"Ein
Leben, bestimmt durch Befehle" Adolf
Eichmann über seine Jugend und
Erziehung -- Erster Teil der bisher
unveröffentlichten Erinnerungen
Heute beginnt die WELT
mit dem Abdruck der Rohfassung der
Erinnerungen Adolf Eichmanns, deren
Manuskript der Redaktion vorliegt. Der
Text wurde weder sprachlich noch
orthografisch bearbeitet.
Meine Memoiren
Einleitender
Vermerk HEUTE, 15 Jahre und einen Tag nach dem
8. Mai 1945, beginne ich meine Gedanken
zurückzuführen, bis zu jenem 19.
März des Jahres 1906, als ich in
Solingen, Rheinland, um 5 Uhr morgens, in
das irdische Leben, als Erscheinungsform
Mensch, eintrat. Schwerlich hätten
sich meine Eltern so über alle
Maßen über dieses Ereignis
gefreut -- wie dies üblicherweise bei
der Ankunft des Erstgeborenen der Fall zu
sein pflegt --, hätten sie damals, in
meiner Geburtsstunde, all die Kummer- und
Leidfäden jener Unglücksnorne
sehen können, die sie, der
Glücksnorne zum Trotz, in mein Leben
wob. Nur ein gütiger,
undurchsichtiger Schleier des Schicksals
verwehrte meinen Eltern ihre Blicke in die
Zukunft. Irgend etwas aber muß es doch
gewesen sein, daß es meinen seligen
Vater schon in meiner frühesten
Jugend dazu bewogen haben muß, trotz
liebevollster Zuneigung und Freude an mir,
gerade mich besonders streng zu erziehen,
eine Strenge, wie sie meine Geschwister
nie in diesem Umfange zu verspüren
bekommen hatten. Und dabei soll ich
keinesfalls etwa ein schwer erziehbares
Kind gewesen sein, sondern das gerade
Gegenteil daran; leicht lenkbar und
folgsam. Von der Kinderstube angefangen also,
war bei mir der Gehorsam etwas
Unumstößliches, etwas nicht
ausderweltzuschaffendes". Als ich
dann später, sehr viel später,
genau 27 Jahre später, ich meine nach
meiner Geburt, zur Truppe kam, fiel mir
das Gehorchen nun keinen Deut schwerer als
das Gehorchen in der Kinderstube, als das
Gehorchen in den zwischen Kinderstube und
Truppendienst liegenden Schulausbildungs-
und Berufsjahren. Ich anerkannte meinen Vater als
absolute Autorität, ebenso meine
leider früh verstorbene Mutter; ich
erkannte meine Lehrer und beruflichen
Vorgesetzten als Autorität an und
ebenso später meine
militärischen und dienstlichen
Vorgesetzten. Es wäre denkbar gewesen, daß
das berühmte Kamel durch das
Nadelöhr geht, aber undenkbar
wäre es gewesen, daß ich nicht
mir gegebenen Befehlen gehorcht
hätte. Heute, 15 Jahre nach dem 8. Mai 1945,
weiß ich, und dieses Wissen erhielt
ich ziemlich genau um den 8. Mai 1945
herum, daß ein solches Leben,
eingespannt in Gehorsam und geführt
und bestimmt durch Befehle, Verordnungen,
Erlasse und Weisungen, ein sehr bequemes
Leben ist, in dem eigene
schöpferische Gedankentätigkeit
auf ein Mindestmaß reduziert
war. Ich selbst spürte es bereits am 8.
Mai 1945, daß ich nunmehr ein
führungsloses und schweres Eigenleben
zu leben habe, da ich mir an keiner Stelle
irgendwelche Richtlinien geben lassen
konnte, von keiner Stelle Befehle oder
Weisungen kamen, keinerlei
einschlägige Verordnungen
heranzuziehen waren, kurz, ein mir bisher
nicht gekanntes Leben sich auftat; es war
ein Leben, indem ich mich eigentlich auch
gar nicht mehr zurechtfand.
Weltuntergangsstimmung, geistiger Schock,
sich treiben lassen wechselten
miteinander. Und so man in den nun folgenden
Gefangenenlagern einmal einen sogenannten
guten Tag hatte, doktorte und
philosophierte man um eine der
Kardinalfragen jener Tage herum, welchen
höheren Sinn das menschliche Leben
denn eigentlich habe. Bis dahin kam mir das nie in den Kopf,
daß es überhaupt eine solche
Frage gäbe, geschweige denn der
Gedanke, hierüber gar nachdenkend zu
grübeln. War ja auch garnicht notwendig, denn
das Eigenleben verlief in genau geregelten
Bahnen. Ich wußte, was mir erlaubt
war und was mir verboten ist. Dazwischen,
inmitten dieser Grenzen, konnte ich frei
leben. Darüber stand die
SS-Polizeigerichtsbarkeit und wachte. Ich ging nun sowohl das organische
Leben als vorsichtshalber auch das
anorganische Leben durch, vergleichend,
prüfend, auf Ursprünge und
Ursächliches zurücksinnierend,
und vermochte wohl ein sinnvolles Ganzes,
eine sinnvolle Richtung und die ethischen
Werte einer menschlichen Eingliederung in
das Ganze nicht zu verkennen, aber -- und
ich fiel nur einmal in jenen
führungslosen Zeiten sogleich in das
Extremste dieser Fragen -- einen
höheren Sinn konnte ich für das
gesamte irdische, organische wie
anorganische Leben nicht finden. Auch
andere Lagergefährten, mit denen ich
mich angelegentlich deshalb unterhielt,
vermochten hier keine Lösung zu
finden. Dabei wäre eine solche Erkenntnis
wichtig gewesen. Hätte ich etwa zu
erkennen vermocht, hätte ich mich
sofort verpflichtend unter die
Führung dieses höheren Sinnes
gestellt, und meine innere und
äußere Ausrichtung hätten
ruckartig wieder Bahnen erhalten, deren
Führung man sich anvertrauen
hätte können. Endlich glaubte ich in der kosmischen
Bewegung, in der Begegnung des Alls, den
einzigen und ursprünglichsten
höheren Sinn allen Lebens
überhaupt erkannt zu haben. Und
tatsächlich, sosehr ich auch
grübelte, diese Bewegung war für
mich die Schöpferin und Erhalterin
allen Lebens, auch meines kleinen,
menschlichen Eigenlebens. Das menschliche
Leben, immer im Verhältnis zu mir, zu
meiner eigenen Persönlichkeit, hatte
also keinen höheren Sinn, sondern war
dem, nach meiner nunmehrigen Erkenntnis,
einzigen Höheren
Sinnesträger" unterstellt; er
führte, lenkte und leitete mich und
gab mir auch für eine gewisse Zeit
einen gewissen Sinn, eine gewisse
Zweckbestimmung. Ich
ließ ein selbständiges Denken
verkümmern" Adolf Eichmann über seine
Ideologie und seinen verlorenen Glauben --
Fortsetzung der Dokumentation Nun war ja wieder alles in Ordnung.
Mein Wesen konnte sich wieder beruhigen,
denn ich war ja nicht bar jeglicher
Führung, sondern ich wurde ja wie eh'
und je, weitergeführt. Zu der
Überlegung nun, daß dies der
Allmächtige, daß dies die
göttliche Kraft und Macht in Wahrheit
sei, war es nur ein kleiner Schritt eben
und ich frug mich, warum ich nicht schon
längst seit 1937, denn da trat ich --
wie ich damals glaubte aus
Überzeugung -- aus dem evangelischen
Kirchenverband aus, solche
Überlegungen angestellt habe, denn
sicherlich wäre mein ganzes weiteres
Leben anders verlaufen. Denn nun offenbarten sich während
der weiteren Gefangenschaft mir
kosmopolitische Gedankengänge und ich
fand sie klar, einfach, überzeugend
und beglückend. Gleichzeitig aber
stürzte all das wie ein Kartenhaus
nun auch innerlich in mir zusammen, was
ich gestern noch anbetete, das Staats- und
Gegenwartsbejahende, als das
größte, höchste,
anbetungswürdigste Idol schlechtweg.
-- Ich verglich -- Und je mehr Vergleiche zwischen meiner
neuen Erkenntnis und der von gestern ich
zog, um so elender wurde mir innerlich zu
Mute, denn ich hatte in Wahrheit einem
kleinen, einem sehr kleinen egoistischen
Sinn gedient und vor lauter Dienen ein
selbständiges Denken, das mich auf
einen hohen Berg geführt hätte,
von wo aus ich einen großen Horizont
sehend besser hätte erkennen
können, verkümmern lassen. --
Der Befehl war für mich das
Höchste, und dieser war gehorchend zu
befolgen. -- Mag sein, daß diese
Einstellung vielen Deutschen gegeben ist.
Vielleicht ist's mit ein Schlüssel
dafür, daß der Deutsche im
Angriff unüberwindlich ist, aber in
der Verteidigung geschlagen wird. Aber ich wollte nicht von anderen,
sondern von mir schreiben. Ich habe, glaube ich, zuwenig
zeitgerecht über alles nachgedacht.
Ich konnte die Zeit, die notwendig zu
jener Bergwanderung gewesen wäre, vor
lauter Befehleausführen einfach nicht
finden, es kam mir überhaupt nicht in
meinen Sinn. Erst im Zwinger fand ich die
Zeit. Und es stürzten mir
Reichsgesetze,
Durchführungsbestimmungen,
Verordnungen, Erlasse, Befehle, Weisungen,
Vorgesetzte, hohe und niedrige
Götter, an die ich gestern noch
glaubte. Unfehlbar, was ihre
Entscheidungen für den Bestand des
Reiches, dem auch ich diente, betraf. So
glaubte ich. Und das Reich selbst, es
stürzte auch. Es stürzte ein Krieg in den
anderen; kilometer großes, schwarzes
Etwas, wälzte sich in ein anderes und
schien mir meinen Kopf zum Platzen, zum
Bersten zu bringen; es pochte an den
Schläfen, wie mit schweren
Vorschlaghämmern, von innen nach
außen, und ich sah all das
Furchtbare, das meine Augen schauen
mußten, aus der Zeit, da für
mich das Höchste der Befehl war. Und als ich über mir selbst
bescheid wußte, lag ich im hohen
Fieber und der Lagerarzt mühte sich
um mich. Und mit der Wiedergesundung, fiel
für mich die Türe des finsteren
Mittelalters ins Schloß. Vierhundert
Jahre später, als ich das Leben
annahm. (. . .) Ich war nicht der Einzige,
dem die apokalyptischen Reiter durch's
Gehirn jagten. Auf beiden Seiten der
damaligen Gegner (. . .) muß es noch
manchen gegeben haben, dem es in diesen
Zeiten gleich erging. Ich sagte, daß es so sein
muß. Denn wäre dem nicht so,
dann kämen mir wieder Zweifel an der
Richtigkeit meiner Gedankengänge. Ich will aber keinen Zweifel mehr. Ich glaube es also. Der erste Teil Mit dem Überschreiten der
österreichischen Grenze im Sommer
1932 ließ ich frohe Kindheits- und
frühe Jünglingsjahre und meine
Männerzeit bis zum 27. Lebensjahr in
dem schönen Österreich, das mir
zur zweiten Heimat wurde, zurück.
Hatte ich in den ersten
Frühsommermonaten desselben Jahres
noch gedacht, mich in Österreich
einer selbständigen Betätigung
im Mineralölgeschäft zu widmen,
so änderte ich im Juli mein
diesbezügliches Wollen und war
nunmehr bestrebt, bei einer der zwei
großen deutschen
Mineralölfirmen wie (. . .) Shell
eine Betätigungsmöglichkeit zu
finden. Dies sagte ich dem damaligen
SS-Oberscharführer Dr. Ernst
Kaltenbrunner in Linz a. d. Donau, der
berufsmäßig die
Rechtsanwaltskanzlei seines damals schon
früh verstorbenen Vaters führte.
Beide Väter, seiner und meiner, waren
gute Bekannte, die der Beruf
zusammenbrachte. Dr. Ernst Kaltenbrunner
war SS-mäßig mein Vorgesetzter.
Ich gehörte ab April 1932 der
österreichischen 37. NS-Standarte,
der Edelweiß-Standarte, an. Es
bedurfte keiner großen
Überredung" Adolf Eichmann über seinen Weg zu
NSDAP und SS -- Fortsetzung der
Dokumentation seiner Aufzeichnungen (Teil
3) Die WELT setzt heute ihre Dokumentation
der Erinnerungen Adolf Eichmanns fort.
Nachdem er auf den ersten Seiten seine
ideologische Disposition zu Befehl und
Gehorsam schilderte, beschreibt Eichmann
jetzt seinen Weg in die NSDAP und in die
SS. Der Text wird mit minimalen
Kürzungen (etwa bei unleserlichen
Worten) und ohne orthografische,
syntaktische oder stilistische Korrekturen
abgedruckt. Die SA und SS waren inzwischen in
Österreich längst verboten und
ebenso die Partei, die NSDAP. Der
Gauleiter von Oberösterreich
Oberscharführer Andreas Boleck und
sein Gauleitungsstab, arbeiteten in ihrem
Exilsitz in Passau, irgendwo in der
Bahnhofstraße. Die günstige Gelegenheit der Reise
eines Angehörigen der 37.
SS-Standarte ließ sich Dr.
Kaltenbrunner nicht entgehen und gab mir
einige Briefe für die Gauleitung mit,
die ich unter mein Gepäck mit
unterbrachte. -- Das damalige Linz a.d. Donau war ein
verträumtes, kleines, liebliches und
sauberes Provinzhauptstädtchen, das
von dem großen Hinterland"
lebte, besser noch, es lag im Zentrum des
damals überwiegend bäuerlichen
Oberösterreich. Da war das weizenschwere Innviertel,
das braunkohlereiche Hausruckviertel, das
schon dem Fremdenverkehr sehr erschlossene
Traunviertel mit seiner Perle Gmunden am
Traunsee und dem oberösterreichischen
Hausberg, dem Traunstein, als großer
Wächter der beginnenden Alpenwelt.
Ganz besonders reizvoll aber für
stille Naturfreunde, und jedenfalls
für mich -- es ist es bis zum
heutigen Tage geblieben -- das obere
Mühlviertel, mit einem Teil des
unteren Mühlviertels. Die Heimat
eines Adalbert Stifter, der urige
Böhmerwald, dessen Ausläufer
tief in das obere Mühlviertel
hineinlaufen. Die romantischen,
braunwässrigen, kleinen, lebendigen
Flüßchen, die sich da durch das
gegen die Donau abfallende
böhmisch-mährische
Granitplateau, hurtigen Laufes ihren Weg
zur Donau seit undenklichen Zeiten bahnen.
Diesen herrlichsten Fleck der Erde durfte
ich meine zweite Heimat nennen; und in dem
damals so herrlich gemütlichen
Städtchen Linz, war es bald so, wenn
auch etwas übertrieben, daß
jeder, jeden kannte. Diese Heimat
Oberösterreich verlassend, meldete
ich mich bei dem damaligen Gauleiter in
Passau. Nach dem ersten Weltkrieg kam Andreas
Boleck, als gutdekorierter, tapferer
Offizier, er war Oberleutnant gewesen,
nach Linz und suchte Arbeit. Mein Vater,
in jener Zeit in einflußreicher
Stellung der Linzer Tramweg- und
Elektrizitätsgesellschaft tätig,
nahm den arbeitssuchenden
zurückgekehrten Offizier in den
Betrieb als Beamten auf. Er heiratete bald
darauf eine Tochter des bürgerlichen
Fleischhausermeisters Dietscher, in Linz
a.d. Donau und sicherlich wurde ich als
kleiner Bengel in jener Zeit, einer Zeit
der Lebensmittelknappheit, ab und an
zwecks Fleischkauf in diese Fleischhauerei
geschickt, wiesonst hätte ich mir bis
heute den Namen dieses biederen
Fleischhauermeisters Dietscher
behalten. Es wäre nun an sich nichts
außergewöhnliches an allem
bisher Geschilderten wenn besagter Andreas
Boleck nicht in den späteren Jahren
zum Gauleiter der NSDAP bestallt worden
wäre. Ja selbst diese Tatsache
würde heute kaum noch
erwähnenswert sein, wenn ich nicht
just im März oder April des Jahres
1932, eine Versammlung der NSDAP, im
Märzenkeller in Linz a.d. Donau, in
der der damalige Gauleiter Boleck sprach,
besucht hätte. Es war mein erster
Besuch einer Versammlung der damals
ziemlich neuen Partei. Mag sein, daß
die Partei schon etliche Jahre in Linz
a.d. Donau rührig war, aber es wurde
von mir kaum bemerkt, weil ich damals der
Jugendgruppe der Deutsch-Österr.
Frontkämpfervereinigung
angehörte, der in Linz ein tapferer
Kämpfer aus 11 Panzerschlachten (. .
.) repräsentativ vorstand. Um jene
Zeit etwa starb der (. . .) Führer
der D.Ö.F.K.V. in Wien Oberst Hiltl.
Die Frage seines Todes war eine Diskussion
unter gar manchen der damaligen
Angehörigen der D.Ö.F.K.V.,
deren Wahlspruch Allgemeines
Volkswohl geht vor kleinlicher
Parteipolitik" hieß. Hie
monarchistisch alle rege, hie
nationalistisch. Ich wurde in jener Versammlung auf den
nationalistischen Weg geleitet, wenngleich
eine gewisse innere Bereitschaft bei mir
dafür schon durch das Lesen des
Völkischen Beobachters", der in
vielen Kaffeehäusern auslag, lange
vorher gegeben war. Die Schmach von
Versailles", der Straßen-Tod der SA
und SS Männer, den die Parteipresse
der NSDAP in meisterhafter Form, packend
an die Gefühle vieler, bis ins
Einzelste und Kleinste beleuchtete und die
Märtyrer" als Heroen und
unsterbliche Helden im Kampf um die
Freiheit", herausstellte, all dies wurde
in jener Zeit auch von mir
andächtig verschlungen". Große Gedanken und Probleme
freilich machte ich mir nicht, denn
während der ganzen Woche war ich
entweder im Mühlviertel oder sonst
eines der oberösterreichischen
Viertel als Reisebeamter der Österr.
Vacuum Oil Company tätig. Und was mir
der Tag neben meiner beruflichen Arbeit so
frei ließ -- und es war ein
beträchtliches -- ging im
bewußten Aufnehmen meines so sehr
geliebten oberösterreichischen
Landels, samt seines so herrlichen
Menschenschlages, auf. Am Wochen- ende, in
der Landeshauptstadt, da las ich dann die
Zeitungen und da begann dann so etwas wie
Politik (. . .) in meinem Kopf. Es bedurfte daher nach allem, was ich
schildere auch jetzt, nach der ersten, von
mir besuchten Versammlung keiner
großen Überredung, als Boleck
mich kurz aufforderte, der NSDAP,
beizutreten. Es bedurfte auch keiner
längeren Worte, als der gleichfalls
damals anwesende SS-Oberscharführer
Dr. Ernst Kaltenbrunner, mich für die
SS vereinnahmte". -- Die Weisung Bolecks nach meiner Meldung
in Passau war in wenigen Worten
zusammengefaßt. Von einer
berufsmäßigen
Beschäftigung in der
Mineralölwirtschaft wollte er nichts
wissen, da ich erst einmal gehen
lassen müsste" und mir eine
militärische Ausbildung nicht schaden
könne. Der Meinung eines solch
alten Bekannten" verschloß ich
mich auch gar nicht und so fuhr ich
weisungsgemäß nach dem
Kloster Lechfeld", wo auf dem
ehemaligen Truppenübungsplatz
Kloster Lechfeld" eine sogenannte
österreichische Legion in Aufstellung
begriffen war. Dies war aber im Sommer 1933 und so
ging es dann bis zum September 1934 dahin,
unterbrochen von einer kurzen Zeit als
Kommandeur zum Verbindungsstab des
Reichsführers SS in Passau unter der
Führung des ehemaligen österr.
ungar. Majors, jetzt
SS-Sturmbannführer von Thiel. Es
folgte eine weitere Kommandierung bzw.
Versetzung nach Auflösung dieses
Verbindungsstabes in Passau, nach Dachau,
wo unter der Führung von dem
Polizeimajor der preußischen
Landespolizei Rampf ein Bataillon des
SS-Regiments Deutschland lag. Hier musste
ich meinen bisherigen Kragenspiegel, der
das Edelweiss als Standartenzeichen trug
vertauschen mit einem solchen, auf dem SS,
eingestickt war. Es war stets ein schönes
Schauspiel für mich in jener Zeit,
wenn das Bataillon mit dem Kommandeur,
beritten an der Spitze, ihm die von den
berittenen drei Kompaniechefs
geführten Kompanien folgten. Der
höchste unmittelbare Vorgesetzte von
Klosterlechfelds Zeiten angefangen bis zu
den Zeiten bei SS, war der selten zur
Inspektion kommende, in München
sitzende, SS Brigadeführer
Rodenbücher. Ein unverfälschter
Hamburger, wie es hieß. In dem ewigen Einerlei des Dienstes,
hörte ich eines Tages, daß der
Sicherheitsdienst des
Reichsführers SS" Männer suche.
Ausgezeichnete Sache, sagte ich mir; und
schon stellte ich mir vor, in Bälde
zum Begleitkommandeur des Chefs der SS, zu
gehören. Denn nichts anderes konnte ich mir
unter dem Namen Sicherheitsdienst
des Reichsführers SS" vorstellen, als
ein Kommando zu dessen Schutz. Ich meldete
mich also dazu und hörte dann lange
Zeit nichts mehr und glaubte die Sache
schon unter den Tisch gefallen, als ich
Ende September 1934, wie der Blitz aus
heiterem Himmel den Befehl zur Meldung
beim Bataillons-Kommandeur erhielt. Nach schneller Rekapitulation des
Sündenregisters, das wohl jeder
Landser besaß, hörte ich dann,
daß ich meine Versetzung von SS zum
Sicherheitsdienst des RFSS, in Berlin,
entgegen zu nehmen hätte. Mein fälliger Sold wurde mir
ausbezahlt, Fahrkarte und Zehrgeld
übergeben. Die Uniform behielt ich,
nur zwecks Abschreibung mußte ich
noch zum Kammerunteroffizier. An einem Morgen des späten
September 1934 kam ich am Anhalter Bahnhof
in Berlin an. Ein kurzer Weg war es nur von hier, zur
Wilhelmstraße 102, wohin ich mich
laut Marschbefehl zu begeben hatte. Ich meldete mich bei dem Unteroffizier
vom Dienst, eine sehr kordiale Meldung in
diesem Falle, denn wir waren gleichrangig,
weil ich inzwischen ebenfalls bereits
einen Stern auf einem der Kragenspiegel
trug, also Unteroffizier war. In einem Zimmer mit 12 Mann, wurde mir
meine Schlafstelle und mein Spind
zugewiesen. Meine damaligen
Zimmerkameraden waren alle erst wenige
Tage im Sicherheitsdienst, kurz SD
genannt, tätig. Genauer gesagt, war
es das SD-Hauptamt, zu welchem ich also
jetzt versetzt war. Mein Bettnachbar war
ein äußerst gutmütiger
SS-Rottenführer aus Hameln, der alten
Rattenfängerstadt an der Weser. Sohn
bürgerlicher und geachteter Eltern,
welche daselbst ein gedigenes, gutgehendes
Lederwarengeschäft betrieben. Ein
SS-Scharführer der SS, ein Franke,
der glaublich in Erlangen in Garnison lag,
war außer mir der einzige
Seitengewehrträger", das
äußere Zeichen des
Angehörigen eines
SS-Infanterieregiments. Die übrigen
10 Mann kamen aus der allgemeinen SS, der
sogenannten zivilen SS. Tags über
Bürodienst; Samstag nachmittags
Ausgang erst nach Revierreinigen unter der
Aufsicht eines Oberfeldwebels, dem es an
Energie nicht mangeln durfte, da ja
immerhin zu der Zimmerbelegschaft einige
ausgewachsene, gediente Unteroffiziere
gehörten; aber offensichtlich lag
irgendein höherer Befehl vor,
daß die genannte Zimmerbesatzung
ohne Rücksicht auf Dienstgrad auch
beim Revierreinigen über einen Kamm
zu scheren sei und wir Unteroffiziere also
in der Folgezeit genau so schruppten und
fegten, wie der letzte SS-Mann. Es war zwar damals eine saure und
völlig unmögliche
Tätigkeit, weil in ihr für einen
Unteroffizier etwas Herabsetzendes, von
uns aus gesehen, lag und nur die klare
Befehlsgebung des Oberfeldwebels, welche
keinerlei Zweifel aufkommen ließ,
verwandelte uns in zwar innerlich
knurrende und kochende, sonst aber
getreue, befehlsausführende
Zimmersäuberer, eine Arbeit, welche
-- wie schon gesagt -- uns beiden
gedienten Unteroffizieren in keiner Weise
mehr zukam. Aber man gewöhnte sich
auch daran. [Eichmann
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