Bern , Switzerland, Friday, July 7,
2000
Freispruch
gefordert MOSSAD-PROZESS / Die
Verteidigung fordert Freispruch für
den Mossad-Agenten, der Bundesanwalt
verlangt Zuchthaus. cbb.
So unterschiedlich wie die
Anträge waren gestern vor dem
Bundesstrafgericht in Lausanne auch die
Argumentationen. Während die
Bundesanwaltschaft für den in
Liebefeld in flagranti ertappten
Mossad-Agenten eine Verurteilung in allen
Anklagepunkten und eine unbedingte
Zuchthausstrafe von 15 Monaten forderte,
verlangte die Verteidigung einen
Freispruch auf der ganzen Linie.
Nicht weil ihr Mandat korrekt gehandelt
habe, sondern weil die Anklage verfehlt
formuliert und das Handeln des
Mossad-Agenten zu rechtfertigen sei. Wem
das Bundesstrafgericht folgt, wird es
heute verkünden. Derweil der ertappte
Mossad-Agent in Lausanne auf sein Urteil
wartet, sind seine Kollegen in Israel
erzürnt: Wegen «fehlender
Rückendeckung» der Regierung
rufen sie zum Aufstand auf und wollen sich
weigern, in Überseemissionen
eingesetzt zu werden. Ein Agentenstreik
der besonderen Art. Freisprüche
und 15 Monate Zuchthaus für den
Agenten gefordertMOSSAD-PROZESS
/ Unterschiedlicher könnten die
Anträge der Bundesanwaltschaft und
der Verteidigung nicht sein:
Während Felix Bänziger wegen
schwerer Spionage für den
Mossad-Agenten 15 Monate Zuchthaus
unbedingt fordert, verlangt die
Verteidigung einen Freispruch auf der
ganzen Linie. Sie gibt zwar zu, dass
der Agent mit seiner Abhöraktion
nicht gerade legal vorgegangen ist.
Aber: Die Anklagepunkte der
Bundesanwaltschaft seien gänzlich
die falschen. Das Urteil des
Bundesstrafgerichtes fällt
heute. cbb. Er verzog keine Miene:
Issac Bental alias Jacob
Track, Mossad-Agent, wahrer Name
unbekannt, zeigte auch am dritten Tag im
Prozess vor dem Bundesstrafgericht keine
Gefühlsregungen. Dann nicht, als der
stellvertretende Bundesanwalt Felix
Bänziger für ihn eine
unbedingte Zuchthausstrafe von 15 Monaten
und eine Busse von 5000 Franken forderte.
Erst recht nicht, als seine Verteidiger
Ralph Zloczower und Stefan
Trechsel einen Freispruch verlangten,
und zwar in allen Punkten. Für Felix Bänziger sind
sämtliche Anklagepunkte erfüllt.
Der Angeklagte sei der verbotenen
Handlungen für einen fremden Staat
«in der Form eines schweren
Falles» schuldig zu sprechen, ebenso
des politischen Nachrichtendienstes und
des Gebrauchs verfälschter Ausweise.
Es liege ein schwerer Fall von Spionage
vor, weil der Angeklagte mit der
Abhöraktion an der Wabersackerstrasse
in Liebefeld Handlungen vorgenommen habe,
die, wenn überhaupt, nur einer
Behörde zustehen würden. Bental
sei dabei sehr professionell vorgegangen.
Bänziger konnte nicht nachvollziehen,
warum die Schweiz von Israel nicht
miteinbezogen wurde. Der Vertrauensbruch
wiege schwer. In «beispielhafter
Art» sei mit dem Lauschangriff auch
der Tatbestand des politischen
Nachrichtendienstes erwiesen. Und dass der
Angeklagte sich mehrfach mit falschen
Papieren ausgewiesen habe, sei
offensichtlich. Schliesslich habe er offen
zugegeben, dass er gar nicht Issac Bental
sei. Den Verzicht auf eine bedingte
Freiheitsstrafe begründete
Bänziger damit, dass der Angeklagte
seine Identität nicht bekannt gegeben
hat. Damit könne auch keine Prognose
über sein künftiges Verhalten
gestellt werden. Von Einsicht und Reue
könne keine Rede sein. «Auch
heute wirkt er eher trotzig, vielleicht
sogar etwas beleidigt.» Mit
Bänzigers Ausführungen zeigte
sich die hochkarätige Verteidigung
des Agenten alles andere als
einverstanden. Dass Bental die
Abhöranlage eingebaut hat, ist zwar
allseits unbestritten. Ralph Zloczower
rief nach einem Exkurs über die
Geschichte Israels aber dazu auf, die
Aktion in dem geschichtlichen Rahmen
«zu sehen und zu würdigen».
Die Hälfte seines Plädoyers
widmete Zloczower der Zielperson der
Lauschattacke. Er zeigte auf, dass der
schweizerisch-libanesische
Doppelbürger als Leiter des
bernischen Ahl-Al-Beit-Zentrums sehr wohl
Kontakte zur pro-iranischen Hisbollah
haben könnte. «Der Terrorismus
der Hisbollah ist eine ernsthafte,
lebensbedrohende Gefahr für Israel,
seine Bevölkerung und auch für
Juden in der ganzen Welt.» Für
Bental und den Mossad sei die Planung und
die Durchführung der Aktion in Bern
lebensnotwendig gewesen. Argumente
zerpflücktSpitzfindig zerpflückte
Verteidiger Stefan Trechsel die Argumente
der Bundesanwaltschaft. Verbotene
Handlungen für einen fremden Staat
lägen dann vor, «wenn jemand
Handlungen vornimmt, die einer
Behörde oder einem Beamten
zukommen». Dies habe Bental nicht
getan. «Die Vorstellung, Vertreter
des Staats würden in amtlicher
Funktion nachts in private Keller dringen,
um eine Abhöranlage zu installieren,
und täuschten dann erst noch ein
erotisches Abenteuer vor, hat schon leicht
satirische Züge.» Der Angeklagte
habe nicht wie ein Behördemitglied,
sondern - «er möge mir den
Vergleich nicht übelnehmen» -
wie ein kleiner Krimineller gehandelt. Man
stelle sich vor, eine eifersüchtige
Schweizerin hege den Verdacht, ihr Freund
sei ihr untreu und zapfe ihm das Telefon
an. «Käme eine
Staatsanwaltschaft auf die Idee, hier
Anklage wegen Amtsanmassung zu
erheben?» Ebenso könne von
keinem politischen Nachrichtendienst
gesprochen werden. Wenn es sich
überhaupt um einen Nachrichtendienst
gehandelt habe, dann um keinen
politischen. Es sei darum gegangen,
terroristische Anschläge zu
verhindern. Auch dass Issac Bental keine
verfälschten Ausweise benutzt habe,
lag für Trechsel auf der Hand.
«Die Pässe waren echt.» Und
Namensänderungen seien schliesslich
nicht illegal. «Die Verteidigung
verfolgt nicht das Ziel, das Geschehen an
der Wabersackerstrase zu
verharmlosen», erklärte
Trechsel. «Wir und Herr Bental
anerkennen, dass nicht völlig korrekt
vorgegangen wurde.» Sehr wohl
könnte man von «Versuch des
Abhörens fremder Gespräche und
Hausfriedensbruch» sprechen. Diese
Punkte fehlten aber in der Strafanzeige.
Trechsels Fazit: «Die Anklage ist
verfehlt formuliert.» Die
Fehlformulierung müsse unbedingt zu
einem Freispruch führen. So oder so -
bei der ganzen Aktion könne von einem
Notstand ausgegangen werden, der die Tat
rechtfertige. Trechsel: «Die
Hisbollah ist der erklärte Feind des
Staates Israel. In einer solchen Situation
gelten andere Regeln als in unserem
helvetischen Frieden.» Das Urteil
wird heute verkündet. Related files on this
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