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Posted Friday, April 23, 2010

Keitel Documents items 54 and 56. Typewritten.

10. 10. 45

 

Wilhelm Keitel

Nürnberg, den 17. 9. l946

Antworten auf Fragebogen (Dr. M. Löffler)

I. Adolf Hitler.

1. mit welchen geschichtlichen Persönlichkeiten ist Adolf Hitler nach Ihrer persönlichen Auffassung am ehesten zu vergleichen: Alexander dem Grossen, Dschingis Khan, Cromwell, Robespierre, Napoleon?

2. welche Veränderungen waren im Laufe Ihrer Zusammenarbeit mit Hitler hinsichtlich seines geistigen Zustandes festzustellen? Ist an den Behauptungen von sog. psychischen „Anfallen" etwas Wahres? Hatten Sie solche Anzeichen bei ihm selbst festgestellt?)

Zu I.1)

Ich würde Hitler in erster Linie mit Cromwell, demnächst mit Napoleon vergleichen: mit Cromwell hinsichtlich der ursprünglichen Motive seiner außenpolitischen Konzeption; mit Napoleon hinsichtlich seiner Überschätzung als strategisches Genie.

Wenn Hitler schließlich zum brutalen Tyrannen wurde, so trafen gewissen parallelen mit Dschingis Chan im letzten Stadium des Krieges gegen den Osten in Erscheinung~.

Zu 1.2)

Ich habe keine Veränderungen feststellen können, außer der Tatsache, daß er schwerstes unter der klaren

Erkenntnis des wahrscheinlichen Zusammenbruches und der

Zerstörung des Reiches ab Winter 1941/42 unausgesprochen und nach Außen niemals erkennbar, litt, wofür ihm seine Verantwortlichkeit stets voll bewußt war. Hitler war eine nervlich und seelisch höchst empfindsame Natur, die meist wochenlang durch Grübeln und Abwägen keine Nachtruhe fand, bevor Entschlüsse reiften. Er war wie er mir selbst eingestanden hat von Jugend auf sehr jähzornig veranlagt und behauptete, es habe ihn schwerste Selbsterziehung gekostet, den Fehler zu bekämpfen. Er konnte daher in der Erregung sehr ausfallend werden und äußerst

abstoßend wirken, hat es aber mir gegenüber stets bereut, wenn er aus der Rolle gefallen war. Schwere militärische Rückschläge trug er mit bewundernswerter Haltung, solange nicht ein Verschulden auf eigener Seite die Ursache war.

Rasend machte ihn:

a) bewußt falsche oder verschleierte Meldungen
b) eigenmächtiges Handeln gegen seine Befehle, wenn dieses Handeln nicht erfolgreich war
c) der offensichtliche Ungehorsam.

Die Temperaments-Ausbrüche waren aber keine „psychischen Anfälle" • In den letzten Monaten nach dem Attentat vom 20.7.44 war sein grundsätzliches Mißtrauen gegen jedermann fast zur fixen Idee geworden und zur Verbitterung gesteigert. Er ist sich niemals über die drohende militärische Katastrophe klar geworden, er trug äußerlich in vorbildlicher Haltung schwerste Schicksalsschläge, „Anfälle" oder Nervenzusammenbrüche habe ich niemals beobachtet.

 

II. Himmler.

1. Was für eine Persönlichkeit war Himmler privat? (spartanisch einfach, oder prunk- hebend, ehrgeizig, selbstüberheblich, unnahbar?)

2. Als Reichsführer SS und Polizei-Chef: Machtmensch oder überzeugt, einer Idee zu dienen?

3. War Himmler nur ein Schatten und Werkzeug Hitlers oder vertrat er auch eigene Gedanken und Ideen?

Zu II. 1)

Himmler war für seine Person, anspruchslos, fast spartanisch einfach auch in seiner bescheidenen Häuslichkeit. Er war ungeheuer ehrgeizig und machthungrig. Er war ein Durchschnittsmensch in geistiger Begabung, dem weitgespannten Rahmen seiner Stellung im Staate nicht gewachsen und nicht klug genug dafür. Er überschätzte seine Befähigung erheblich und war der Typ von Selbstüberheblichkeit. Unnahbar war er dagegen keineswegs.

Zu II. 2.)

Himmler war besessen von der Überzeugung einer Idee, nämlich der Theorie von "Blut und Boden", der Vorstellung seine historische Aufgabe sei die Schöpfung eines großgermanischen Siedlungsraumes, die Rezimierung einer rein germanischen Rasse, die Ausmerzung alles fremdländischen Blutes bis zur Wahnvorstellung, man müsse durch Auslese und Begattung germanische Urmenschen züchten. Für diese Ziele war ihm offenbar jedes Mittel recht und geheiligt. Für ihre Durchsetzung diente ihm das Streben zu unumschränkter Macht, nicht nur über die Polizei, sondern als Endziel auch über die Wehrmacht.

Zu II. 3.)

Himmler war ursprünglich nur ein Werkzeug Hitler und Anhänger bezw. Vollstrecker seiner Ideen. Himmler überbot aber Hitler, mindestens seit Anfang des Krieges, in der absoluten Maßlosigkeit, weil er nicht klug genug war, die Grenzen zu erkennen, die auch den revolutionär radikalsten Zielen und Methoden gesetzt sind, solange man nicht Menschen als Tiere und Objekte für die Verwirklichung von utopischen Theorien ansieht.

 

III. Krieg mit Rußland.

1. Wie erklärt sich die Unterschätzung der militärischen Kraft Rußlands? Hat nicht Quisling wichtige Nachrichten über russische Kriegsvorbereitungen gegen Deutschland geliefert und vor einer Unterschätzung Rußlands gewarnt?

2. Hätte sich der Krieg mit Rußland vermeiden lassen oder wäre ein russischer Angriff auf den Westen früher oder später doch erfolgt?

3. Rechnete Hitler bei der Besprechung mit dem Armeeführer in der Reichskanzlei am 14.6.1941 bestimmt mit Japans Kriegseintritt gegen Rußland?)

Zu III.1.)

Es ist richtig, daß Quisling vor Unterschätzung Rußlands - wie viele andere, bessere Kenner - gewarnt hat. An wichtige, für uns neue Nachrichten durch Quisling erinnere ich mich nicht. Über Kriegsvorbereitungen in Rußland waren wir seit 1930 nicht im Unklaren, da wir mit den Russen noch bis 1933 zusammengearbeitet haben (z.B. Entwicklung von Kampfwagen, Flugzeugen und Kampfstoffen in Rußland). Wir hatten weitgehende Kenntnis von dem großzügigen Ausbau ihrer Rüstung und deren Industrie im Donau Gebiet am Ural und die sich jährlich steigernden Leistungsfähigkeit. Nicht bekannt war uns die schon 1941 erreichte gewaltige zahlenmäßige und materielle Stärke ihrer Panzerwaffe und Luftwaffe, sowie genaue Unterlagen über die Zahl ihrer Verbände (Divisionen) und die Produktionsleistung ihrer Rüstungsindustrie.

Gerade weil Hitler die von Jahr zu Jahr sich erheblich steigernde militärische Kraft Rußlands erkannte, sah er die große Gefahr, die uns von Rußland drohte und das umsomehr, weil unsere 5 - 7 Ostdivisionen während des Westkrieges 1940, durch die Russen schon 1940 mindestens das 10fache gegenüberstand und laufend verstärkt wurde. Der deutsche Angriff 1941 hat ja bewiesen, daß die Russen den Angriffskrieg gegen Deutschland bereits vorbereiteten, daß also Hitler recht hatte, wenn er zuschlug, bevor die Russen ihre Kriegsvorbereitungen abgeschlossen hatten.

Zu III. 2.)

Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß der Krieg mit Rußland in der politischen Situation, in die wir geraten waren, mit England und Amerika als Gegner, spätestens 1943 vielleicht schon 1942 gekommen wäre durch Angriff Rußlands, wenn Hitler nicht 1941 zuvorgekommen wäre. Er tat dies, weil er das weitere militärische Erstärken, nicht nur Rußlands, sondern auch Englands und Amerikas voraussehen mußte und sich die Gefahr des Erliegens für uns mit jedem Monat des Wartens steigerte.

Nur die Herbeiführung einer weltpolitisch völlig anderen Konstellation, z.B. England und Amerika auf deutscher Seite oder Frieden mit den Westgegnern um jeden Preis, hätten das über uns hängende russische Damokles-Schwert in der Scheide gehalten.

Zu III. 3.)

Nein. Hitler rechnete noch nicht einmal in Dezember 1941 mit Japans Eingreifen, denn er war überrascht durch die Tatsache des japanischen Angriffs am 7.12.1941. Das habe ich bei Eingang der Nachricht erlebt.

 

IV. Afrika.

Warum wurden Rommel nicht mehr Kräfte zur Verfügung gestellt, um die Einnahme von Alexandria zu ermöglichen? Diese Kräfte wurden ja später doch anläßlich der englisch-amerikanischen Landung in Algier nach Nordafrika geworfen.

Zu IV.)

Die Fortesetzung der Rommelschen Offensive über El Alamein auf Alexandria, ist nicht an Kräftemangel, sondern nur an dem fehlenden Nachschub an Treibstoff, Munition und Versorgung, auch der deutschen Luftwaffe in Nordafrika, gescheitert. Da die Italiener die Nachführung der notwendigen Versorgungsgüter über das Mittelmeer nicht fertig brachten, mithin also schon die in Nordafrika vorhandenen Truppen nicht kampffähig erhalten werden konnten, hätte die Zuführung weiterer Kräfte die Versorgung mit Kampfmitteln nur noch viel mehr in Frage gestellt. Die Truppen in Nordafrika hatten einen durchschnittlichen Monatsbedarf an Nachschubgut von ca. 70-80 tausend Tonnen im Kampf. Geleistet wurde von der italienischen Nachschubflotte aber nur 30- 40 000 Tonnen, also weniger als die Hälfte. Es waren also für die Nachschubmäßige Versorgung zuviel Truppen in Nordafrika. Mit weniger, aber laufend vorsorgten Truppen wäre Rommel nicht liegengeblieben.

Wenn später über Tunis weitere Kräfte nach Nordafrika geworfen wurden, so waren die Versorgungswege über See (Sizilien) kürzer und gesicherter als die nach Tripolis, Bengasi und Tobruk.

 

V. Versagen des Nachrichtenwesens.

Warum wurde der deutschen Führung der Beginn der Invasion und ihre beabsichtigte Ausführung weder in Nordafrika noch in Nordfrankreich rechtzeitig bekannt?

Zu V.)

Invasion Nordafrika war nicht gemeldet worden. Der Nachrichtendienst hat hier versagt, obwohl eine Reihe Meldungen in fragwürdigster Form entsprechende Möglichkeiten angedeutet haben.

Invasion Nordfrankreich wurde seit Frühling 1944 bei jeder nur einigermaßen für die Landung günstiger Wetterlage erwartet und vielfach auch gemeldet. Als die Meldungen die tatsächliche Landungsabsicht am 6. Juni ankündigten - sie ist also vorher rechtzeitig gemeldet worden - hat man zwar den üblichen Alarmzustand - wie schon unzählige male vordem vergeblich angeordnet, der in seinen verschiedenen Abstufungen zur Gewohnheit für die Truppe geworden war. Je häufiger etwas derartiges geschieht, um so leichter nützt es sich ab. Es war zwar nicht höchste Alarmstufe angeordnet, aber die Truppe war in Bereitschaft, als die Landung tatsächlich erfolgte und dieses Mal keine Täuschung war.

 

VI. Strategie.

Wer waren nach Ihrer persönlichen Ansicht unsere besten Strategen im vergangenen Krieg?

Zu VI.)

Für den strategischen Begabtesten und fähigsten Offizier habe ich den Fm. v. Manstein gehalten.

Demnächst möchte ich Fm. v. Rundstedt nennen. Als Dritten nenne ich &en Generalobersten Jodl. Der am meisten gefeierte Feldherr Rommel war kein Stratege, sondern ein besonders tapferer Führer, ein Seydlitz der Panzerwaffe. Seine Grenze war erreicht, wenn er seine Truppen nicht mehr im Gelände übersehen konnte.

 

VII. Heimat und Front.

Hat irgendein Teil von Heimat oder Front in diesem Krieg so versagt, daß dadurch der Kriegsausgang entscheidend beeinflußt wurde, oder hat sich in diesem Krieg auf unserer Seite eine Sabotage ausgewirkt, auf die unsere Niederlage zurückzuführen ist?

Zu VII.)

Weder die Front noch die Heimat hat versagt, ihre Haltung waren bis zum Schluß über alles erhaben.

Versagt hat die militärische Abwehr der unvorstellbar überlegenen Luftwaffe unserer Westgegner. Dieser Umstand in seiner vielseitigen Einwirkung auf Front, Heimat, Verkehr und Produktion der Rüstung, einschließlich Treibstoffe, hat die Niederlage herbeigeführt.

Nicht ohne Einfluß war die Sabotage des Hochverrats, der den Feinden bekannt war, und seinen Zuversichten auf den Sieg moralisch stärkte in dem Masse, als der Glaube in den eigenen führenden Kreisen seit Stalingrad im Schwinden war.

 

W. Keitel

 

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Free download of the 2010 edition of David Irving's English translation of The Memoirs of Field Marshal Wilhelm Keitel
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