The International Campaign for Real History

Noch 1978 schrieb Professor Hans Mommsen, Ruhr-Univ. Bochum:

"ES IST EIN GLÜCK für uns . . . einen Irving zu haben, der den Historikern zumindest neue Anstöße gibt."

 

INTRODUCTION TO HIMMLER DOCUMENTS
Thesis of German historian Christian Gerlach
Comments by Genocide expert Dr John Fox

 

Mommsen's moral cowardice on display

Der "Führer" und die Vielzahl der Vollstrecker

Wieder einmal streiten Historiker über die Rolle Adolf Hitlers. Dabei geht es diesmal um die Frage, ob für den Führer der Nationalsozialisten von Anfang an die Vernichtung der Juden fester Bestandteil seiner politischen Überzeugungen war.

Der renommierte Zeitgeschichtler Hans Mommsen bestreitet dies ebenso wie die österreichische Historikerin Brigitte Hamann. Für den Hitler-Biographen Joachim Fest dagegen deutet nichts darauf hin, daß Hitler in seiner Entschlossenheit, die Juden zu vernichten, jemals gezögert habe.

In einem Beitrag für die Berliner Morgenpost legt der Bochumer Historiker Hans Mommsen, profunder Kenner des Nationalsozialismus, seine Forschungsergebnisse dar.

Berlin Morgenpost, 2. Januar, 1997

Wie Hitlers Antisemitismus schließlich zur Judenvernichtung führte


Von Hans Mommsen

Adolf HitlerES IST fragwürdig, daß Hitler sich die extreme antisemitische Forderung, die Juden physisch zu vernichten, schon in seinen Wiener Jahren 1908 bis 1913 zu eigen gemacht hat. Ebensowenig gibt es persönliche Begegnungen mit Juden, die Hitler später zur Judenvernichtung bewogen haben könnten, wie er in "Mein Kampf" behauptet.

Seine Wiener Zeit macht deutlich, daß Hitler dazu neigte, sich in einer abgeschotteten ideologischen Scheinwelt einzurichten. Eine Welt, die mit den Ideengängen des zeitgenössischen Antisemitismus und völkisch-nationalistischen Parolen angefüllt war. Dieses Gedankengut hatte allerdings zunächst keine direkten Konsequenzen für sein alltägliches Verhalten.

Hitlers späterer Weg in die Politik und sein Handeln als Parteiführer und Diktator müssen sehr viel stärker in die Kontexte seiner jeweiligen Umgebung gesetzt werden, als dies in den meisten Darstellungen der Fall ist. Der aktionistische Rassenantisemitismus Hitlers beruhte zwar auf den ideologischen Vorgaben der Wiener Jahre, erhielt jedoch seine politische Stoßkraft erst 1919 während Hitlers Tätigkeit beim Reichswehrgruppenkommando IV in München. Und hier war der Einfluß Dietrich Eckarts, aber auch des antisemitischen Klimas im München der Räterepublik, entscheidend.

Überhaupt ist es notwendig, Hitler im Kontext seiner jeweiligen Umgebung und als Sprachrohr der dominanten ideologischen Strömungen zu begreifen, also als Propagandist, der simplifizierend zusammenfaßt, was in der Luft liegt. Insofern fungiert Hitler gleichsam als Katalysator oder Transmissionsriemen, der vorherrschende Ressentiments und Protesthaltungen wie durch ein Vergrößerungsglas an sein Publikum zurückgibt und sich damit zu deren öffentlichem Medium macht.

Hitlers Neigung, visionäre Szenarios zu entwerfen und aus ihnen Handlungen abzuleiten, rief frühzeitig die Besorgnisse seiner Unterführer hervor. So warnte Gregor Strasser, einer seiner bedeutendsten Parteigänger, der später zu den Opfern des 30. Juni 1934 (der sogenannte Röhm-Putsch) gehörte, davor, daß Hitlers weit ausschweifende politische Ideen ihn weit von der politischen Realität abzuführen drohten und insoweit die Gefahr bestünde, daß er in die Hände falscher Berater gelangen könnte. In der Tat umgab sich Hitler nach 1933 in wachsendem Maße mit Persönlichkeiten, die ihm nach dem Munde redeten und sich scheuten, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Dies beschleunigte die bereits in Wien angelegte Flucht aus der Realität.

Zweifellos war die Führerfigur Hitlers unentbehrlich, um die Dynamik des Systems des Nationalsozialismus zu erhalten. Und die Motorik, die von ihm ausging, war eine wichtige Ursache für die zunehmende Übersteigerung der außen- und innenpolitischen Zielsetzungen des Regimes. Andererseits entwickelten die Verhältnisse, einmal in eine radikale Richtung gelenkt - und das war Hitlers Spezialität - eine eigene Dynamik; und Hitler war letzten Endes ebensosehr ein Gefangener dieser freigesetzten destruktiven Energien.

Das zeigt das Beispiel der Judenverfolgung, die für Hitler primär propagandistisch-weltanschauliche Dimensionen besaß, aber unter dem Druck des harten, völkisch-antisemitischen Kerns der NSDAP in praktische Politik umgesetzt wurde, ohne daß dafür ein langfristig entwickeltes und politisch abgewogenes Konzept existierte. Der verstorbene Doyen der deutschen Zeitgeschichtsforschung, Martin Broszat, hat diesen Mechanismus in die Formel gekleidet, daß die Propaganda die Politik schließlich "beim Wort" nahm.

Dr GoebbelsIn Hitlers in Wien vorgeprägtem Politikverständnis diente der Antisemitismus, wie überhaupt parteipolitische Programmatik, ausschließlich manipulatorischen Zwecken und in erster Linie der Mobilisierung der Massen. Nachdem die NSDAP an die Macht gelangt war und die Ausschaltung der Juden zum offiziellen Programm erhoben hatte, trat neben die durch Goebbels intensivierte antisemitische Rhetorik eine Eskalation der Verfolgungsschritte, die gemessen an dem zunächst gesteckten Ziel der jüdischen Auswanderung, großenteils kontraproduktiv waren. Aber die verbalen antijüdischen Attacken entwickelten eine eigene Motorik, die, als unter den Bedingungen des Krieges die letzten außenpolitischen Rücksichten entfielen, eine Eskalation in Gang setzten, an deren Ende die unmittelbare Realisierung des visionären Endziels, die "Endlösung" der europäischen Judenfrage stand.

Es ist deshalb müßig, darüber zu streiten, von welchem Zeitpunkt an der Diktator die Liquidierung der Juden als reales Ziel seiner Politik ins Auge gefaßt hat. Sicher ist, daß vor 1940 die SS-Führung einen solchen Weg nicht für möglich hielt. Noch bis Anfang 1942 verfolgte und betrieb sie unterschiedliche, jedoch sich jeweils durch gesteigerte Grausamkeit auszeichnende Reservatslösungen, bis schließlich infolge der militärischen Lage diese Perspektive als obsolet erschien. Nun erst begann Zug um Zug die systematische Liquidation, zunächst der nicht arbeitsfähigen Juden, dann der jüdischen Gesamtbevölkerung.

Es ist auch nachträglich nicht leicht, Hitler auf das spätestens seit Ende 1941 in Gang gekommene Vernichtungsprogramm festzulegen, da er in offiziellen und privaten Äußerungen stets die metaphorische Sprache des klassischen Rassenantisemitismus bevorzugte und noch 1944 die Statistiken des Jahres 1938 zitierte, als ob der Holocaust nicht stattgefunden hätte. Es ist allerdings nachgerade absurd, zu argumentieren, wie dies David Irving getan hat, daß der Vernichtungsprozeß hinter Hitlers Rücken erfolgt wäre. Wohl aber scheint Hitler die konkrete Implementierung von sich ferngehalten zu haben, weil er sich der Unpopularität des Genozids bewußt war.

Die viel zitierte Äußerung vom 30. Januar 1939, in der Hitler die Drohung gebrauchte, im Falle der Entfesselung eines neuen Weltkrieges werde das Ende in der Vernichtung der jüdischen Rasse bestehen, erfolgte im Kontext der Forderung an die Westmächte, die finanziellen Mittel für die jüdische Auswanderung aus Deutschland bereitzustellen. Und sie enthielt zugleich die Wendung, daß es genügend Raum für deren Unterbringung in der Welt gäbe. Die Äußerung atmete daher dieselbe Ambivalenz, wie sie für die herkömmliche antisemitische Vernichtungsvokabel kennzeichnend war. Die Drohung wurde daher begreiflicherweise im In- und Ausland als bloße antisemitische Rhetorik aufgefaßt.

HeydrichWas den Weg zum Holocaust angeht, so gab es zwar mittel- und langfristige Pläne des SS-Apparats und Reinhard Heydrichs, aber offenbar keine punktuelle "Entschlußbildung". Dies widersprach überdies Hitlers Mentalität, der in der Regel die Dinge laufen ließ, um dann in Form einer "Flucht nach vorn" den selbst verschuldeten gordischen Knoten zu lösen. Hitlers typische Wendung: "Dies ist mein unabänderlicher Beschluß" läßt das dahinter liegende Zögern und Finassieren deutlich erkennen, die für Hitlers Politik charakteristisch waren.

Ebensowenig ist die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 -- sie sollte ursprünglich im Dezember 1941 stattfinden, wurde aber wegen der deutschen Kriegserklärung an die USA aufgeschoben -- ein Datum, das den Entschluß zur "Endlösung" definitiv spiegelt: Heydrich erwog nämlich noch Wochen später ein Reservat für die 11 Millionen europäischen Juden in der der Gestapo vorbehaltenen Eismeerregion. Die Implementierung der Shoah (Judenvernichtung) stellt vielmehr einen Prozeß dar, der spätestens im August 1941 mit der Ausweitung der Tätigkeit der Einsatzgruppen einsetzte, aber nicht vor dem Frühjahr 1942 andere "Lösungs"-Versuche obsolet gemacht hatte.

Diese und andere Beispiele zeigen, daß die Politik des Dritten Reiches nicht einfach als Resultat des persönlichen Entscheidungshandelns Hitlers oder womöglich eines festliegenden Stufenplanes gedeutet werden kann. Vielmehr konnte die verhängnisvolle zerstörerische Potenz seines Regimes erst im Zusammenwirken mit einer Vielzahl von "Vollstreckern" und Sympathisanten zugleich einer spezifischen Dynamik zur Wirkung gelangen, die der Struktur des faschistischen Systems entsprang.

Heinrich HimmlerDies lenkt den Blick auf die Wiener Anfänge zurück, die ebenso zeigen, daß eine ausschließlich Hitler-zentrische Interpretation der Geschehnisse das Dritte Reich nicht hinreichend erklären kann. Sie läßt insbesondere unbeantwortet, warum es bis dahin unerhörte destruktive Potenzen freisetzte und in der Zerstörung Europas endete.

Es hat den Vorwurf an die funktionalistische Schule gegeben, die Rolle Hitlers durch diese Betrachtung zu verharmlosen und letzten Endes damit zu entschuldigen. Diese Kritik der angeblichen Verharmlosung läuft auf eine moralische Diffamierung hinaus. Denn die Relativierung der Rolle Hitlers und die Betonung seiner persönlichen Mediokrität, die durch die Wien-Studie der österreichischen Historikerin Brigitte Hamann (Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. Piper Verlag) erneut belegt wird, bedeutet ja keine Eskamotierung (Verdrängung) der Verantwortung, legt diese allerdings auf breitere Schultern. Hitler war im selben Maße Produkt der in Deutschland bestehenden Verhältnisse, wie er dieselben beeinflußt und ausgenützt hat.

Die Gewaltpolitik des Dritten Reiches auf eine zielgerichtete und machiavellistische Politik des Parteiführers und Diktators zurückzuführen, ist eine begreifliche, aber gleichwohl irreführende Vereinfachung des komplexen Geschehens, die primär apologetischen Motiven entspringt.

©Focal Point 1998  e-mail:  write to David Irving