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Updated Friday, April 9, 2010

Oberstleutnant a.D. Karl-Heinz Keitel:

„Gespräche mit meinem Vater beim internationalen Gerichtshof in Nürnberg."

 

14.9.46, 13.30 Uhr:- Sprechzimmer.= offene Zellen nebeneinander 6-8, entsprechende Zellen gegenüber. Man spricht durch eine Fensterscheibe von ca. 40x60cm. Die übrige Trennwand besteht aus einem Drahtgitter. Neben jedem Sprechenden sitzt ein MPPosten mit weißem Stahlhelm.... Päps [Feldmareschall Wilhelm Keitel] spricht von sich als Todeskandidaten, ist sich über sein Schicksal völlig klar. Hat viele Befehle -- auch von Göring -- i.A. also im Auftrag von Hitler unterschreiben müssen. Die größten Schwierigkeiten werden ihn vom russischen Ankläger gemacht. Die Vorwürfe gegen ihn sind größer als gegen Göring und Sauckel wegen Arbeiterverschleppung und dem bekannten Mord-Befehl an den Kommissaren. Der Name von Päps ist der meistgenannte im Prozess.

Sprach kurz über seinen Verteidiger [Dr Otto Nelte], der ein hochgebildeter Mann und absolut für geschichtliche Wahrheit sei. Mammi sei er zu weich, zu intellektuell und kein kämpferischer Verteidiger. Mein Eindruck: blaß, sehr mager, besonders im Gesicht. Sehr ernst betr, der deutschen Zukunft. Glaubt, daß der Krieg bzw. die Auseinandersetzung zwischen Ost und West nicht beendet ist. Uber Nelte ist er über die Vorgänge draußen gut unterrichtet im Gegensatz zu mir. Seelisch sehr weich (seine Art). Neigte zweimal zu Tränen. Höflich zu den Amerikanern, sprach etwas englisch.

 


15.9.46 9.30 -- 10.00 Uhr: wir sprachen über Frau v.Blomberg und meine Kenntnisse über den früheren Führeradjutanten [Fritz] Wiedemann.

Gisevius zog den Fall vor Gericht. Päps protestierte durch Nelte gegen dieses Thema, da nichts mit dem Prozess zu tun. Gisevius, Charakter, war durch Canaris, der von Kriegsanfang an ein doppeltes Spiel trieb, in der Schweiz mit Agenten-Aufträgen für England und Amerika beauftragt werden.

Auf die Frage von Nelte, wieviel er vom Ausländer für seine Tätigkeitbekommen habe, verweigerte er die Auskunft. Die Anwälte seien fast ausschließlich wie die Berserker gegen Gisevius aufgetreten.

Fall Schreiber sei lächerlich verpufft. Päps beantragte, sofort vernommen zu werden. Der unbekannte Oberst sei mein Schwager Bürkner gewesen, der eine eidesstattliche Erklärung abgab. Päps habe ihn damals angeschissen: solche Versuche seien verboten.

Fall General Misny sei ein unangenehmer Fall. Jüttner soll angeblich auf Befehl von Päps gehandelt haben. Angeblich wußten die Ämerikaner den Aufenthalt von Jüttner nicht, als er als Zeuge geladen werden sollte. Nelte wollte sofort zu Jüttner fahren, erst dann gaben die Amerikaner zu, daß Jüttner schon vernommen sei. Er habe in dieser Sache nie einen Befehl von Päps bekommen. Päps trennt Nationalsozialismus und Idee von den Tatsachen und der schlechten Menschheit, die diese Idee durchsetzten wollte. Der Schritt vom Genie über den Hasardeur zum Wahnsinnigen sei ein sehr kleiner! Schlechtes und Korruptes in der Partei! Schlechtigkeit der übrigen Welt! Dönitz-Wort: „Das Führerprinzip" habe er gesagt, erkennt er nicht an, sondern der Mensch -- Hitler -- habe versagt. Für Deutschland und seine Menschen passe keine Demokratie amerikanischer Prägung.

Nelte sei zwar gut, aber ob er in seiner rückhaltlosen -- oft überflüssigen Offenheit und seinem Streben nach Wahrheit von der Umwelt verstanden wurde -- möchte er beinahe bezweifeln.

Kam als erster mit Seyss-Inquart im Lager an, nacheinander die anderen, diese seien zum Teil auf die unwürdigste Weise gefangen genommen worden. Nackend ausziehen, Frauen auf der einen Seite, Männer auf der anderen Seite, allerdings unter Umdrehung der anderen Seite. Dorle sei mit dem letzten Sonderzug [aus Berlin] (etwa 18.4.) Richtung Berchtesgaden gefahren und Mammi am 20.4. nach Prag herausgeflogen worden.

 


16.9.46. 13.30-14.00 Uhr: Führerbefehl sei es ab 1943 (?) gewesen, daß alle Volksdeutschen aus Heer, Marine und Luftwaffe in die Waffen--SS zu überführen seien.

Der Prozess wäre fair geführt, soweit die Angeklagten nicht durch die Nürnberger Verhältnisse physisch kaputt seien. Allerdings herrsche der Wille, schuldig zu sprechen und sie zu überführen. In dieser Hinsicht bedeutungsvoll das Zurückhalten von Dokumenten für die Entlastung aus den 12 Jahren beim Kreuzverhör. Umklappen von Angeklagten, wie Schirach (religiös) zu erklären aus Zusammenbruch physischer Art durch erdrückendes Material, welches auch Schirach unbekannt war. Auch spielte vielleicht sein Krach mit Hitler eine Rolle (1943), zu dem er [seit Juni 1943] nicht mehr zugelassen war.

Speer habe tadellos bis zum Schluß seinen Mann gestanden. Er wäre jetzt natürlich völlig kaputt. Päps selbst sei in den letzten Prozesswochen völlig nervös gewesen, weil jeden Tag neue Dokumente aufgetaucht und gefunden worden seien, positive und negative, echte und unechte, absichtlich zu spät vorgetragene Dokumente, um ihn in Widersprüche zu verwickeln. Presse--Nachrichten über den Prozess seien entstellend, da propagandistisch ausgewertet. Päps' Standpunkt: „Nicht mein Kopf, sondern mein Gesicht verteidige ich." Unbedingte Wahrheit, geschichtliche Treue, volles Tragen der Verantwortung für alle seine Untergebenen, aber nichts auf sich nehmen, wo dadurch ein nicht wahrheitsgetreues Bild entstehen könnte. Päps verurteilt nicht die Idee, sondern die Methoden, besonders die nicht erkennbaren Methoden. (Im Prozess offenbarte Verstöße gegen die Menschlickkeit.) Wäre heute lieber tot, als denselben Weg noch einmal zu gehen, d.h. wenn er die Methoden gekannt hätte.

Die Anklage sei von den Engländern sehr scharf und in nicht zu überbietender Schärfe von den Russen vorgetrieben worden. Die Amerikaner hätten sich auf Weniges beschränkt. Die Franzosen hätten die Engländer für sich mitsprechen lassen. Pflichterfüllung habe er nicht nur sein ganzes soldatisches Leben von seinen Untergebenen, sondern in erster Linie von sich selbst verlangt, gepaart mit Verantwortungsfreude. Er stünde auch heute zu allem, was er getan habe. In seinem Schlußwort habe er Armee, Offizierkorps und Generalstab nicht erwähnt, weil das Sache von Göring, Raeder, Dönitz und vielleicht von Brauchitsch nach Feststellung von Nelte gewesen wäre. Er habe die Erwähnung vorgehabt, aber er hätte nur sprechen dürfen als Chef des OKW, nicht als Oberbefehlshaber. Sonst wäre die ganze Verteidigung umgestoßen worden. Päps besteht dicht, daß Hitler Dinge befohlen hat, von denen fast alle Angeklagten nichts gewußt haben. Ausspielen der einen gegen die Anderen sei sein [Hitlers] Prinzip gewesen. Das Leben im Führerhauptquartier sei im Sinne des Wortes ein Leben hinter Stacheldraht wie in Nürnberg gewesen nur damals als Chef des Stabes.

 


17.Sept. 46, 13.50 - 14.00 Uhr: Päps sagte im Zeugenstand, daß sich die Armee vorbildlich geschlagen habe. Verstöße gegen das Kriegsrecht seien zwar vorgekommen, aber geahndet worden. Die Soldaten hätten gehandelt im Vertrauen auf die Führung.

 


19.9.46, 13.00 -- 13.5o Uhr: Nelte sei es gelungen, trotzdem er weniger Berufsjurist als Syndikus sei, sich eigentlich als Fremder sehr schnell in das Nürnberger Milieu einzuleben und durchzusetzen. Der engl. Hauptrichter [Mr Justice Lawrence] habe ihm ausdrücklich seine Anerkennung sagen lassen, an seiner Verteidigung könne man aber auch nichts auszusetzen. Nelte arbeite mit einer hervorragenden Psychologie. Mit der Verteidigung hätte Nelte es sich auch einfacher machen können. Himmler könne beim Röhm-Putsch seine Finger nicht im Spiel gehabt haben. Päps habe damals als Infantrieführer in Potsdam (Divisionskommandeur) mit seinem Generalstabsoffizier Major von Rintelen den Putsch rechtzeitig herausbekommen und sie Blomberg gemeldet, der es aber nicht habe glauben wollen. Es sei ein Putsch Röhms gegen das Heer gewesen. Er wollte seine SA zur Miliz machen, das Söldner-Heer abschaffen und selbst Kriegsminister werden. Seine SA-Führer sollten das zukünftige Offizierkorps bilden.

Nelte hat eine Bezahlung durch Päps für seine Tätigkeit abgelehnt. Er betrachte diese Verteidigung als seine nationale Pflicht!?! Päps: es ist tragisch sagen zu müssen: im l. Weltkrieg teilte ich als l.Generalstabsoffizier mit meinem Kommandeur die Verantwortung in taktischer Hinsicht über eine Division. Im 2. Weltkrieg hatte ich als Feldmarschall und als Chef des OKW lediglich die Befehlsbefügnisse über meinen Fahrer und Burschen.

 


21.9.46. 13.30 -- 14.00 Uhr.: Nelte hat nach Lesen der Anklageschrift vorgeschlagen, nur lautere Wahrheit zu antworten. Päps lOO%ig dafür, Dokumente kann man nicht leugnen. Der amerikanische Anklagevertreter habe ihm im Zeugenstand nur 2 Fragen vorgelegt. Waren diese Befehle betr. Rußland von Ihnen unterschrieben? -- Ja! Waren Sie sich bewußt, daß Sie gegen das Völkerrecht verstoßen? -- Ja! Der amerikan. Oberstaatsanwalt, der Päps vernahm, sei sehr fair gewesen. Er habe ihm geholfen, habe sich um Mammi vorbildlich gekümmert (Paß, um aus Berchtesgaden herauszukommen). Päps sagte, Hitler war sich über die Völkorrechts-Widrigkeit der Rußlandbefahle völlig klar gewesen. Er habe aber auf dem Standpunkt gestanden: Siegen wir, haben wir sowieso Recht. Dieser Lebenskampf ist nur mit außerordentlichen Mitteln zu gewinnen und der Russe wird uns durch seine Methoden einfach zu solchen Maßnahmen zwingen. Einen schlechten Eindruck habe Schacht gemacht, der sich als der klügste Angeklagte vorkomme. Je nachdem, wie es paßte, habe er die Dinge mit seinem politischen Verständnis kommen sehen. Mal war er völlig unpolitisch gewesen, mal nur Wirtschaftler. Eigentlich habe er sein Gesicht verloren.

Der Prozess um den 20. Juli 44 habe ergeben, daß Rommel zu Goerdeler gesagt habe: „Auf mich könnt Ihr Euch verlassen!" Aufgrund dieser Belastung habe Päps ihm einen Brief geschrieben im Auftrage von Hitler. „Entweder sei alles in Ordnung, dann solle er sich beim Führer melden, oder er habe als Offizier die Konsequenzen zu ziehen." Man habe ihn später vor dem Volk nicht fallenlassen können, deswegen Staatsbegräbnis usw.

Feldmarschall von Kluge ließ sich schon 1943 zu Besprechungen von Goerdeler nach Berlin einladen und wurde von seinem Neffen schwer belastet. Ob Kluge bewußt über Gisevius usw. Sabotage getrieben hat, weiß man nicht. Jedenfalls sei Hitler der Ansicht gewesen, Kluge sei zu klug, um solche Fehler zu begehen. Besonders übel hat Hitler genommen, daß Kluge in den kritischen Tagen nach dem 20.7.44 24 Stunden nicht erreichbar war, angeblich um eine Panzerarmee auf dem linken Flügel zu besuchen. Hitler nahm an, daß Kluge sich in einen Graben gesetzt hätte, um sich gefangennehmen zu lassen. Kluge wurde dann abberufen. Er schrieb dann an Hitler einen Brief, er möge den Krieg beenden und wenn dieser Brief ankäme, lebe er nicht mehr.

Fromm tat am 20. Juli nachmittags von 16.00 -- 23.50 Uhr nichts. Erst als der Führer gesprochen hatte über den Rundfunk, handelte er, gab Beck einen Fangschuß, ließ Olbricht, v. Stauffenberg und 2 andere erschießen, erschien dann bei Goebbels und sagte, es sei alles bereinigt. Später wurde Fromm erschossen, weil er aktiv am 20. Juli beteiligt war. Päps glaubt, daß Sabotage im Osten überhaupt nicht stattgefunden habe, dagegen im Westen über Gisevius bestimmt. Den Amerikanern sei deswegen auch die Invasion geglückt. Der Zusammenbruch im Westen sei aber sonst unvermeidlich gewesen. Die Truppe habe vorbildlich ihre Pflicht getan.

 


23.9.46, 13.00-15.30 Uhr: Himmler ist dumm, wenn auch Idealist. Verfiel zum Schluß hin in Ungnade, erschien auch nicht mehr im Bunker der Reichskanzlei, weil er Angst hatte, nicht mehr herauszukommen. Hatte nach Schweden Friedensfühler über Graf Bernadotte ausgestreckt. Nach Aussage Kaltenbrunners auch über die Schweiz. Mit der Röhm-Affäre hatte er insofern zu tun, daß er sich auf die richtige Seite stellte gegen Röhm, der Kriegsminister werden Wollte und den Gedanken der Miliz vertrat. (Damals stand in Genf die Frage zur Diskussion: Söldner-Heer oder Miliz). Er wollte seine SA in die richtige Rolle bringen und die Generalität (Blomberg) auffliegen lassen. Die Generalität (Blomberg) standen auf der schwarzen Liste. Schleicher und Bredow standen auf Seiten von Röhm.

Himmler kam zum Schluß vor Flensburg zu Päps zu einer einstündigen Aussprache und fragte Päps offen, ob er sich ihm zur Verfügung stelle, denn er (Himmler) müsse ja den Laden übernehmen. (In diesem Zusammenhang ist interessant, daß ich im Jahr 1951 den Hofastrologen von Himmler, Herrn Wolff (?) in Hamburg kennenlernte, der mir erzählte, daß er später ins KZ gesteckt (schon 43/44 ?) worden wäre und von Himmler im KZ beauftragt worden sei, über alle führenden Männer der Ära ein Horoskop zu stellen, ob sie für einen Umsturz -- von seiner Seite aus -- gegen Hitler geführt, für eine Mitarbeit geeignet wären.)

Als Himmler dann den Inhalt des Hitler'schen Testamentes erfuhr, schmiss er sich sehr an Dönitz heran. Später in Flensburg fragte Dönitz Päps: „Was halten Sie von Himmlers Hiersein?" Päps sagte, der muß weg. Und Päps übernahm es, Himmler das zu sagen. Er sagte ihm, er solle sich Zivil anziehen und gehen. Himmler übergab noch einen Brief für Eisenhower an Päps, in dem er sich für eine Friedensverwendung zur Verfügung stellte. Päps zerriß diesen Brief vor einer Weitergabe. Päps stimmte zu, daß Himmler zweifellos mit seinen Leuten in den besetzten Gebieten gewütet habe. Er habe seine Leute mit Ausweisen der Waffen-SS versehen, damit sie nicht eingezogen würden. Das sei auch der Grund, warum die Waffen-SS unter Umständen für verbrecherisch erklärt werden könnte.

Das Verhalten von Frank und Speer sei kümmerlich gewesen. Frank ist völlig haltlos, er hat seine Aussagen später im Schlußwort widerrufen. Speer hoffte sich scheinbar freikaufen zu können. Hatte anfangs klar seinen Mann gestanden, aber dann scheinbar mit den Engländern machen wollen, wurde auch aus M. [Mondorf? d.h. Alliierter Gefangenen-Sonderlager ASHCAN] allein abtransportiert. Verabschiedete sich damals so, als ob auch für ihn das Verfahren erledigt sei, wurde aber dann doch nach Nürnberg geholt und hat sich jetzt tapfer gehalten, da das andere doch nicht zum Erfolg geführt hat.


24.9.46, l3.00-15.30 Uhr: Himmler sei nicht der gewesen, für den ihn seine SS gehalten habe. Z.B. habe seine Reden fast grundsätzlich Jost verfaßt. -- Päps und Jodl waren absolute Gegner des wirtschaftlichen Generalstabes, weil es nicht anginge, daß (z.Teil junge)Offiziere im Generalstab die Wirtschaft führen, dieses Ressort müsse der Wirtschaft verbleiben. Auch die Wirtschaft bringe nur sehr wenig Persönlichkeiten hervor, die in der Lage seien, einen Konzern zu führen. Etwas anderes ist das Rüstungsministerium, das im Kriege nur ein Sektor der Wirtschaft ist. General [Georg] Thomas habe aber den totalen Wirtschaftsapparat in seine Hände haben wollen, deswegen auch sein Kampf für die Selbstständigkeit des GBW. (Seinerzeit Funk) und Nichtunterstellung unter Göring (Vierjahresplan). Päps ist für eine absolute Privatwirtschaft unter bewußter staatlicher Lenkung. Hitler habe die Ansicht vertreten: „Wir brauchen Großbesitz, Mittelbesitz und Kleinbesitz -- auch zur Erhaltung der Privatinitiative." Hitlers Idee für Krupp: „Familienstiftung vom Staat zum Lehen!" Er habe den Lehensgedanken für sehr wertvoll gehalten.

 


25.9.46, 13.00-13.30 Uhr: Sprach über die Probleme der Gegenwart. Es gäbe nur ein Problem, Ost/West. Glaubt an Verewigung des momentanen Zustandes, bezw. des politischen Bildes. Rußland und der Westen würden keinen Meter zurückweichen. Churchills Rede in der Schweiz sehr deutlich, aber nicht an der Regierung, währenddessen plündert England Rhein- und R Uhrgebiet restlos aus. Churchill propagiert Zusammenschluß des Westens mit Frankreich, seiner Ansicht nach die einzigstmögliche Lösung.

Sprach noch einmal über seine Verteidigung. Leugnen sei sinnlos gewesen, da Dokumente vorgelegen hätten, die mit deutscher Gründlichkeit alle den Krieg überstanden hätten. Seine Randbemerkungen auf Dokumenten seien oft Temperamentausbrüche gewesen. Er erläuterte sein heutiges Decken von Führerbefehlen gegenüber Untergebenen und allen Stellen außerhalb des OKW nach außerhalb mit rücksichtsloser Schärfe, obwohl er oft gegenteiliger Auffassung wesen wäre: Prinzip jeder ‚militärischen Erziehung, sonst Chaos!!' Sprach über die

Größefähigkeiten von Hitler, er habe vieles richtig und auch realistisch gesehen. Bei den Erlassen kurz vor dem Rußlandfeldzug habe er immer wieder gesagt, ‚jawohl ich weiß, das ist Unrecht, aber entweder wir gewinnen, oder es ist auch so alles für das deutsche Volk verloren!' Mit den laufend steigenden Rüstungen aller Länder voll vertraut, müßte man nach Ansicht von Hitler, da wir ein Wettrüsten niemals durchhalten konnten, zum Präventivkrieg schreiten. Bei den seit 1942 einsetzenden Rückschlägen hat er dieses von allen führenden Männern am besten ertragen. „Mir sind Rückschläge 1000 km ostwärts des Bug lieber als im Warthebogen." Er hat alle Bedenken, die ihm pausenlos vorgetragen wurden, weit von sich geschoben. „Einer muß wollen und darf sich durch nichts beirren lassen. Man muß glauben, sonst kann man gleich Schluß machen." Er hielt sich allein für fähig, diesen für den Sieg unbedingt erforderlichen Glauben aufzubringen. Deswegen wollte er alles selbst machen. Deswegen hörte er nicht auf die logischsten Folgerungen, aus dieser Überzeugung hat er ausschließlich zum Terror gegriffen und ist wohl zum Schluß entartet und maßlos und wohl wahnsinnig geworden, wie er das Unmögliche der Aufgabe erkannte, die er sich gestellt hatte.

 


26.9.46: Päps hat seinerzeit Hitler davon abgeraten, Feldmarschällen eine Dotation zu geben. Hitlers Antwort: Friedrich der Große hat seinen Marschällen ein Jahresgehalt von 75.000 Talern gegeben. Er gäbe seinen Feldmarschällen einmalig eine Dotation, die nur den halben Wert des Jahresgehaltes der früheren Marschälle habe.

 


27.9.46, 13.00-13.30 Uhr: Sprach über die politische Lage. Die Vergangenheit habe bewiesen, daß es auf dem Wege einer Revolution nicht gehe. Es bliebe nur der Weg der Evolution. Auf keinen Fall dürfe man sich heute schon für Ost oder West festlegen, sondern abwarten. Er sei zwar nie Politiker gewesen, aber klar sei, daß eine Widerstandsbewegung eine Wahnsinnstat seien würde. Allerdings glaube er nicht, daß sich eine der beiden Mächte (Amerika, bezw. Rußland) aus Mitteleuropa zurückziehen würden.

 


28.9.46, 13.00 -- 13,3o Uhr: Die politische Lage bewege ihn sehr. Man habe ihn aufgefordert, eine Beurteilung der heutigen strategischen Lage Deutschlands zu verfassen. Er habe dieses abgelehnt und diese Arbeit an Jodl weitergegeben, der als Chef des Wehrmachtführungsstabes zuständiger sei. Jodl habe auch schon die Bestätigung, daß seine Arbeit in Washington angekommen sei. In Amerika arbeiteten deutsche Stäbe mit Hochdruck (z.B. General von Throta aus dem Ministerium Speer). Jodl sei der festen Uberzeugung, daß die Kurlandarmee von den Russen konserviert würde und weiterbestehe. Es könne passieren, daß auf beiden Seiten Deutsche zum Kämpfen gezwungen würden, wenn es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen sollte, was Gott verhindern möge. Scharf müsse ich die Lage beobachten. Es stehe zumindestens fest, daß Amerika heute noch keine klare Linie habe und nicht wisse, was es wolle. Dieses sei eben der Nachteil der dortigen Demokratie.

Die deutsche Politik ab 1933 sei richtig gewesen, wenn nicht diese Methoden gekommen wären; man müsse diese Maßnahmen aber aus der immer schlechter werdenden Lage verstehen, und Hitler wäre zum Schluß in seiner Auffassung noch bestärkt worden, als die Beschlüsse der Konferenz von Jalta bekannt wurden. Er glaube auch, daß Hitler in seiner weltanschaulichen Beurteilung die Lage richtig gesehen habe. Wenn die furchtbaren Methoden mit ihrem unsäglichen Leid langsam mit der Zeit verblaßt waren, wird Hitlers Sicht geschichtlich als genial gesehen werden. Alle großen Revolutionen seien geschichtlich gesehen steckengeblieben, die englische unter Cromwell, die französische 1789 und so auch die deutsche und doch sind diese Revolutionen später die tragenden Säulen ihres Jahrhunderts geworden. Auch die Revolution Hitlers mußte letzten Endes diesen Weg gehen, um sich selbst zu reinigen von den menschlichen Schwächen und den furchtbaren Methoden. Die Zeit zur Evolution habe Hitler gefehlt. Für Deutschland gäbe es nur 2 Lösungen: Europa oder Eurasien.

 

Free download of the 2010 edition of David Irving's English translation of The Memoirs of Field Marshal Wilhelm Keitel
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