![]() National+Zeitung Munich, 19. Juli 2002, No.30/2002
Neue Quellen, neue Erkenntnisse Auschwitz: Die Wahrheit OB einem Mörder neunzig, elf, sieben, oder fünf Menschen zum Opfer gefallen sind: Es ist für die moralische (und auch strafrechtliche) Verurteilung der Tat egal. Sie ist und bleibt fluchwürdig. Und es kommt bei nachgewiesener Schuld in jedem Falle lebenslängliche Haft heraus. Der Unterschied: Bei neunzig Toten liegt die Annahme viel näher, dass es einen größeren Kreis von Mitwissern, vielleicht sogar Mittätern, gegeben hat als bei fünfen. Außerdem: Würde sich durch akribische Untersuchung herausstellen, dass 85 Menschen weniger dem Verbrechen zum Opfer gefallen sind, als zunächst behauptet oder vermutet, müsste dies, bei aller unverändert fortbestehender Abscheu vor Tat und Täter, jeden anständigen Menschen erfreuen. Wer, wenn nicht seelisch deformiert, sehnte sich nach möglichst hoher Opferzahl? Das vorgenannte Beispiel in eine freilich ganz andere Dimension übertragen: Ob im entsetzlichen NS-Todes und Marterlagerkomplex Auschwitz (im Juni 1940 begründet. im Januar 1945 von der Roten Armee erobert) 9 Millionen Menschen umkamen, 4 Millionen, 1,1 Millionen, um die 700000 oder die Zahl der Gemordeten nur" (welches ,,Nur" eigentlich in noch mehr Anführungsstriche gehört) bei rund 500000 lag: Es ist für die Verurteilung der entsetzlichen Untaten, die dort geschahen, egal. Der Unterschied: Bei vielen Millionen Opfern liegt die Annahme, dass es einen gewaltigen Kreis von Mitwissern und Mittätern gegeben hat, sehr viel näher als bei 0,5 Millionen. Es ist also belangreich für die Frage, ob und inwieweit die Deutschen" in der Art etwa eines Goldhagen mitschuldig zu sprechen seien.
Von 9 Millionen Auschwitz-Toten hat der Franzose Alain
Resnais in seinem bekannten Film Nuit et
Brouillard" berichtet. 4 Millionen Opfer wollte eine
sowjetische Kommission nach der Einnahme des Lagerkomplexes
herausgefunden haben; diese Zahl fand Eingang in die
Nürnberger Anklage der Sieger 1945/46, in eine kaum
übersehbare Fülle zeitgeschichtlicher Werke sowie
sonstiger Medien, und sie stand auch bis Anfang der
90er-Jahre eingemeißelt in vielen Sprachen auf den
Gedenktafeln der Auf 1,1 Millionen taxierte der Historiker und Leiter der
staatlich-polnischen Gedenkstätte Auschwitz,
Franciszek Piper, Die Zahl der Opfer in
Auschwitz" in seinem Werk eben dieses Titels von 1993. Um
die 700 000 (,631 000 bis 711000") Tote hat 1994 der
als Kapazität der etablierten Holocaust-Forschung
geltende Franzose Jean-Claude Pressac in seiner
Veröffentlichung Die Krematorien von Auschwitz"
als nachgewiesen genannt (seine Publikation entstand unter
Förderung der jüdischen ,,Klarsfeld-Foundation").
Kürzlich nun ist der Leitende Redakteur des
Nachrichtenmagazins Veröffentlicht hat Meyer seine Studie Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Neue Erkenntnisse durch neue Archivfunde" in der Ausgabe 5/2002 (52. Jahrgang), Seiten 631-641, des renommierten Periodikums Osteuropa. Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens" der Gesellschaft für Osteuropakunde. Als Präsident der Gesellschaft fungiert Frau Professor Dr. Rita Süssmuth, Ex-Bundesministerin und Bundestagspräsidentin außer Diensten.
Prof. Dr. Rita Süssmuth, Bundesministerin a. D. und langjährige Präsidentin des Deutschen Bundestages, steht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde vor. Ihr Organ Osteuropa" hat die Auschwitz-Erkenntnisse des leitenden Spiegel"-Redakteurs Fritjof Meyer veröffentlicht. Offenbar anregend und ausschlaggebend für Meyers Veröffentlichung ist der Londoner Irving-Prozess gewesen, der schon im Vorfeld, ab vorvorigem Jahr, für Schlagzeilen sorgte. Der britische Historiker David Irving hatte hierbei im Solo die Klingen gekreuzt mit der US-jüdischen Autorin Deborah Lipstadt und einer von dieser ins Gefecht geführten Heerschar von Rechtsanwälten, Gutachtern etablierten Schoahforschern. Irving unterlag schließlich juristisch in seinem Begehren, von ihm als ehrabschneidend empfundene Behauptungen der Lipstadt im Zusammenhang mit seinen revisionistischen Holocaust-Thesen untersagen zu lassen. Er weissagte aber zugleich, dass sich an seinem Verfahren neue Diskussionen entzünden würden, die manches von dem zum Einsturz bringen oder doch zumindest in neuem Licht erscheinen ließen, was bislang als unumstößlich gelten würde.
In Verbindung mit bereits vorliegen-dem, aber kaum beachtetem Material" würden, so Meyer, die nun beigebrachten Quellen gestatten, recht genau die Gesamtzahl der Opfer von Auschwitz zu berechnen". Dass sie eben bei um die 500 000 gelegen haben müsse. Meyer kritisiert an Irving, dass er sich zunehmend wirren
Ansichten angeschlossen habe und auch vor Gericht auf dem
unsinnigen Standpunkt beharrte, ,,es habe in
Auschwitz-Birkenau keine Gaskammern zur Menschentötung
gegeben". Er nennt den britischen Historiker gleichwohl
einen als erfolgreichen Rechercheur ausgewiesenen
Autoren". Meyer bemängelt, dass die Geschichtsforschung aus einsehbaren, aber unzulässigen Gründen das Thema Auschwitz als Forschungsobjekt nicht akzeptiert" habe und dass gewisse Fundsachen" von Revisionisten", die ,sehr emsig Details gesammelt" hätten, von Historikern als Denkanstoß, gar Herausforderung ignoriert" worden seien. Als Beispiel nennt er den Juristen Ernst Stäglich, den er als wohl kaum verhüllten Antisemiten" bezeichnet, der aber immerhin als erster berechtigte Zweifel an manchen Passagen der in der Haft verfassten Niederschriften von Höß geweckt" habe. Professor Martin Broszat jedoch, allgemein als Koryphäe der Holocaust-Forschung angesehen, habe von Höß unter Folterpein genannte, jedes Maß sprengende Geständnis"-Zahlen (z. B. 4 Millionen" angeblich zur Vernichtung vorgesehener Juden aus Rumänien, mehr als zehnmal soviel, wie dort leben) bei Herausgabe der Höß-Papiere einfach fortgelassen". Wenn es denn überhaupt eine gründliche Auseinandersetzung" mit Holocaust-"Revisionisten" gegeben habe wie etwa durch John C. Zimmermann (,Holocaust Denial", erschienen 2000) oder durch Richard J. Evans (Der Geschichtsfälscher", Frankfurt am Main 2001), so seien sie, findet Meyer, noch immer nicht ganz befriedigend". Die ,Wahrheitsfindung", schreibt der Spiegel"-Redakteur in der Zeitschrift der Süssmuth-Gesellschaft mit Seitenhieb auf die von ihm beklagte Ignorierung", dürfe auch nicht davor zurückweichen, sich gelegentlich unwürdiger Werkzeuge zu bedienen". Als Kommandant von Auschwitz hatte Rudolf Höß (unser Bild zeigt ihn Im Gewahrsam der Sieger) von 1940 bis 1943 eines der scheußlichsten KZ aller Zelten geführt. In Polen zum Tode verurteilt [Wochenschauaufnahme: s. unten] wurde er 1947 hingerichtet. Seine Geständnisse stehen als Schlüsseldokumente in Schul- und Geschichtsbüchern, werden fortwährend von Presse, Funk und Fernsehen zitiert, spielen in Verlautbarungen allerart eine prominente Rolle - vom Bundeskanzleramt bis zur Kirchenkanzel. ,Spiegel"-Redakteur Fritjof Meyer beschreibt, wie Höß (von Vernehmungsspezialisten in britischer Uniform) befragt worden ist: Drei Tage Schlafentzug, gefoltert, nach jeder Antwort verprügelt, nackt und zwangsweise alkoholisiert." Auch noch unter Einsatz der Peitsche sozusagen zur Wahrheit und nichts als derselben ermahnt, habe Höß schließlich um 2.30 Uhr nachts mit angestrengter Unterschrift" seinen Namen unter ein Geständnis gesetzt, demzufolge in Auschwitz 3 Millionen Menschen ums Leben gekommen waren, darunter 2,5 Millionen Vergaste. In weiteren Verhören habe Höß gelegentlich 2,5 Millionen insgesamt in Auschwitz Getötete, dann 1,1 Millionen gestanden. Von Auslieferung an Polen bedroht und der Hinrichtung dort, sei er Im Zeugenstand des Nürnberger Tribunals zur 3 Millionen-Zahl zurückgekehrt. Zur weiteren Vernichtung vorgesehen gewesen waren laut Höß-Geständnis beispielsweise ca. 4 Millionen Juden aus Rumänien" sowie schätzungsweise 2 1/2 Millionen aus Bulgarien" Tatsächlich aber habe es, so Spiegel"-Meyer, in Rumänien weniger als ein Zehntel der behaupteten Juden gegeben, und im Falle Bulgarien habe Höß die Zahl der Juden sogar ums Fünfzigfache übertrieben. Der einstige KZ-Kommandant von Auschwitz habe vergebens
gehofft, dass seine von aufgezwungenen und
freiwilligen Irrtümern gespickten" Aussagen bald
auffallen und er Gelegenheit bekommen würde, die Dinge
richtigzustellen, schreibt der französische
Holocaust-Forscher Pressac.. Related items on this website:
|
![]() |