~~~ | Mein lieber Achi! Ob Du wohl inzwischen
meinen Brief vom 15.11.41, mit
den 3 Fotos von Deiner Nichte
erhalten hast?? - Wenn schon
Gottes Mühlen langsam
mahlen, so werden sie doch noch
weit übertroffen, durch die
Zeit die Deine Briefe zur
Beforderung nach hier im
Allgemeinen beanspruchen. Nicht
einmal im Siebenjährigen
Krieg durfte Post über den
Kanal nach Berlin 5 Monate
gebraucht haben, wie Dein lieber
Brief an mich vom 1.9.41.
Allerdings hat er uns dadurch
nicht weniger erfreut, das kannst
Du Dir denken! Es war ein
Festtag, als er, mitsamt dem
Duplikat vom 8.9.41, eintraf.
Hab' Dank! Das Papier ist schon
ganz abgegriffen, so oft und so
gerne nimmt man's in die Hand.
xxx
Es ist ja nicht der Inhalt,
vielmehr noch ist's die
Vorstellung über Befinden,
Aussehen, Gedanken, Umgebung, Tun
und Lassen usw. desjenigen,
dessen wohlbekannte
Schr[ift?]zuge vor einem
liegen! |
| Eig[e]ne Gedanken
und Fantasie haben freien Lauf;
weit zurück in die
Vergangenheit, in Erinnerung an
Taten männlichen Mutes und
Opfersinns, einmalig in ihrer
geschichtliche Grosse,
unvergänglich wie die Namen
der Männer, die damit
verbunden, unauslöschlich
eingetragen in das Buch der
Geschichte. Sie haben freien
Lauf, um Gegebenheiten und
umwalzende Ereignisse der
Gegenwart, trotz
äusserlichen Widerspruchs,
irgendwie in bestimmt sinnvollen
Einklang zu bringen. Sie haben
befreienden Flug &emdash;
über Raum und Zeit hinweg
&emdash; in eine nicht zu ferne
Zukunft zu sehen, die den
unerschütterlichen Unterbau
aus großer Vergangenheit
und den äusserlich noch
gewaltig erscheinenden Aufbau der
Gegenwart vollenden wird, in
einen den Taten gerechten
Schicksalswende der Geschichte
und zugleich der Männer, die
sie reinen Herzens
machten. Den dem Duplikat
beigelegenen Brief hat Freiburg
richtig erhalten. Auch der
Schlüssel aus Deinem Schrank
hat sich gefunden. Erstaunlich,
daß Du dich dieses
Aufbewahrungsorts noch entsinnst.
Vonwegen schlechtem
Gedächtnis. xxx
Bezüglich der bewußten
Kasset[te] wird in Deinem
Sinn verfahren. Mit den Eltern
und jetzt Mutter ist alles auch
so glatt gegangen; brauchst Dir
darüber keinerlei Gedanken
zu machen.- Du bist schon der
Gleiche geblieben. Dein Brief ist
voller Anordnungen zum Wohle
anderer und so am Rande steht
gerade noch zu lesen, daß
Du wohlauf" bist. Lotte und Monika waren
übrigens den ganzen Sommer
hier. An so einem kleinen Wurm
hängt ja ein Haufen Zeug
(Kinderwagen, Badewanne, Waage
etc. usw.) so daß eine
Reise einem kleinen Umzug gleich
kommt. Die Luft in
Schöneberg ist auch nicht
schlecht und wir hatten
unvergleichlich besseres Wetter
wie im Vorjahr, so daß
ferner aus diesem Grund es nicht
notwendig war, die Beiden nach
Reicholdsgrün zu
verschicken. Uns Zweien geht's
gesundheitlich recht ordentlich.
Zu schade, daß wir Dir die
Monika nicht mal vorfuhren
können. Sie macht eine
mordsmassige Freude.
Betätigt sich bereits im
Laufstall. Gehen kann sie zwar
noch nicht, aber stehen und auf
dem Bauch rutschen, am besten
ruckwarts. Zwei Zahne hat sie,
plappert in ihrer Sprache und in
allen Tonarten, je nachdem in
Flotentonen und mit energischem
Protest.xxx
Ihren eignen Willen hat sie
gottlob und im Zorn macht sie
absolut den Eindruck, daß
sie später mal
Tennisschlagen an der Wand
zerschmettern wird!
xxx
Trotzdem ist sie gut zu haben und
beschäftigt sich stundenlang
alleine. Kneisel ist einerseits
eifersüchtig, andrerseits
verteidigt er böse Wagen und
Laufstall, wenn Fremde in die
Nahe kommen . Mutter freut sich
auch sehr an der Enkelin.-
Erstere war heute Nachmittag mit
Grete bei uns, nach
[sic] [Seite
2]Nächste Woche kommt
Mutter mal für 8 Tage ganz
zu uns. Für ein paar Wochen
wohnt sie jetzt mit Grete bei
Mutti Grohé,
da sie in Potsdam (ohne viele
Treppen), bei besserer Luft, ihre
mit alter Energie betriebenen
Spaziergange leichter machen
kann. Gesundheitlich, wie
psychisch ist sie besonders
frisch, nachdem sie
natürlich nach Vaters Tod
und durch die harten Pflegemonate
recht herunter war. Kannst
unbesorgt sein, wegen Deines
Unternehmens grämt sie sich
nicht, auch war es nicht schwer
Vater zu beruhigen. Beide waren
von Anfang an eisern in der
Überzeugung, daß sich
der Sinn früher oder
später zeigen wird. Grete, Else und
Butz,
wie allen Harlachingern geht es
ebenfalls gut Sie schreiben Dir
ja selber. Ich muß nun
vorschriftsgemass zum Ende
kommen.xxx Mit allem erdenklich guten
Wünschen denken Lotte und
ich -- wir alle [--]
täglich zu Dir
hinüber! Heil Hitler! Wie
immer,Dein
Bruder, Alfred
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