Die
Weltwoche Zürich, Switzerland, March 31,.2005; Seite
10; Nummer 13
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scandal] Debatte Auf den Knien
meines Herzens Rolf Hochhuth Der
Spiegel rückte den Dramatiker in die Nähe
eines Antisemiten. In der Weltwoche äussert er
sich erstmals zu den Vorwürfen. UM die
Entschuldigungskultur oder
«Zivilbussfertigkeit» (Hermann
Lübbe) steht es in Deutschland nicht
zum Besten. Nachdem der Autor Rolf
Hochhuth in der Rechtspostille Junge
Freiheit den britischen Holocaust-Leugner
David Irving in Schutz genommen hatte,
stempelte man ihn, den Verfasser des
weltberühmten Stücks «Der
Stellvertreter», zum Rechtsradikalen.
Hochhuth bereute seine «idiotische»
Irving-Verteidigung öffentlich. Paul
Spiegel, Präsident des Zentralrats der
Juden in Deutschland, nahm die Entschuldigung
an, was ihn aber nicht daran hinderte, in einem
Gespräch mit dem Spiegel vom 21.
März 2005 zu sagen, in den vergangenen
Monaten sei in Deutschland «die
Hemmschwelle für den Transport
antisemitischer Vorurteile deutlich
gesunken». Dabei bezog er sich explizit auf
Hochhuth. Erstmals nimmt der Dramatiker, der
2006 75 wird und seit 42 Jahren Wahlbasler ist,
Stellung zum neuen Vorwurf, ein alter Antisemit
zu sein. (js) MOBBING fängt schon auf
Schulhöfen an. Mobbing ist überall: Hand
in Hand mit anderen einen lynchen wollen, den man
persönlich nicht kennt. Deutsche aber brauchen
für ihr seelisches Wohlergehen Mobbing wie die
grosse Ferienreise: Heute bin ich's, den die Medien
unter ihren Plattfüssen haben, während
sie mir gleichzeitig den Mund verbieten; vor
anderthalb Jahren war's Michel Friedmann,
davor Martin Walser, vor Walser Minister
Möllemann, der dann ohne Fallschirm
absprang... Ich konnte mit Hieben leben, weil seit
langem daran gewöhnt und auch vehement in
Schutz genommen. Doch seit Montag voriger Woche ist alles anders:
Der Spiegel druckte unter mein Foto die
Legende: «Antisemitismus in akademischen
Kreisen?» Allein das Fragezeichen verwehrte es
meinem Anwalt, eine einstweilige Verfügung
durchzusetzen! Was es speziell für einen
Deutschen bedeutet, als Antisemit in der einen
meinungsmachenden Zeitschrift der Nation
ausgestellt zu werden, kann kein Ausländer
ermessen: Es ist nichts Geringeres als die geistige
Existenztilgung! Der Spiegel hat mein Gedicht
«Auschwitz» vergessen, das er im Dezember
1998 veröffentlichte. Darin sage ich, dass man
immer von Auschwitz reden werde. Dazu stehe ich.
Denn dieses Verbrechen wird niemals? nie!?
vergessen sein. Selbst Musik lässt Auschwitz
nicht vergessen. Und die Musik ist das Einzige, was
von Deutschland neben Auschwitz bleibt. Das
Einzige. Dem Spiegel müsste meine
Gesinnung bekannt sein. Aber auch Paul Spiegel, der
Präsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland, müsste wissen, wer ich bin.
Bereits vor Wochen hat mein Verlag Rowohlt der
Spiegel-Chefredaktion und Herrn Spiegel meine
gesammelten Auschwitz-Gedichte aus vier
Büchern gefaxt. Trotzdem ist im
Spiegel-Gespräch mit Paul Spiegel nun mein
Bild als «Antisemit» gedruckt worden, was
mir durchaus den Infarkt oder Hirnschlag hätte
bescheren können. Ich habe deshalb die Chefredaktoren Aust,
Doerry und Preuss in
grösstmöglicher Demut, «auf Knieen
meines Herzens» (Kleist an Goethe), gebeten,
die mir tödliche Antisemitismusanschuldigung
zu korrigieren. Von den Chefs liess endlich allein
Herr Preuss sich sprechen, sagte aber, eine Zusage
könne er nicht machen, da nächste Woche
Herr Doerry im Spiegel regiere. Auch Paul
Spiegel wollte mit mir weder am Telefon noch sonst
sprechen. Machtmissbrauch
gegenüber einem Wehrlosen ist selten so
unmenschlich ausgedrückt worden wie durch
diese «grossen» vier. Eine
regelrechte TreibjagdPaul Spiegel hat, wie mir sein Sekretariat
bestätigte, mein Interview in der Jungen
Freiheit noch gar nicht gekannt, als er gegen
mich zum Tagesspiegel in Berlin sagte, wer
einen Holocaust-Leugner wie David Irving in Schutz
nehme, sei selbst ein Holocaust-Leugner. Im
Übrigen hat Charlotte Knobloch, die
neue Vizepräsidentin des Jüdischen
Weltkongresses, dasselbe Verbrechen begangen wie
ich: Sie hat der Jungen Freiheit ebenfalls
ein Interview gewährt. Trotzdem war auch sie
nicht zu bewegen, mit mir ein Wort zu
wechseln... Mein zweites Verbrechen: Ich hatte so
fahrlässig wie unentschuldbar versäumt,
meinem Interview, das mir als Korrektur von der
Jungen Freiheit zugegangen war, wieder
einzufügen, dass ich allein? die Redaktion
hatte wegen Überlänge gekürzt?, dass
ich allein den frühen Irving, nicht den
späteren Holocaust-Leugner meinte. Doch nicht
ich hatte die Rede auf Irving gebracht, sondern die
Redaktion, weil soeben die Queen zum sechzigsten
Jahrestag der Bombardierung Dresdens die Stadt
besuchte. Der Brite Irving hatte mit kaum 23 Jahren
das erste, in vielen Sprachen mehrfach aufgelegte
Buch
über die Zerstörung
Dresdens geschrieben, deshalb kam die Rede auf
ihn und auch auf mein
Churchill-Bombenkrieg-Stück
«Soldaten». Ich wusste, dass Irving eine jüdische
Mutter hatte, und konnte nicht glauben, dass er
inzwischen zum Auschwitz-Leugner geworden war --
umso weniger, als er ja nie schriftlich, nie in
einer Zeitung, nie in einem Buch, seine wahrhaft
idiotischen mündlichen Holocaust-Leugnungen
verlautbart hat. Ich hatte sie nicht gekannt, mit
David Irving jahrzehntelang nicht mehr gearbeitet,
da der Zweite Weltkrieg als Thema für mich
erledigt war. Im gleichen Interview mit der Jungen
Freiheit sagte ich auch: «Ich habe noch nie einen Deutschen
getroffen, der, wenn er zu Recht über die
Verbrennung Dresdens klagt, auch den Namen des
benachbarten Städtchens Auschwitz nennt. Es
ist eine Schande, dass wir noch immer nicht
anerkennen: Die Weltgeschichte kennt kein mit
unserm Holocaust vergleichbares Verbrechen...
Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz
geschehen ist, nicht möglich gewesen. Obwohl ich öffentlich bekannte, dass ich
mich für meine senilen Irving-Äusserungen
schäme, reiht man mich als Antisemit ein. Eine
regelrechte Treibjagd! Diejenigen, die meine Arbeit seit vierzig Jahren
kennen, natürlich nur sehr wenige, glauben
mir. Doch was hilft es, wenn mir Alfred
Grosser aus Paris das Trostwort zukommen
lässt: «Gäbe es in Deutschland nicht
Paul Spiegel -- gäbe es dort auch keine
Antisemiten!» Die ganz
überwältigende (das heisst:
überwältigte Mehrheit,
überwältigt von den Medien, die sich auf
mich einschiessen) Mehrheit jedoch wird sagen:
faule Ausreden. So sind meine einzigen Zeugen meine
sieben Auschwitz-Gedichte. Ich danke der Weltwoche, dass sie mir erlaubt,
mich durch ein Gedicht zu
verteidigen. Es ist meinem letzten Buch
«Nietzsches Spazierstock»
(Rowohlt-Verlag) entnommen. Picture:
Rolf Hochhuth (right) stayed as David Irving's
guest in London for a while in July 1966 Salzburg
Hauptbahnhof- SALZBURG, süss korrumpierend:
Festspielwochen!
- Circe, leuchtend auch uns, der Frau,
den Söhnen.
- Mauthausen zwar am Weg. Doch schon
ihr Kochen
- in Austria, Wein und Musik? an was
gewöhnen
- nicht lange Opern, lange
Speisekarten...
- Nur da am Bahnsteig, schlagschnell,
den obszönen
- Fotos der Auschwitz-Viehwaggons? wir
warten
- an deren Gleis auf unsern Zug nach
Wien?
- so ausgesetzt ... ein Güterzug
rangierte;
- wie sich der Frage dort
entziehn:
- Wann spürte jemand, den man
deportierte?
- zuletzt je siebzig Menschen wie
Kartons
- in einen Viehwaggon
verpackt;
- wer starb, blieb stehen in den
Waggons?
- dass dieser Räder-Rhythmus,
Schwellen-Takt
- Die «Melodie»: Waggon,
Waggon, Waggon
- So Tage, Nächte, Tage,
Nächte, Tage
- Den Seinen, allen, war der
Todessong?
- Verstummte längst. Sogar der
Kinder Klage?
- längst stumm. Nur in den Augen
noch.
- Und Schuld wir Deutsche? jeder
trage
- Und spüre, spricht er, Blut im
Mund, dies Joch!
- Allein per Bahn ins Gas fast
fünf Millionen...
- Doch heute? Spricht wer
verächtlich über Leute?
- die Hausbesitz Ermordeter
bewohnen?
- Spürst Du im Mozarthaus nur
Freude:
- Salzburg hat Kaltenbrunner auch
geboren.
- Wenn Bruckner Linz ist? Adolf
Eichmann auch.
- Du reist auf Eichmanns Schienen:
Unverfroren,
- an Knochen, Heizen nur zu denken,
siehst Du Rauch.
-
David Irving
reminisces on the German playwright Rolf
Hochhuth
-
German publisher
scraps Rolf Hochhuth's autobiography because of
40-year friendship with Mr Irving
-
Early articles
by Rolf Hochhuth in Junge
Freiheit
-
Rolf
Hochhuth: Wellen. Critic's
fury that in 1996 somebody can still write words
of praise for the radical right-winger David
Irving without any footnote. 'Because I am
Hochhuth,' says Hochhuth obstinately."
-
Germany's Jews
force Rolf Hochhuth to eat crow: apologises for
backing David Irving as serious
historian
-
Der Tagesspiegel, Berlin, 26. Februar 2005,
Hochhuth
relativiert seine Irving-Äußerung
-
N24, 24. Februar 2005, "Ehrenerklärung"
für Irving: Giordano kritisiert
Hochhuth
-
Netzzeitung.de, 25. Februar 2005, Hochhuth
will öffentlich mit [Paul] Spiegel
reden
-
news.de Rolf
Hochhuth will Streitgespräch mit Paul
Spiegel (dpa)
-
LVZ Online [Leipziger Volkszeitung], 25.
Februar 2005, Hochhuth
vor dem Fall?
-
Pro-Israel Springer group slams Germany's
leading leftist playwright Rolf Hochhuth for
praising Mr Irving Der
Tagesspiegel: Rolf Hochhuth lobt
Holocaust-Leugner
| Die Zeit: Jens Jessen, "Auf
der Suche nach dem Skandal: Hochhuth und der
Holocaust."
-
Rolf
Hochhuth verteidigt Holocaust-Leugner
[picture]
-
Hochhuth talks about his demand
for a bombing war museum in Germany, and his
forty year friendship with David Irving |
pictures
of David Irving with Rolf Hochhuth
-
Vorschag für
ein Bombenkriegsmuseum; David Irving; und
Winston Churchill (all in German)
-
Neues
Deutschland [Germany's communist
newspaper], 15. März 2005: Hochhuth
lesen! Der rechten »Jungen Freiheit«
gab Rolf Hochhuth ein Interview. Was soll man
von ihm halten?
-
Westdeutsche
Zeitung, 15. März 2005: Geplanter
Gastauftritt von Rolf Hochhuth sorgt für
Ärger: Am 24. April kommt der
Historiker als Gast der
Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft als
Diskussionspartner nach Wuppertal.
-
Die Jüdin
Eva Menasse in Frankfurter Allgemeine
Zeitung: Skandale: Keine Gnade fur
Hochhuth [No
Mercy]
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