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Posted Wednesday, April 13, 2005

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Die Weltwoche

Zürich, Switzerland, March 31,.2005; Seite 10; Nummer 13


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Debatte

Auf den Knien meines Herzens

Rolf Hochhuth

Der Spiegel rückte den Dramatiker in die Nähe eines Antisemiten. In der Weltwoche äussert er sich erstmals zu den Vorwürfen.

UM die Entschuldigungskultur oder «Zivilbussfertigkeit» (Hermann Lübbe) steht es in Deutschland nicht zum Besten. Nachdem der Autor Rolf Hochhuth in der Rechtspostille Junge Freiheit den britischen Holocaust-Leugner David Irving in Schutz genommen hatte, stempelte man ihn, den Verfasser des weltberühmten Stücks «Der Stellvertreter», zum Rechtsradikalen. Hochhuth bereute seine «idiotische» Irving-Verteidigung öffentlich. Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nahm die Entschuldigung an, was ihn aber nicht daran hinderte, in einem Gespräch mit dem Spiegel vom 21. März 2005 zu sagen, in den vergangenen Monaten sei in Deutschland «die Hemmschwelle für den Transport antisemitischer Vorurteile deutlich gesunken». Dabei bezog er sich explizit auf Hochhuth. Erstmals nimmt der Dramatiker, der 2006 75 wird und seit 42 Jahren Wahlbasler ist, Stellung zum neuen Vorwurf, ein alter Antisemit zu sein. (js)

MOBBING fängt schon auf Schulhöfen an. Mobbing ist überall: Hand in Hand mit anderen einen lynchen wollen, den man persönlich nicht kennt. Deutsche aber brauchen für ihr seelisches Wohlergehen Mobbing wie die grosse Ferienreise: Heute bin ich's, den die Medien unter ihren Plattfüssen haben, während sie mir gleichzeitig den Mund verbieten; vor anderthalb Jahren war's Michel Friedmann, davor Martin Walser, vor Walser Minister Möllemann, der dann ohne Fallschirm absprang... Ich konnte mit Hieben leben, weil seit langem daran gewöhnt und auch vehement in Schutz genommen.

Doch seit Montag voriger Woche ist alles anders: Der Spiegel druckte unter mein Foto die Legende: «Antisemitismus in akademischen Kreisen?» Allein das Fragezeichen verwehrte es meinem Anwalt, eine einstweilige Verfügung durchzusetzen! Was es speziell für einen Deutschen bedeutet, als Antisemit in der einen meinungsmachenden Zeitschrift der Nation ausgestellt zu werden, kann kein Ausländer ermessen: Es ist nichts Geringeres als die geistige Existenztilgung!

Der Spiegel hat mein Gedicht «Auschwitz» vergessen, das er im Dezember 1998 veröffentlichte. Darin sage ich, dass man immer von Auschwitz reden werde. Dazu stehe ich. Denn dieses Verbrechen wird niemals? nie!? vergessen sein. Selbst Musik lässt Auschwitz nicht vergessen. Und die Musik ist das Einzige, was von Deutschland neben Auschwitz bleibt. Das Einzige. Dem Spiegel müsste meine Gesinnung bekannt sein. Aber auch Paul Spiegel, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, müsste wissen, wer ich bin. Bereits vor Wochen hat mein Verlag Rowohlt der Spiegel-Chefredaktion und Herrn Spiegel meine gesammelten Auschwitz-Gedichte aus vier Büchern gefaxt. Trotzdem ist im Spiegel-Gespräch mit Paul Spiegel nun mein Bild als «Antisemit» gedruckt worden, was mir durchaus den Infarkt oder Hirnschlag hätte bescheren können.

Ich habe deshalb die Chefredaktoren Aust, Doerry und Preuss in grösstmöglicher Demut, «auf Knieen meines Herzens» (Kleist an Goethe), gebeten, die mir tödliche Antisemitismusanschuldigung zu korrigieren. Von den Chefs liess endlich allein Herr Preuss sich sprechen, sagte aber, eine Zusage könne er nicht machen, da nächste Woche Herr Doerry im Spiegel regiere. Auch Paul Spiegel wollte mit mir weder am Telefon noch sonst sprechen. Machtmissbrauch gegenüber einem Wehrlosen ist selten so unmenschlich ausgedrückt worden wie durch diese «grossen» vier.

Eine regelrechte Treibjagd

Paul Spiegel hat, wie mir sein Sekretariat bestätigte, mein Interview in der Jungen Freiheit noch gar nicht gekannt, als er gegen mich zum Tagesspiegel in Berlin sagte, wer einen Holocaust-Leugner wie David Irving in Schutz nehme, sei selbst ein Holocaust-Leugner. Im Übrigen hat Charlotte Knobloch, die neue Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, dasselbe Verbrechen begangen wie ich: Sie hat der Jungen Freiheit ebenfalls ein Interview gewährt. Trotzdem war auch sie nicht zu bewegen, mit mir ein Wort zu wechseln...

Mein zweites Verbrechen: Ich hatte so fahrlässig wie unentschuldbar versäumt, meinem Interview, das mir als Korrektur von der Jungen Freiheit zugegangen war, wieder einzufügen, dass ich allein? die Redaktion hatte wegen Überlänge gekürzt?, dass ich allein den frühen Irving, nicht den späteren Holocaust-Leugner meinte. Doch nicht ich hatte die Rede auf Irving gebracht, sondern die Redaktion, weil soeben die Queen zum sechzigsten Jahrestag der Bombardierung Dresdens die Stadt besuchte. Der Brite Irving hatte mit kaum 23 Jahren das erste, in vielen Sprachen mehrfach aufgelegte Buch über die Zerstörung Dresdens geschrieben, deshalb kam die Rede auf ihn und auch auf mein Churchill-Bombenkrieg-Stück «Soldaten».

Ich wusste, dass Irving eine jüdische Mutter hatte, und konnte nicht glauben, dass er inzwischen zum Auschwitz-Leugner geworden war -- umso weniger, als er ja nie schriftlich, nie in einer Zeitung, nie in einem Buch, seine wahrhaft idiotischen mündlichen Holocaust-Leugnungen verlautbart hat. Ich hatte sie nicht gekannt, mit David Irving jahrzehntelang nicht mehr gearbeitet, da der Zweite Weltkrieg als Thema für mich erledigt war.

Im gleichen Interview mit der Jungen Freiheit sagte ich auch:

«Ich habe noch nie einen Deutschen getroffen, der, wenn er zu Recht über die Verbrennung Dresdens klagt, auch den Namen des benachbarten Städtchens Auschwitz nennt. Es ist eine Schande, dass wir noch immer nicht anerkennen: Die Weltgeschichte kennt kein mit unserm Holocaust vergleichbares Verbrechen... Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz geschehen ist, nicht möglich gewesen.

Obwohl ich öffentlich bekannte, dass ich mich für meine senilen Irving-Äusserungen schäme, reiht man mich als Antisemit ein. Eine regelrechte Treibjagd!

Diejenigen, die meine Arbeit seit vierzig Jahren kennen, natürlich nur sehr wenige, glauben mir. Doch was hilft es, wenn mir Alfred Grosser aus Paris das Trostwort zukommen lässt: «Gäbe es in Deutschland nicht Paul Spiegel -- gäbe es dort auch keine Antisemiten!» Die ganz überwältigende (das heisst: überwältigte Mehrheit, überwältigt von den Medien, die sich auf mich einschiessen) Mehrheit jedoch wird sagen: faule Ausreden. So sind meine einzigen Zeugen meine sieben Auschwitz-Gedichte.

Ich danke der Weltwoche, dass sie mir erlaubt, mich durch ein Gedicht zu verteidigen. Es ist meinem letzten Buch «Nietzsches Spazierstock» (Rowohlt-Verlag) entnommen.

 
Picture: Rolf Hochhuth (right) stayed as David Irving's guest in London for a while in July 1966
Irving, Hochuth, 1966

 


Salzburg Hauptbahnhof
SALZBURG, süss korrumpierend: Festspielwochen!
Circe, leuchtend auch uns, der Frau, den Söhnen.
Mauthausen zwar am Weg. Doch schon ihr Kochen
in Austria, Wein und Musik? an was gewöhnen
nicht lange Opern, lange Speisekarten...
Nur da am Bahnsteig, schlagschnell, den obszönen
Fotos der Auschwitz-Viehwaggons? wir warten
an deren Gleis auf unsern Zug nach Wien?
so ausgesetzt ... ein Güterzug rangierte;
wie sich der Frage dort entziehn:
Wann spürte jemand, den man deportierte?
zuletzt je siebzig Menschen wie Kartons
in einen Viehwaggon verpackt;
wer starb, blieb stehen in den Waggons?
dass dieser Räder-Rhythmus, Schwellen-Takt
Die «Melodie»: Waggon, Waggon, Waggon
So Tage, Nächte, Tage, Nächte, Tage
Den Seinen, allen, war der Todessong?
Verstummte längst. Sogar der Kinder Klage?
längst stumm. Nur in den Augen noch.
Und Schuld wir Deutsche? jeder trage
Und spüre, spricht er, Blut im Mund, dies Joch!
Allein per Bahn ins Gas fast fünf Millionen...
Doch heute? Spricht wer verächtlich über Leute?
die Hausbesitz Ermordeter bewohnen?
Spürst Du im Mozarthaus nur Freude:
Salzburg hat Kaltenbrunner auch geboren.
Wenn Bruckner Linz ist? Adolf Eichmann auch.
Du reist auf Eichmanns Schienen: Unverfroren,
an Knochen, Heizen nur zu denken, siehst Du Rauch.
 

 

David Irving reminisces on the German playwright Rolf Hochhuth
German publisher scraps Rolf Hochhuth's autobiography because of 40-year friendship with Mr Irving
Early articles by Rolf Hochhuth in Junge Freiheit
Rolf Hochhuth: Wellen. Critic's fury that in 1996 somebody can still write words of praise for the radical right-winger David Irving without any footnote. 'Because I am Hochhuth,' says Hochhuth obstinately."
Germany's Jews force Rolf Hochhuth to eat crow: apologises for backing David Irving as serious historian
Der Tagesspiegel, Berlin, 26. Februar 2005, Hochhuth relativiert seine Irving-Äußerung
N24, 24. Februar 2005, "Ehrenerklärung" für Irving: Giordano kritisiert Hochhuth
Netzzeitung.de, 25. Februar 2005, Hochhuth will öffentlich mit [Paul] Spiegel reden
news.de Rolf Hochhuth will Streitgespräch mit Paul Spiegel (dpa)
LVZ Online [Leipziger Volkszeitung], 25. Februar 2005, Hochhuth vor dem Fall?
Pro-Israel Springer group slams Germany's leading leftist playwright Rolf Hochhuth for praising Mr Irving Der Tagesspiegel: Rolf Hochhuth lobt Holocaust-Leugner | Die Zeit: Jens Jessen, "Auf der Suche nach dem Skandal: Hochhuth und der Holocaust."
Rolf Hochhuth verteidigt Holocaust-Leugner [picture]
Hochhuth talks about his demand for a bombing war museum in Germany, and his forty year friendship with David Irving | pictures of David Irving with Rolf Hochhuth
Vorschag für ein Bombenkriegsmuseum; David Irving; und Winston Churchill (all in German)
Neues Deutschland [Germany's communist newspaper], 15. März 2005: Hochhuth lesen! Der rechten »Jungen Freiheit« gab Rolf Hochhuth ein Interview. Was soll man von ihm halten?
Westdeutsche Zeitung, 15. März 2005: Geplanter Gastauftritt von Rolf Hochhuth sorgt für Ärger: Am 24. April kommt der Historiker als Gast der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft als Diskussionspartner nach Wuppertal.
Die Jüdin Eva Menasse in Frankfurter Allgemeine Zeitung: Skandale: Keine Gnade fur Hochhuth [No Mercy]

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