Raul
Hilberg fordert eine andere Sicht des HolocaustViele
Faktoren
WENN
EINE Ikone beschädigt wird, ist dies für ihre
Bewunderer ein schmerzhafter Anblick. Mit einer
wegwerfenden Handbewegung leitete der amerikanische
Politologe Raul Hilberg, Autor des 1961
veröffentlichten und mehrfach erweiterten Werkes
Die Vernichtung der europäischen Juden", seine
vernichtende Kritik ein. Der deutsche eliminierende
Antisemitismus als der alleinige Faktor des Holocaust --
diese These Daniel Goldhagens (Hitlers
willige Vollstrecker") sei falsche Münze". Die
Zuhörer seiner Gastvorlesung in der Universität
Hannover sträubten sich; Hilbergs vielschichtiger
Erklärungsversuch des Massenmordes an den Juden
stieß auf wenig Zustimmung.
Dabei sezierte Hilberg mit vielen Details Goldhagens
Werk. Sein Buch Das Goldhagen-Phänomen"
erscheint demnächst in Deutschland. Die von
Goldhagen vorgestellten deutschen Polizeibataillone, die
in Polen und im Baltikum Juden erschossen, hätten
viele Luxemburger in ihren Reihen gehabt. Sie waren
keine Deutschen, wo war ihr antisemitisches Weltbild?"
fragte Hilberg.
Für Hilberg steckte hinter dem Holocaust kein
klares Weltbild, sondern ein buntes Allerlei". Eine
Zentralstelle für den Judenmord existierte im
Dritten Reich nie, selbst ein von Hitler unterzeichneter
Mordbefehl ist bisher nicht gefunden worden. Für
Hilberg bleibt der Holocaust auch nach fünf
Jahrzehnten Forschung ein Thema, für das er keine
rationale Erklärung gefunden hat. Im Grunde
genommen verstehe ich die ganze Sache nicht.
Alexander Dahl