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Süddeutsche Zeitung

Freitag, 30. Juni 2000

 

BRIEFE AN DIE SZ

 

CDU auf dem rechten Auge blind

Verfassungsschutz-Chef suspendiert / SZ vom 8. Juni

Wie weit ist Deutschland im Jahr 2000 nach dem „Tausendjährigen Reich" und der Vereinigung wieder abgesunken! Ist es doch möglich, dass ein rechtsradikaler Neonazi-Führer wie Thomas Dienel für angebliche Informationen vom Verfassungsschutz mit 25 000 Mark entlohnt wird und dass er dann (laut der ZDF-Sendung „Kennzeichen D") auch noch sein Honorar als „Spendengelder" für die „Szene" betrachtet. Ein Mann wie dieser Dienel, der einen Tag nach dem Tod meines Vaters und Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, im Juli 1992 zwei Schweinsköpfe über den Zaun der Erfurter Synagoge warf und meinen Vater dann auf beigefügten Zetteln als Schwein, das „endlich tot" sei, bezeichnete, steht als Informant im Sold des Verfassungsschutzes!

Dann ein „nur suspendierter" Verfassungspräsident von Thüringen, Helmut Roewer, und ein thüringischer Innenminister Christian Köckert, der den Fall Dienel nur als Auslöser, nicht aber als Ursache für die Suspendierung Roewers bezeichnet. Köckert stört vor allem die Indiskretion, also die Aufdeckung, nicht aber die Sache als solche. Er findet auch, dass die Anwerbung Dienels durch den Verfassungsschutz rechtlich nicht zu beanstanden ist. Wegen dieser Äußerungen sollte er zurücktreten! Aber in dieser CDU-Landesregierung ist man ja schon lange auf dem rechten Auge blind. Leider nicht nur in Thüringen.

Das zeigt sich auch bei der Preisverleihung des Konrad-Adenauer-Preises der Deutschland-Stiftung an Ernst Nolte. Da kann ich Marcel Reich-Ranicki nur beipflichten. Diese CDU zu wählen, ist mir als deutsche Jüdin unmöglich. Um so erstaunlicher ist es, dass ein führendes Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland, Michel Friedman, auch noch im CDU-Vorstand ist.

Evelyn Hecht-Galinski,
Malsburg-Marzell

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