteilung die Lage
richtig gesehen habe. Wenn die furchtbaren
Methoden mit ihrem unsäglichen Leid
langsam mit der Zeit verblaßt waren,
wird Hitlers Sicht geschichtlich als
genial gesehen werden. Alle großen
Revolutionen seien geschichtlich gesehen
steckengeblieben, die englische unter
Cromwell, die französische 1789 und
so auch die deutsche und doch sind diese
Revolutionen später die tragenden
Säulen ihres Jahrhunderts geworden.
Auch die Revolution Hitlers mußte
letzten Endes diesen Weg gehen, um sich
selbst zu reinigen von den menschlichen
Schwächen und den furchtbaren
Methoden. Die Zeit zur Evolution habe
Hitler gefehlt. Für Deutschland
gäbe es nur 2 Lösungen: Europa
oder Eurasien.
Free
download of the 2010 edition of David
Irving's English translation of The
Memoirs of Field Marshal Wilhelm
Keitel
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