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[Hamburg, den] 4. Dezember 2003 Replik auf Piper von Fritjof Meyer DANK an Franciszek Piper, dass er sich mit meinen Thesen so gründlich und ausführlich auseinandergesetzt hat. Ich erlaube mir, zu antworten und um Publikation auf derselben Website zu bitten. Pipers Rezension ist die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit meiner Studie. Wenn ich selbst Zweifel an dem Resultat meiner Ermittlungen hegte, so hat die Kritik Pipers, des Experten zu diesem Thema, diese Bedenken aber ausgeräumt: Kein einziger seiner relevanten Einwände kann überzeugen, womit ich meine Studie vollauf bestätigt sehe. Wir sind uns darin einig, dass die in Auschwitz begangenen Verbrechen ohne Beispiel sind hinsichtlich ihres Umfangs wie der Methode, und vor allem des geistigen Umfelds: das ehemalige Volk der Dichter und Denker. Die wirkliche Zahl der Opfer, wie hoch auch immer, kann in keinem Fall das singuläre Verbrechen des massenhaften Gasmords mindern. Vielmehr vermag allein die Glaubwürdigkeit nachhaltig zu überzeugen. Und das ist für die moderne Gesellschaft überlebenswichtig, damit folgende Generationen ihre Lehren daraus ziehen können. Eine masslos übertriebene Ziffer aber dient nur den Leugnern und NS-Apologeten. Mein Artikel in "Osteuropa" richtete sich auch gegen die Revisionisten. Auf dem Feld der Propaganda apostrophierte die "Nationalzeitung" die neue Bilanz immerhin als "die Wahrheit" über Auschwitz; damit protokollierte endlich sogar das Sprachrohr der deutschen Rechtsradikalen die Niederlage der Auschwitzleugner. Unter denen testierte der Herausgeber eines in England erscheinenden Periodikums dem Autor des "Osteuropa"-Artikels -- den das ehrt -- "Latrinenparolen" eines "egalitaristischen Umerziehers" und "Diplom-Demagogen". Ein italienischer Auschwitz-Leugner hat immerhin das von mir zitierte, von ihm angezweifelte Dokument über den Umbau der beiden Bauernhäuser "für Sondermaßnahmen", nämlich zum Massenmord, soeben publiziert (wenn auch mit der lapidaren Erklärung: "Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Gebäude als Magazine dienten"). Es ist das Verdienst des Museums Auschwitz und seines Archivs, des APMO, und besonders Franciszek Pipers, die täuschende Zahl von vier Millionen Opfern nach der Wende korrigiert zu haben, auf 1,1 Millionen. Mein Resultat, gewiss nicht die letzte Wahrheit über Auschwitz, ist von Pipers (und ohnehin von Pressacs, auch Reitlingers) Ergebnis weniger entfernt als Pipers Zahl von der sowjetischen. An der exzessiven Übertreibung wurde fast ein halbes Jahrhundert festgehalten, schliesslich immer noch trotz Vorliegen eindeutiger Informationen, die Piper intern vorgelegt hatte. Doch seltsam: Piper meint heute noch, im Blick auf den Mangel an Unterlagen und die äußerst inhaltsreichen Zeugenberichte "we should accept 4.000.000 as a figure that [. . . ] reflected the actual human losses in Auschwitz". Solch Urteil ist eine hinreichende Rechtfertigung für die Publikation meiner Studie, die natürlich im deutschen Wortsinn fragwürdig, worthy of questions, ist, aber nicht böswillig oder leichtfertig, jedenfalls notwendig: Noch im vorigen Jahr konnte ich sehen, dass im Museum Auschwitz ein Leitheft verkauft wurde, in dem der frühere Direktor Kazimierz Smolen [Bild unten, lecturing to German pupils recently] an den vier Millionen festhält. Die Phantasiezahl gründet sich laut Piper auf die Krematoriumskapazität (das ist auch ein Teil meiner Methode, die aber zu einem Zehntel der behaupteten Opferzahl führt) und auf zwei detaillierte Zeugenaussagen (Tauber, Dragon), die aber jahrzehntelang geheimgehalten wurden. Dass beide die von ihnen selbst gar nicht ermittelbare Vier-Millionen-Zahl übernommen haben, spricht eher gegen die Zuverlässigkeit ihrer Zeugenschaft. Die extreme Zahl bedingte einen anderen Tatort als die beiden umgebauten Bauernhäuser. Die Krematorien, in denen der Gasmord immerhin versuchsweise stattgefunden hatte, boten sich dafür an -- obwohl in dem sowjetischen Kommissionsbericht die Krematorien wie überhaupt der Gasmord jeweils nur mit einem Satz erscheinen. Das Ergebnis der Kommission ist nicht allein mit Informationsmangel zu erklären, da ausländische Gutachter, etwa vom Internationalen Roten Kreuz (wie es die Nazis bei Katyn taten), nicht zugelassen wurden, westliches Wissen wie der WRB-Report ignoriert wurde. Die Rote Armee besaß die Unterlagen der Zentralbauleitung, die Sterbebücher [s. links], die Kommandanturbefehle, womöglich sogar das gesamte Lager-Archiv mit über 127 000 Akten, die dem Vernehmen nach demnächst erst vom russischen Innenministerium an Polen zurückgegeben werden sollen. Alle diese Beweismittel wurden nach Piper "destroyed before liberation". Der sowjetischen Untersuchungskommission gehörten neben dem Scharlatan Lyssenko auch zwei Mitglieder an, die zuvor den Fall Katyn untersucht und die Deutschen als Täter benannt hatten. Bereits für Majdanek (1,5 Millionen) und Treblinka (3 Millionen) hatten die Sowjets ähnlich exzessiv übertrieben. Ilja Ehrenburg zählte schon im Dezember 1944 sechs Millionen jüdische Opfer, wobei er alle in deutsche Gewalt gefallenen Juden für ermordet erklärte. Seither, für zwei Generationen, diente die horrende Zahl als "Keule" (Walser) gegen das deutsche Tätervolk, dem ein derart dimensionierter Genozid doch nicht verborgen geblieben sein konnte: Immer noch Kriegspropaganda. Und mehr. Im Kommissionsbericht, der ersten Information für die Welt über das befreite Auschwitz, steht kein Wort davon, daß dies der Ort der Judenvernichtung war. In dem Text, der im Protokoll der Nürnberger Prozesse 21 Druckseiten füllt, kommt nur einmal ein jüdischer Mensch vor -- eine "jüdische Frau namens Bella von Griechenland", in einer Zeugenaussage, daß sie Opfer medizinischer Experimente geworden sei. Auschwitz diente, so die sowjetoffizielle Formel, der Vernichtung von "Bürgern aller europäischen Länder". Warum sie nach Auschwitz deportiert worden waren, fand keine Antwort. Aussagen sind wiedergegeben, in denen etwa eine "Ungarin aus der Stadt Cluj" (Klausenburg), Anna Keppich mit Namen, die Ankunft von "3000 ungarischen Gefangenen" beschreibt -- nichts von der Mordaktion an Zehntausenden ungarischer Juden im Jahre 1944. Bei einigen zitierten Zeugen legen erst die Familiennamen nahe, daß es sich um Juden handelte. Der Untersuchungsbericht enthält einen "Appell an die internationale Öffentlichkeit", die von 27 ehemaligen Häftlingen unterzeichnet ist. Alle waren Juden, doch auch sie werden nur als "Häftlinge aller Nationalitäten" vorgestellt. Auch im Fall des Massakers von Babij Jar, das von denselben beiden Gerichtsoffizieren untersucht worden war, sind im sowjetischen Kommuniqué die Juden als hauptsächliche Opfer verschwiegen worden, und zwar auf Weisung von oben. Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Millionenopfer aus eigenen sowjetischen Verbrechen (Staatsanwalt Rudenko war an Katyn beteiligt) statistisch vertuscht oder aufgerechnet werden sollten: eine Propagandalüge. Deshalb tangiert das Thema auch mein professionelles Interesse als Russland-Experte. Irritationen über eine realistische Dimension aber hat nicht der Autor einer solchen Offenlegung zu verantworten, sondern der Urheber einer annähernden Verzehnfachung der Opferzahl sowie jeder, der an dieser Entwürdigung des Menschheitsverbrechens durch seine Instrumentalisierung teilnimmt. Zur Sache (wobei ich auf Fussnoten verzichte, da die Quellen bekannt sind): In der kurzen Fassung eines Artikels habe ich eine Auseinandersetzung mit Hilberg unterlassen, weil er keine neuen Quellen verwandte; mit G M Gilbert, weil er keine Quellen angab. Langbeins Publikationen habe ich durchaus zu Rate gezogen, obwohl er behauptete (wie sich sogar Höß einmal von dem Psychologen Gilbert einreden liess), das Gas sei aus den Brauseköpfen gekommen -- stets ein sicheres Indiz gegen Augenzeugenschaft. Auch Wellers habe ich nicht herangezogen. Er nannte für Polen, was auch Piper gerügt hat, die extrem übertriebene Anzahl von 600 000 nach Auschwitz deportierten Juden. Seiner Gesamtbilanz rechnete er die ungeborenen Kinder hinzu. In dem Standardwerk von Kogon, Langbein, Rückerl u.a. (Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas, Frankfurt/Main 1983, S.194ff.) nannte Wellers die Aussagen des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß "das wichtigste Zeugnis", jedoch ohne die auch von Piper geteilten Vorbehalte. Wellers benannte folgende weiteren Gewährsleute: Wetzler, Kula, Broad, Feinsilber, die Brüder Dragon, Silberberg, die aber alle für die Krematorien I und II keine Augenzeugen waren; Dejaco und Baer, die nur dem Grunde nach den Gasmord bestätigten; Lettich sowie die vergrabenen Texte (nur über die Bauernhäuser); Mandelbaum, der drei Wochen in Krematorium II arbeitete, dazu aber keine speziellen Angaben gemacht hat; Niyszly, der seine Angaben, insbesondere die maßlos übertriebenen Zahlen, später intern korrigiert hat. Wichtigster Zeuge war Henryk Tauber, der im Krematorium I nur in der Experimentierphase arbeitete, ferner Häftlingsarzt Bendel, der freilich in einem Hamburger Prozess die zwei Wochen vorher vom sowjetischen Ankläger in Nürnberg vorgetragene, fast verzehnfachte Gesamtzahl von vier Millionen Toten übernahm. Pressac bezweifelte, dass Bendel Augenzeuge war. Als Assistent Mengeles musste er den Kollaborationsverdacht fürchten, wie auch Niyszli, und der mit Recht. Bendel behauptete übrigens eine Identität der Gaskammern mit den Kleiderentwesungsanlagen. Zurückhaltend äußerten sich im Frankfurter Auschwitz-Prozess die Zeugen Filip Müller, Paisikovic und Porebski. Keine weiteren Aussagen veröffentlichte Piper 1998 in seinem Beitrag "Gas Chambers and Crematoria" zu Gutman/Berenbaum, Anatomy of the Auschwitz Death Camp, S.183ff., und in Dlugoborski/Piper, Auschwitz 1940-1945 Bd.III S.170ff. Golczewski brachte zu Auschwitz nur zwei Absätze und weitere fünf Sätze (in: Benz, Dimension, S.469). Er behauptete von den 1945 Zurückgelassenen: "Es gelang nicht mehr, diese Zeugen zu töten." Dabei hatten Elie Wiesel und sein Vater die Wahl, ob sie zurückbleiben oder sich auf den Evakuierungsmarsch begeben wollten. Piper zählt auch die erste Auflage des Kalendariums von Danuta Czech aus dem Jahre 1958 (da besuchte ich zum ersten Mal das damals noch chauvinistisch missbrauchte Museum Auschwitz) zu den historiographischen Forschungen, obwohl sie der sowjetisch programmierten Propaganda zuzurechnen war. Darin behauptete Czech ohne jeden Beleg den Gastod vieler Transporte, deren Insassen noch lebten wie die am 13. März 1944 in Auschwitz eingetroffene Simone Veil, die spätere Präsidentin des Europarats. In der dritten Auflage ihres "Kalendarium der wichtigsten Ereignisse" 1999 bei Dlugoborski/Piper, Bd.V, S.184f., fehlt der ganze Transport, wie auch die massenhaften Transporte des August und September 1942 aus Frankreich. Ich stütze mich ausschliesslich auf die korrigierte zweite Auflage von 1989. Die von der polnischen Regierung noch in Nürnberg vorgetragenen "Showers and steambeds" [sic. steam baths?] kamen, anders als Piper meint, auch in Euthanasie-Anstalten nicht als Tötungsmethoden zur Anwendung. Höss' Text "Die Endlösung. . . " erschien mir unergiebig, weil es sich vorwiegend um eine Kompilation seiner erzwungenen Aussagen vom 14. März 1946 mit späteren Ergänzungen, am Ende wohl von fremder Hand, handelt. In den Satz, die beiden Krematorien I und II "konnten innerhalb 24 Stunden ca. 2000 Leichen verbrennen", wurde beispielsweise das Wörtchen "je" eingefügt. Pipers Annahme, "that Höss had every opportunity to correct his testimony before both the IMT in Nuremberg and in Polen", übersieht Höss' Situation: Er fürchtete die Auslieferung an Polen [Bild oben], sein Sohn war mit Sibirien bedroht worden. Immerhin hat er auch einiges widerrufen: In "Die Endlösung. . . " erklärte er seine eigene Angabe von 2,5 Millionen Opfern als "viel zu hoch". Zum angeblichen Fassungsvermögen der Vergasungsräume von 3000 Personen bemerkte er nun: ". . . diese Zahlen wurden aber nie erreicht, da die einzelnen Transporte ja nie so stark waren. . . Die Zahlenangaben ehemaliger Häftlinge sind Phantasiegebilde und entbehren jeder Grundlage." Vor dem polnischen Gericht offenbarte Höss 1947 jene durchschnittliche Betriebsdauer der Krematorien von 8-10 Stunden, die -- bis 2002 unbekannt -- mich zu meinem Artikel veranlasste. In seiner letzten Aufzeichnung vor dem Galgen, den "Erinnerungen", fällt auf, dass er es unterlässt, die Krematoriumskeller als Tatort zu bezeichnen, wohl aber ausführlich die Tötungen in den umgebauten Bauernhäusern beschreibt. Er spricht von "Hunderttausenden" ermordeten Frauen und Kindern. Aber auch da scheint jemand hineinredigiert zu haben: "Nach dem Willen des RFSS [Heinrich Himmler] waren die KL zur Rüstungsfertigung eingesetzt", schreibt er. Der nächste Absatz beginnt genauso: "Nach dem Willen des RFSS. . . " und fährt dann fort: ". . . wurde Auschwitz die größte Menschen-Vernichtungs-Anlage aller Zeiten." Zu 1) Kapazität der Krematoriumsöfen. Als "crucial document" beruft sich Piper auf eine Fassung, die ein Falsifikat darstellt: den "Brief" vom 28. Juni 1943, angeblich unterschrieben von einem SS-Sturmbannführer Jährling. Das Papier ist nicht unterschrieben, auch nicht von dem Zivilarbeiter der Bauleitung (keineswegs "Sturmbannführer") Jährling, wie Piper sogar aus der von ihm selbst zitierten Quelle "SS im Einsatz", S.269, hätte entnehmen können, wo Jährling nur im Verteiler steht. Das ist allerdings die manipulierte Version von 1957, die aus der DDR stammt, laut Piper etwas mysteriös aus "Domburg, BRD" (solch Ort ist nur in den Niederlanden und in Surinam gelegen). In Pipers eigenem Buch "Die Zahl der Opfer von Auschwitz", S.24, befindet sich die Vorlage: das entsprechend manipulierte Faksimilé einer beglaubigten "Abschrift", aus dem APMO. Das Original dazu liegt im Moskauer Sonderarchiv (502/1-314), was in der DDR also schon 1957 bekannt war -- keineswegs "destroyed before occupation". Van Pelt hat dieses Original als Faksimilé veröffentlicht (The Case for Auschwitz, S.343): Jährling steht nur handschriftlich im Verteiler, sein Name wurde hernach auf der Abschrift vom Fälscher maschinenschriftlich an die Stelle der Unterschrift gerückt. Dadurch wurde der Eindruck erweckt, der Brief sei abgesandt worden. Das Original ist nicht unterschrieben, weil es sich nur um einen Entwurf handelte, der offenkundig gerade nicht abgesandt wurde. Denn er stützt sich auf den Bau-Erläuterungsbericht vom 30. Oktober 1941, welcher überholt war, und läuft den ersten praktischen Erfahrungen zuwider. Das belegt nun mein "crucial document", der Brief des Ingenieurs Kurt Prüfer vom 8. September 1942. Dabei ist mir ein ähnlicher Irrtum unterlaufen wie Piper: Beim Erstellen des Artikels habe ich eine handschriftliche Notiz "Buchenwald" als "Birkenau" gelesen. Der Irrtum ist freilich völlig irrelevant, wenn auch Piper meint, "this mistake by Meyer makes unnecessary any further commentary on or evaluation of his findings". Prüfers Brief von 1942 wurde natürlich nicht "nach Fertigstellung der Krematorien" des KL Birkenau verfasst, sondern nach Fertigstellung des ersten von zwei mit Birkenau baugleichen Dreimuffelöfen im KL Buchenwald: Der Ofen war seit zwei Wochen, seit 23. August 1942, in Betrieb, der zweite Ofen dann vom 3. Oktober 1942 an. Das Resultat auf Grund der praktischen Ergebnisse findet sich denn auch noch einmal in einem zweiten Brief Prüfers vom 15. November 1942, Staatsarchiv Weimar 2/555a, Dossier Prüfer, nach Pressac/van Pelt in: Gutman/Berenbaum, S.212: täglich 800 Körper je großem Krematorium. In dem nicht abgesandten Briefentwurf vom 28. Juni 1943 waren irrig 1440 Körper je Krematorium/Tag genannt worden. Zeugenangaben mit Zahlen, die noch darüber hinausgehen, sind zu vernachlässigen: Pipers Angabe, Henryk Tauber habe eine Verbrennung von 2500 Körpern an einem Tag in Krematorium II "testified", entspricht nicht den Tatsachen, Tauber hat das keineswegs bestätigt. Mehr noch, er hat sogar das Gegenteil bekundet (Dlugoborski/Piper, S.291): die Verbrennung von 1492 Leichen aus dem Krakauer Transport vom 14. März 1943 sei in 48 Stunden nicht zu schaffen gewesen. Weitere Errata in meinem Artikel: Die Fußnote 18 gehört zum vorhergegangenen Satz; "Ernst" (Stäglich) in Fn.19 heißt Wilhelm. Das zweite Wort in der Fn. 34 ("Menschen") muss "Krematorien" lauten, die Fn. 39: IMT Bd.VII, S.647, die Klammer in Fn.45: "Fn.19", die in Fn. 45 genannte Fn. 5 recte 19. Zu 2) Durchschnittliche Betriebsdauer von neun Stunden täglich. Diese von Höss angegebene Durchschnittszahl wird von Piper, der den Vorzug geniesst, das Gerichtsprotokoll zu kennen, nicht bestritten und wird durch Pipers weitere Höss-Zitate hinsichtlich der vollen Kapazität abzüglich der defekten Öfen auch nicht widerlegt. Auf Jährlings Angabe eines täglichen Koksverbrauchs von 7840 kg hatte ich verzichtet, obwohl sie bei 1440 Verbrennungen mit unrealistischen 5,5 kg je Leichnam meine Zahlen bestätigen würde. Wenn Prüfers Angaben der Tagesleistung eine Betriebszeit von 12 Stunden betreffen, ändert sich die errechnete Kapazität nicht durch einen zeitweilig doch noch erreichten 24-Stunden-Betrieb, da die von Höss genannten acht bis zehn Stunden ja den Durchschnitt für die gesamte Zeit angeben. Die Bestandsmeldungen des Sonderkommandos aber betreffen gerade nicht einen Durchschnitt für die gesamte Zeit des Krematorienbetriebs, wie die Zahl von Höss, sondern die Zeit der Ungarn-Aktion, als die Krematorien (mit Ausnahme von III) funktionierten und unstrittig besonders viele Menschen ums Leben kamen, und zwar im Gas: Die Tötung von 40 000 bis 42 000 Deportierten aus Ungarn gemäß Kaltenbrunners [links] Mitteilung an Yorck von Wartenburg vollzog sich nicht allein im Oktober, in dem eine entsprechende Anzahl von Menschen -- gemäß Kaltenbrunners Ermächtigung -- ermordet worden ist. In jenem furchtbaren Monat, in dem auch der Aufstand des Sonderkommandos stattfand, wurden auch rund 15 000 registrierte Lagerinsassen im Gas umgebracht, sodass eine entsprechende Anzahl Opfer aus Ungarn schon vorher getötet sein wird. Und selbst wenn die Kapazität der Krematorien höher gelegen haben sollte, wurde sie nach den Zahlen der Eingelieferten nicht gebraucht, weshalb eine anderweitige Verwendung der Bauten stattfand (Unterbringung von Sonderkommando-Häftlingen, Luftschutzkeller) oder mindestens versucht wurde (Badeanlage). Hier sei angemerkt: Stauffenberg (in meinem Artikel: Yorck von Wartenburg) zum lügenhaften "nazi dignitary" zu erklären, ist sehr ungerecht.
Zu 3) Betrieb von Krematorium III Piper beruft sich auf Höss, "that this crematorium 'was frequently inoperative'". Ich habe Höss wörtlich zitiert, aus "Die Endlösung. . . " (Kommandant in Auschwitz, S.165): "III fiel nach kurzer Zeit gänzlich aus und wurde später überhaupt nicht mehr benutzt" . In diesem Krematorium wohnten sehr bald die Mitglieder des Sonderkommandos. Die Zahl von 87 Heizern für die Krematorien III und IV betrifft dem Umfang nach nur das Personal des Krematoriums IV, vielleicht zuzüglich im Krematorium III lebender, in Bereitschaft stehender Heizer.
Zu 4) Verbrennungszeit von drei Körpern. Laut Wetzler, der sich auf Müller stützte, betrug die Verbrennungszeit eines Körpers 90 Minuten. Beobachtungen von Häftlingen, sie habe nur 30 Minuten oder -- völlig abwegig -- noch weniger Zeit betragen, habe ich zu verstehen versucht: mit dem gleichfalls berichteten Nachladen einer Muffel nach einer halben Stunde, sodass (maximal) drei Leichen in anderthalb Stunden verbrannt wurden. Das Resultat ist eigentlich dasselbe, wenn man nicht wie Piper annehmen möchte, in anderthalb Stunden seien neun Körper eingeäschert worden. In den modernsten Krematorien von heute dauert die Einäscherung eines Leichnams mindestens 45 Minuten. Piper beruft sich auf Tauber, dessen Zeugnis ich "very carelessly" gelesen haben soll. Tauber, der sogar acht Körper in einer Muffel zur Einzelverbrennung für möglich hielt, sagte laut Piper: "According to the regulations, we were supposed to charge the muffles every half hour. . . In principle he did not let us put more than three corpses in one muffle." Das bestätigt auch carefully meinen Standpunkt. Piper hat einen Satz ausgelassen, der nun gänzlich absurd ist: "Ober Capo August explained to us, that according calculations and plans for this crematorium, 5 to 7 minutes was allowed to burn one corpse in a muffle." Selbst Piper traut Aussagen, fünf Körper hätten sich in 20 Minuten einäschern lassen. In Wahrheit war ja in den 15 Muffeln die Verbrennung von 1492 Leichen in 48 Stunden nicht zu schaffen. Zur Betriebszeit der Krematorien (971 Tage in Krematorien I und II, 359 Tage in III und IV) bezichtigt Piper mich der Spekulation. In meinem Artikel, Fn.19, habe ich die Quelle angegeben. Sie stützt sich auf folgende im APMO aufbewahrten Unterlagen: Aktenvermerk v. 17.3.1943 über Beschädigung Kr.I, Dokument BW 30/7/34, S.54; Zentralbauleitung an Topf v. 17.7.1943 über Reparaturen vor der Vollendung, BW 30/34, S.17; Risse am Ofen des Kr.III, BW 30/34, S.42; Schornstein Kr. I und III beschädigt laut Telegramm an Topf v. 14.5.1943, BW 30/34, S.41f.; 20 Ofentüren von Kr.I und II vom 21.10.1943 bis 27.1.1944 sowie vom 3.4. bis 17.10.1944 reparaturbedürftig, Dpr.-Hd/11a, S.95f.; 7 Ofentüren vom 20.6. bis 20.7.1944 reparaturbedürftig, Czech S.789. ZU den Gesamtzahlen, deren Errechnung ich für den Zeitschriftenartikel -- vielleicht verwirrend -- hatte verkürzen müssen und deren Ermittlung schwierig, auch widersprüchlich ist, aber zumindest grosso modo eine reale Vorstellung von der Dimension des Jahrtausendverbrechens erlaubt:
Meine Bilanz: Von den 318 000 Nichtregistrierten wurden 39 000 überstellt, 279 000 starben demnach im Gas. Von den 180 000 Deportierten aus Ungarn wurden 110 000 überstellt, 29 000 nachregistriert, 41 000 starben im Gas -- insgesamt erlitten dieses furchtbarste Schicksal demnach 279 000 Nichtregistrierte sowie 41 000 aus Ungarn, zuzüglich der Registrierten, nach der vorstehenden Hypothese 82 500, mithin 402 500. In meiner Rechnung gibt es in der Tat einige Unsicherheitsfaktoren. In der letzten Bestandsmeldung vom 17. Januar 1945 fehlen zwölf der insgesamt 28 Nebenlager. Auch die Zahl der zurückgelassenen, befreiten Häftlinge dürfte wesentlich höher liegen. Der Chef des medizinischen Dienstes der sowjetischen 100. Schützendividion, S.Amaglobi, meldete am 20. Januar 1945 nicht nur recht zutreffend den Abtransport von 60 000 Häftlingen aus Auschwitz durch die SS, sondern auch 15 000 bis 20 000 zurückgebliebene Gefangene, also nicht nur 8 500 (und auch nicht nur Schwerkranke). Der Politchef der 60.Armee rapportierte 17 000 Befreite; er sah auf den Straßen "unendliche Menschenmengen" ehemaliger Häftlinge. Um diese Zahlen könnte sich die zuvor errechnete Zahl der Gasopfer vermindern, sodass entsprechend meine Schätzung von 356 000 im Gas Ermordeten annähernd zuträfe. Die Summe der nach den Sterbebüchern Verstorbenen und der nach obiger Bilanz im Gas Ermordeten liegt mit 482 500 unter der von mir als Minimum angenommenen halben Million Opfer von Auschwitz. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Opfern in Massengräbern sowie außerhalb des Lagers Eingeäscherten: die anfangs in die Euthanasieanstalt Pirna oder in das Krematorium von Gleiwitz Verbrachten und weitere, in eigenen Krematorien der Nebenlager Trzebinia, Blechhammer und Charlottengrube Verbrannte. Mindestens 10 000 Polen, zum Teil verurteilt vom Standgericht Kattowitz, wurden erschossen. 1700 "Zigeuner" sind nicht registriert worden. Schließlich wurden rund 1500 Häftlinge regelrecht freigelassen und mindestens 500 konnten flüchten. Die laut Pressac vom APMO vorgenommene Schätzung der Sterbebücher für 1944 scheint mir zu niedrig zu sein. 482 500/510 000 in Auschwitz ums Leben gekommenen Menschen, das ist eine noch immer schwer vorstellbare, erschütternde, mit den Opfern der übrigen Vernichtungslager historisch unikale Zahl -- soviel wie sämtliche Einwohner von fünf Großstädten, mehr als zusammengenommen in Hiroshima und in Workuta starben, zehnmal soviel wie unter den Bomben in Berlin, oder drei Jahre lang jede Woche ein Massaker wie im World Trade Center von New York. Von ihnen wurden nach meiner Rechnung die 12 000 Toten der Jahre 1940/41 (vgl. Pressac, S.195) im Krematorium des Stammlagers und hernach rund 314 000 in den vier Birkenauer Krematorien eingeäschert sowie laut Höss 107 000 Tote des Jahres 1942 unter freiem Himmel verbrannt, was meiner Ansicht nach auch mit mindestens 40 000 Toten des Jahres 1944 geschah. 9000 bis maximal 37 000 müssten demnach im alten Krematorium des Stammlagers 1942 bis Juli 1943 eingeäschert worden sein. Bei Bestückung einer Muffel mit einem Körper reichte die Kapazität dieses alten Krematoriums hypothetisch für 24 000 Verbrennungen. Piper aber meint, die Verbrennung von 107 000 Opfern sei eine "pure manipulation [. . . ] from Höss", ihre von mir gemutmaßte Verlängerung bis in den Winter 1942/43 hinein "a hypothesis not based on any facts". Offen bleibt wirklich, wie ich in meinem Artikel dargelegt habe (und Piper mir nun vorhält), was mit den weit über 100 000 im Winter 1942/43 nach Auschwitz verbrachten, nicht registrierten Opfern geschah. Darüber gibt es keinerlei Zeugenaussagen. Überstellungen waren wegen der Lagersperre nicht möglich. Ein ungelöstes Problem: Was geschah mit ihnen? Ich gehe davon aus, dass die meisten im Gas, in den Bauernhäusern, ermordet und auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Massengräber durften nicht mehr angelegt werden. Für die Verbrennung der Leichen standen die neuen Krematorien noch nicht zur Verfügung; das alte Krematorium, das nach Höss kaum funktionierte und im Juli 1942 auf unbekannte Dauer ausfiel, hätte selbst bei drei Leichen in einer Muffel, also täglich 150 Verbrennungen, annähernd nur die in den Sterbebüchern verzeichneten Toten einäschern können.Was aber geschah mit den Leichen, wenn sie, wie Piper meint, nicht unter freiem Himmel verbrannt worden sind? Pipers Kritik betrifft hauptsächlich die Zahl der zur Tötung eingelieferten, also der Nichtregistrierten. Dabei geht es zunächst um die aus Ungarn nach Auschwitz Transportierten, die nicht registriert worden sind. Ich berufe mich überhaupt nicht, wie Piper meint, auf eine Relation zwischen den täglich eingehenden Transporten und der Zahl der Registrierten, sondern schlicht auf den von Czech notierten Eingang von Transporten. Meine gesonderte Untersuchung der Deportierten aus Ungarn werde ich veröffentlichen, wenn Piper es wünscht, die Website dafür geeignet ist. Darin stütze ich mich vor allem auf Zahlenangaben aus den Deportationszonen selbst. Die etwa doppelt so hohen Zahlen des deutschen Diplomaten Edmund Veesenmayer stammen von der ungarischen Polizei, die ihre Gründe für Übertreibungen hatten. Für die Überstellung von 110 000 Juden aus Ungarn in andere Konzentrationslager nenne ich in erster Linie Gerlach/Aly als Quelle, was Piper ignoriert, wobei er mich aber der Manipulation bezichtigt. Er zitiert nur Strzeleckis Zahlen, aber nicht genau: Strzelecki nennt in seinen Listen (S.349ff.) für Mai bis Oktober 1944 exakt 104 550 Häftlinge, "die registriert [und] nach anderen Konzentrationslagern verlegt wurden". Aber Strzelecki beziffert außerdem noch Nichtregistrierte. Er fügt hinzu (S.352, Anm.), in diesem Zeitraum "gingen ohne Registrierung mehrere Zehntausend, höchstwahrscheinlich bis zu 100-tausend jüdische Häftlinge durch das Lager Birkenau". Piper meint, "durch das Lager" bedeute nicht, dass sie es verlassen hätten, sondern schliesse auch den Gastod ein. Wenn es so zu verstehen wäre, hiesse das: Maximal 100 000 nichtregistrierte Häftlinge wurden vom Mai bis Oktober 1944, zur Zeit der Ungarn-Aktion, im Gas ermordet. Das entspräche aber viel eher meinen Zahlen als der These von den 400 000 Getöteten aus Ungarn. Tatsächlich war Birkenau für viele ein "Durchgangslager", sie hielten sich nur kurz im Lager auf wie Imre Kertecz, der spätere Nobelpreisträger, der sich nur zwei bis drei Tage im Lager befand. Ferner geht es um die Deportierten aus Polen, für die Piper, dem auf Quellen verzichtenden Gilbert folgend, weit höhere Zahlen angibt als Danuta Czech im Kalendarium und auch als die Hauptkommission zur Ermittlung der Hitlerverbrechen in Polen (in: Obozy hitlerowskie na ziemiach polskich 1939-1945, Warschau 1979). Dies sei, da es Pipers Spezialthema ist, ausführlicher dargelegt.
Folgende von Piper notierten übrigen Deportationen von Juden aus Polen bestätigt Obozy dem Grunde, nicht der Zahl nach:
Hierfür beruft sich Piper auf Czechs Kalendarium von 1989 und Gilberts quellenlosen Atlas. Doch 1999 rechnet Czech nur zwei dieser Transporte (Szebnie und Pustkow) den noch erwähnenswerten "wichtigsten Ereignissen" zu. Obozy wie die Tabellen des Jüdischen Instituts Warschau können folgende von Piper angeführten Transporte nicht bestätigen:
Zur Stärke des Transports am 6. Dezember 1942 aus Mlawa hielt Lajb Langfus fest, soweit lesbar: "Die Männer arbeits . . . dagegen stellten sich die Kinder sehr schnell in einer langen Reihe auf. . . . alte Leute, wie auch . . . besonders junge, gesund aussehende Männer . . . Man bemühte sich, die Vortäuschung aufrechtzuerhalten, dass die arbeitsfähigen Menschen wirklich arbeiten. Die beiden ausselektierten Männergruppen standen inzwischen und beobachtete . . . wie riesige, sehr hell erleuchtete Autobusse . . . mit grosser Geschwindigkeit hin und her fuhren. In grosser Spannung blickten die Männer in Richtung der in Reihen stehenden Frauen und Kinder. Da bewegten sie sich; sie sehen, wie sie artig in die Autos steigen. . . " -- "Nach den Frauen und Kindern fuhren die arbeitsunfähigen Menschen fort. . . Danach überzeugten wir uns, dass in der ersten Gruppe vierhundertfünfzig, und in der zweiten Gruppe fünfhundertfünfundzwanzig Menschen gezählt wurden. Die SS-Männer führten uns zu Fuß [. . . ] ins Lager Birkenau." Piper meint, die nach seiner Schätzung insgesamt 2500 Personen hätten sich in drei Gruppen geteilt: Frauen und Kinder die eine, die vernichtet wurde, ebenso wie eine der "beiden ausselektierten Männergruppen". Die dritte Gruppe seien Männer gewesen, die ins Lager kamen. Ich lese diese Passagen so: "Die beiden ausselektierten Männergruppen" waren 450 alte und junge Männer, die ins Lager kamen. Dort wurden laut Czech (zweite Auflage 1989, aber 1999 nicht mehr erwähnt) 406 von ihnen unter Nr.80 262 bis 80 667 registriert, während die übrigen 44, nämlich die zweite ausselektierte Männergruppe, unregistriert blieben. Am Schluss des Langfus-Textes sind zwei andere Gruppierungen genannt: einmal diese 450 Männer, zum anderen 525 Frauen, Kinder und arbeitsunfähige Menschen, die mit Bussen abtransportiert wurden. Zusammen 975 Menschen, die Stärke des gesamten Transports.
[Die Existenz der Gaskammern] Piper lobt Pressacs Verdienst, die Existenz der Gaskammern in den Krematorien "ohne jeden Zweifel bewiesen" zu haben. Dem lässt sich nicht folgen. Als "absoluten und unwiderlegbaren Beweis für die Existenz einer Gaskammer" nannte Pressac die Brauseköpfe (die er für Attrappen hielt), weil auf dem vorhandenen Bestellzettel dafür zugleich eine "gasdichte Tür" geordert wurde: Die komme nur in Frage bei einer Gaskammer, meinte Pressac. Auch Deborah E. Lipstadt stellte die Frage (in: Betrifft: Leugnen des Holocaust, Darmstadt 1994, S.273): "Wozu hätte man in einem Duschraum eine gasdichte Tür benötigt?" Doch Kulka/Kraus berichteten (Die Todesfabrik, Berlin 1957, S.71) von der Sauna: "Dieses Bad bestand in Birkenau aus zwei Räumen, die durch eine luftdicht abschließbare Tür voneinander getrennt waren." Inzwischen haben sich im Moskauer Archiv die Bestellzettel für 22 "gasdichte" Türen der Entwesungsbaracken, davon zwei für die zugehörigen Saunen, finden lassen. Der Zyklon-B-Mord war nicht schon bei Beginn der Bauarbeiten an den Krematorien vorgesehen, sonst hätten für das Einschütten nicht kurz vor den Experimenten Löcher in die Decken des Leichenkellers geschlagen werden müssen. Unrichtig ist Pipers Ansicht, dass die Entlüftungsanlage des Leichenkellers B (für: "Belüftet") doppelt so stark wirkte wie eine ebenso starke für den doppelt so großen "Entkleidungskeller". Laut Rechnung der Fa. Topf vom 22.2.1943 (Moskauer Archiv 502-1-327) hatte der Entkleidungskeller einen Drehstrommotor von 5,5 PS für die Entlüftung, der B-Keller zwei Drehstrommotoren von je 3,5 PS für die Be- und für die Entlüftung. Demnach war die (technisch ohnehin kontraproduktive) Entlüftung des zum Gasmord vorgesehenen B-Kellers schwächer als jene in dem zur Entkleidung der Opfer vorgesehenen, doppelt so großen Kellerraum. Website illustration Über Czechs auf Vermutung beruhende Eintragung "Die übrigen wurden vergast" auch noch in der zweiten Auflage des Kalendariums 1989 habe ich in meinem Artikel das Notwendige gesagt. Piper hält die Berichte "zahlloser Augenzeugen" entgegen, der "Tausenden von Gefangenen in Birkenau", welche den Gang der Opfer zu den Gaskammern beobachten konnten. Doch der Weg führte -- was nicht mehr beobachtet werden konnte -- zu den Gaskammern in den Bauernhäusern, vorbei am Aufnahmegebäude (der Zentral-Sauna, die von drei Zeuginnen, die sich darin aufhielten, mit einer Gaskammer verwechselt wurde). Nur in wenigen Fällen ließ sich ein Betreten der Krematorien beobachten. Unter einem Augenzeugen des Gasmords ist zu verstehen, wer den Eintritt der Opfer in die Gaskammer, das Einschütten des Zyklon und danach die Leichen gesehen hat, und zwar in einem einheitlichen Vorgang. Nur ein einzelner Schritt in dieser Sequenz könnte auf einen anderen Tatbestand deuten:
Unter diesen Voraussetzungen lässt sich für die ganze Sequenz, also eine andauernde Verwendung der Leichenkeller als Gaskammern, ein halbes Dutzend Zeugen finden (einmal abgesehen von jenen, die sich erst 50 Jahre danach, nicht konkret oder widersprüchlich erinnert haben): Tauber für die Experimentierphase und die anfechtbaren Beobachter Höss, Bendel, Niyszly und Müller, unter Umständen auch Paisikovic. Für den Gasmord in den beiden Bauernhäusern lassen sich hingegen 41 Augenzeugen benennen. Auch für diesen Themenkomplex bedarf es einer umfassenden speziellen Untersuchung, die ich vorlege, wenn der Wunsch nach einer Publikation besteht.
Ausserordentlich begrüssenswert ist es, dass Piper nun bestätigt, was in der Literatur bisher so kaum herausgestellt wurde: Die vier Krematorien waren laut Piper gebaut worden waren, um jedes Jahr 1,6 Millionen Menschen im Gas zu töten. Doch sofort nach ihrer Inbetriebnahme ging die Zahl der nach Auschwitz Deportierten ohne Registrierung dramatisch zurück, und zwar auf Befehl Himmlers und für die Dauer fast eines Jahres. Danach kamen hauptsächlich die Juden aus Ungarn, die auf Hitlers Befehl aber zum Bau seiner "Wunderwaffen" nach Deutschland gebracht werden sollten. Die ungarische Polizei fügte arbeitsunfähige Familienangehörige hinzu, die ermordet wurden. Der Rückgang der Morde gleich beim Beginn des massiven Krematoriumbetriebs ist nicht damit erklärt, dass "the majority of Jewish communities had already been liquidated": Bis zu 700 000 polnischer Juden lebten noch und die überwiegende Mehrzahl der Juden in Frankreich, Rumänien, Bulgarien, Italien, Dänemark, Ungarn -- über eine Million. Schon gar nicht reicht Pipers Erklärung, dass doch weiterhin registrierte Häftlinge "verstorben" seien, durch Hunger, Krankheit, Phenol, Erschiessen "and also selected for the gas chamber". Sie alle hätte ich als Gasopfer reklamiert, hält mir Piper auch noch vor. Er hat das Problem, fürchte ich, nicht erkannt. Ich habe lediglich zu bedenken gegeben, dass in den auf Himmler-Befehl und Krematoriumsbestrieb folgenden elf Monaten die Zahl der Einlieferungen ohne Registrierung, also der potentiellen Opfer des planmäßigen Gasmords, auf 242 je Tag gesunken ist. Himmlers Stop-Befehl, von Piper zu einem Erlass von Glücks heruntergestuft, ist bislang kaum beachtet worden.
Piper verwirft dieses Zeugnis auch unter dem Aspekt, dass es als Motiv für die Massenmorde allen Fakten zuwiderlaufe. Aber Piper kennt doch auch die andere, vom SS-Untersturmführer Kinna überlieferte Äußerung Aumeiers vom Dezember 1942 zur Einlieferung nichtjüdischer Polen (Dlugoborski/Piper, Bd. II, S.258f.): "Beschränkte, Idioten, Krüppel und kranke Menschen müssen in kürzester Zeit durch Liquidation zur Entlastung des Lagers aus demselben entfernt werden. Diese Maßnahme findet aber insofern eine Erschwerung, da nach Anweisung des RSHA entgegen der bei den Juden angewendeten Maßnahme, Polen eines natürlichen Todes sterben müssen." Der so getarnte Massenmord an "unnützen Essern", primär also aus wirtschaftlichen Interessen, bedeutet ein Menschheitsverbrechen sondergleichen. Dafür liegt auch der ansonsten vermisste direkte Befehl Hitlers vor, rückdatiert auf den Tag des Kriegsbeginns und zunächst in die Tat umgesetzt an 70 000 Deutschen (durch Gas). In jenem April 1943, als die Birkenauer Krematorien anfingen und Himmler stoppte, protokollierte ein Dolmetscher Hitlers einziges Eingeständnis des Genozid in Polen, abgegeben gegenüber dem ungarischen Reichsverweser Horthy -- und immer noch im Sinne seines exzessiv ausgelegten Euthanasiebefehls von 1939: "Wenn die Juden dort nicht arbeiten wollten, würden sie erschossen. Wenn sie nicht arbeiten könnten, müßten sie verkommen." Es waren eben wirtschaftliche Erwägungen, die auch zur Zwangsarbeit führten, welche mit "Vernichtung durch Arbeit" allein nicht begründet ist. Die Betriebe und sogar Himmler hatten durchaus ein Interesse an einer Erhaltung der Produktivität ihrer Sklaven. Piper selbst hat von SS-Stellen berichtet, "die zuweilen einen zu schnellen Verschleiss der Arbeitskraft befürchteten und dann zugunsten der Häftlinge intervenierten" (Dlugoborski/Piper, Bd.II, S.153). Auch er bemerkt, dass "economic considerations" die Nazis von einer Liquidation des Lodzer Ghettos abhielten. Piper ist ratlos angesichts des Stop-Befehls Himmlers, hält ihn gegebenenfalls für "a literal interpretation of the ruling". Der bald nach Stalingrad ergangene Befehl erklärt sich aber damit, dass Deutschland die elementar notwendigen Arbeitskräfte fehlten -- was Hitler im Jahr darauf zu dem Befehl brachte, nun 200 000 Juden aus Ungarn zur Zwangsarbeit einzusetzen, und zwar in Deutschland, das er doch "judenfrei" hatte sehen wollen. Himmler erlaubte nur noch die Tötung der geisteskranken Häftlinge und befahl sogar eine leichte Beschäftigung der weiterhin Bettlägrigen in Auschwitz. Dass es nicht nur ein Vernichtungs-, sondern auch ein Arbeitslager war, bestreitet Piper und ignoriert damit etwa die verbrecherische Rolle der IG Farben. Dabei hat er selbst 1999 die Zahl der in Industriebetrieben eingesetzten Auschwitz-Häftlinge für 1944 mit 42 538 beziffert (Dlugoborski/Piper, Bd.II, S.144). Beinahe ebensoviele Arbeitsunfähige befanden sich außerdem im Lager. Ein Dokument (Moskauer Archiv 502-1-26, S.85), protokolliert einen Vortrag von Höss gegenüber Kammler am 22. Mai 1943, also gleich nach Himmlers einschränkendem Befehl: "Dazu kam in letzter Zeit die Lösung der Judenfrage, wofür die Voraussetzung für die Unterbringung von zunächst 60 000 Häftlingen, die innerhalb kurzer Zeit auf 100 000 anwächst, geschafft werden musste. Die Insassen der Lager sind überwiegend vorgesehen für die in der Nachbarschaft erwachsende Großindustrie. Das Lager birgt in seinem Interessengebiet verschiedene Rüstungsbetriebe, wofür regelmäßig die Arbeitskräfte zu stellen sind." Zu vernichten war -- bis zum Frühjahr 1943 und ab Frühsommer 1944 -- der größte Teil der Arbeitsunfähigen, gemäß der Aktion 14f13 und nicht nur in Auschwitz. Golczewski schreibt über Majdanek, "dass man sich die 'Durchfütterung' der nicht-arbeitenden Juden nicht mehr leisten wollte", und: "Auf die Zusammenhänge zwischen 'Euthanasie' und 'Endlösung' stösst man wiederholt". Gerlach bemerkt sie sogar für die Massenexekutionen durch die Einsatzgruppen. Er nennt neben anderen Beweggründen die "Ernährungspolitik" als Grund für die Ermordung der Juden des Generalgouvernements und verweist auf einen Hitler-Befehl, derart "die europäische Ernährungsbilanz zu entlasten". Website illustration, above: A minor puzzle. On April 20, 1942 Himmler visited Hitler for birthday celebrations. That day he noted a phone conversation with SS Obergruppenführer Heydrich, with instructions that there was to be no liquidation of gypsies. Conformist historians like to ignore such genuine documents. Ideologische und imperialistische Motive der regierenden Massenmörder bestimmten erst die Reihenfolge der Ausrottung "unnützer" Opfergruppen: behinderte deutsche Kinder, behinderte deutsche Erwachsene, polnische Bildungsschicht, russische Kriegsgefangene, wehrfähige, dann alle Juden in Russland, behinderte Russen, schliesslich millionenfach Juden in Polen und aus Westeuropa, und zwar arbeitsunfähige (deshalb die Selektion!); arbeitsunfähige Sinti-"Mischlinge", dann auch einige schwerverwundete deutsche Soldaten und im Bombenkrieg verwirrte Zivilisten, und als Projekt: 35 000 polnische Tbc-Kranke auf Vorschlag eines Gauleiters, 30 Millionen Slawen auf Vorschlag der Staatssekretäre und Himmlers -- endlich nach Hitlers sozialdarwinistischem Willen auch das ganze deutsche Volk: "So soll es vergehen und von einer anderen, stärkeren Macht vernichtet werden." Aus dem ökonomischen Ursprung der Massentötungs-Intention lassen sich in der Welt von heute, in der über den Wert eines Menschen seine Produktivität bestimmt, weitaus konkretere und aktuellere Lehren ziehen als aus einer nicht vorstellbaren und nicht belegbaren Phantasmagorie. Zum Gasmord an registrierten Lagerhäftlingen nach dem Stop-Befehl und der Inbetriebnahme der Krematorien äußerte sich Czech (Kalendarium 1989, S.478, Fn.): Auf Grund der Entscheidung des Reichsführers SS "ändert sich die Behandlung der Kranken in den Blöcken des Häftlingskrankenhauses des KL Auschwitz. Die Tötung schwerkranker Häftlinge durch Phenolspritzen bzw. durch Giftgas wird eingestellt. Im folgenden Monat sinkt die Zahl der täglich im Leichenhallenbuch des Stammlagers verzeichneten Toten auf unter 30, an einzelnen Tagen sogar auf unter 20. Die Reviere des Häftlingskrankenbaus werden allmählich aus einem 'Vorhof des Todes' zu medizinischen Einrichtungen, deren Zweck die Rettung von Menschenleben ist. Jüdische Häftlinge werden ab August 1943 wieder selektiert." Dass bis dahin kein Gas-Massenmord mehr stattgefunden hat, der von den Häftlingen hätte beobachtet werden können, bestätigt Ella Lingens (Prisoners of Fear, London 1948, S. 69f.; Gefangene der Angst, Wien-Frankfurt/Main 2003, S.161ff.). Später hat sie auch nur den Weg in Richtung Krematorien beobachten können, weiter nicht. Im Häftlingskrankenbau des Stammlagers sank Anfang 1944 die Todesrate von zuvor 600 auf täglich zwei bis drei Häftlinge, so der Häftlingsschreiber Tadeusz Paczula in: Staatliches Museum Auschwitz (Hrsg.): Sterbebücher von Auschwitz, München /New Providence/London/Paris 1965, S.54. Rudolph Kastner in Budapest bekam aus Bratislava im Frühjahr 1944 die Mitteilung, "dass in Oswiecim fieberhaft an der Wiedereinrichtung der Gaskammern und des Krematoriums gearbeitet werde, die monatelang nicht in Betrieb waren" (Nbg. Dok. PS-2605, S.5). Piper widerspricht meiner Ansicht, vom Frühjahr 1943 bis zum Frühjahr 1944 seien dennoch die Gasmorde im Bunker II ("Weisses Haus", mit Dank für Pipers Korrektur) unauffällig fortgesetzt worden, wenn eben auch in weit geringerem Umfang als zuvor und danach: an kranken jüdischen Lagerhäftlingen und einer "majority" der 81 000, die im Verlauf jener elf Monate ohne Registrierung eingeliefert wurden. Dass dies nicht "mehrfach", sondern nur einmal täglich geschah, entspricht den von Piper genannten "periods of less frequent transports", also eben diesem Zeitraum. Bestätigt wird es von Zeugen wie Dragon (in Piper: Die Zahl, S.207f.) und dem Umstand, dass beide Bunker keine Ventilation besassen und deshalb, so auch die Betriebsanweisung, wenigstens 24 Stunden gelüftet werden mussten. In jedem Fall hätte allein der Bunker II nach meiner Schätzung doppelt, nach Pipers Angabe dreimal soviel Raum geboten, um in einer Mordaktion täglich sämtliche vom Juni 1943 bis zum April 1944 eingelieferten Nichtregistrierten zu töten (242 je Tag). Ich habe ausdrücklich festgestellt -- anders als es Piper mir vorhält -- , dass der Bunker I, das "rote" Bauernhaus, nur bis zum Frühjahr 1943 als Mordstätte benutzt wurde. Aber es bedurfte eben auch nicht der Keller in den Krematorien. Piper bezweifelt meine Schätzung, die Kammern von 90 qm -- also kein Straßenbahnperron -- seien jeweils mit maximal über 400 Opfern besetzt worden. Van Pelt, der renommierte Gutachter gegen Irving, nennt sogar nur 250 Personen, Piper aber 800. Das hieße fast neun Menschen je Quadratmeter, auf der Fläche einer Telefonzelle oder von vier Terrassen-Betonplatten. Das Frankfurter Landgericht ging im Auschwitz-Prozess 1965 (noch für die Krematoriumskeller, nach damaligem Wissensstand) von 3,5 Personen je Quadratmeter aus; ich habe für die Bauernhäuser fünf angenommen. Was Pipers Vermutungen über meine Intentionen betrifft, möchte ich eine persönliche Bemerkung anfügen. Im Rahmen der antifaschistischen Jugenderziehung habe ich 1958 kurz nach der Eröffnung des Museums Auschwitz 600 Mitglieder des Berliner Landesverbandes der Sozialistischen Jugend Deutschlands -- Die Falken -- nach Auschwitz geleitet. Allein mit einem Museumsangestellten ging ich über die Wiesen der Umgebung. Ich äußerte ihm mein Unverständnis für die angeblich vier Millionen Opfer, die keinerlei Spuren hinterlassen hätten. Der frühere Häftling zog ein Messer aus dem Stiefelschaft, hob einen Grasboden ab, stach in die Erde und zeigte mir auf der Messerschneide Bruchstücke menschlicher Knochen. Das konnte das sein, was von Verwandten und Freunden meiner Familie geblieben war. Für mich ein Trauma, das aufzuarbeiten ich mich seither bemühte, wozu die irritierend unglaubhafte Millionenzahl gehört. Nach 45 Jahren muss es erlaubt sein, die Bilanz zu ziehen. Fritjof Meyer
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