Bern , Switzerland, Tuesday, July 4,
2000
Agent
Namenlos vor Gericht MOSSAD-AFFÄRE
/ Ab heute steht ein israelischer
Mossad-Agent vor dem
Bundesstrafgericht, der in die
Abhöraktion in Köniz vor zwei
Jahren verwickelt war. Weil die Berner
Polizei vier Agenten laufen liess, muss
sich nur Issac Bental vor Gericht
verantworten - der eigentlich gar nicht
Issac Bental ist. CHRISTINE BRAND Die
Geschichte könnte der Feder eines
phantasievollen Krimiautors mit einem
gewissen Hang zur Skurrilität
entsprungen sein. Festgehalten ist sie aber im
erläuternden Bericht zur
Anklageschrift eines Falles, der ab heute
Montag vor dem Bundesstrafgericht in
Lausanne behandelt wird; als Verfasserin
zeichnet die ehemalige Bundesanwältin
Carla Del Ponte. Die Kapitel
handeln von einem angeblichen
Liebesabenteuer zu dritt, einem
vorgetäuschten Herzinfarkt und einer
fehlgeschlagenen Telefon-Abhöraktion
durch fünf Mossad-Agenten, von denen
alle unter falschem Namen auftraten und
vier davon aus nicht
nachvollziehbaren Gründen von
der Berner Kantonspolizei laufen gelassen
wurden. Die Hauptdarsteller sind also
gänzlich unbekannt. Liebestolle
TouristenEs war mitten in der Nacht, als die
Geschichte ihren Anfang nahm: Eine
Bewohnerin des Wohnblockes an der
Wabersackerstrasse 27 in Köniz
vernahm seltsame Geräusche aus ihrem
Keller und entdeckte, dass die eigene
Kellertür verbarrikadiert war. Sie
alarmierte die Polizei, die wenige Minuten
später mit einer Streife eintraf und
die Öffnung der Türe erzwang.
Hinter der Tür fanden die Berner
Kantonspolizisten zwei Männer und
eine Frau. Sie seien Touristen in Bern,
erklärten die drei, und sie hatten
auch prompt eine mehr oder minder
einleuchtende Ausrede für ihren
Aufenthalt zur seltsamen Stunde am
aussergewöhnlichen Ort parat: Sie
hätten den Keller für ein
gemeinsames Liebesabenteuer aufgesucht.
Die Polizei kontrollierte ihre
israelischen Reisepässe, die wohl
echt waren, aber falsche Namen enthielten.
Der in flagranti ertappte Issac
Bental behielt eine Reisetasche auf
sich und bezeichnete diese als
«Diplomatengepäck», das er
im Auftrag eines Kollegen bei der
israelischen Botschaft abliefern
müsse. Immerhin: Der Polizei fiel
auf, dass das Siegel zum Hauptfach der
Tasche nicht fachgerecht angebracht war
und sich in einem Seitenfach Kabel mit
Klemmen und Schrauben befanden. Bental
wurde in Haft genommen. Die anderen wurden
noch in derselben Nacht entlassen.
Gleichzeitig wurde die Kantonspolizei auch
vor dem Hauseingang an der Nase
herumgeführt: Dort täuschte ein
Mann mit einem Ablenkungsmanöver
Herzprobleme vor, worauf «seine
Frau» um Hilfe rief. Die Polizei
forderte als wahrer Freund und Helfer die
Sanitätspolizei an, die den
vermeintlichen Patienten und eigentlichen
Aufpasser ins Zieglerspital fuhr. Dort
wurden die Pässe kontrolliert und die
beiden Personen entlassen. Grosser Fang
entwischtDie Polizei ahnte noch nicht, dass
ihnen hier ein aussergewöhnlicher
Fang durch die Lappen gegangen war: Bei
den zwei Frauen und drei Männern
handelte es sich um Agenten des
israelischen Geheimdienstes Mossad, die an
der Wabersackerstrasse die Telefonleitung
eines angeblichen Mitglieds der
pro-iranischen Organisation Hisbollah
anzapfen wollten. Was die Agenten
ihrerseits nicht ahnten: Das Ziel ihrer
Abhöraktion, ein eingebürgerter
Libanese, war vor einigen Monaten
weggezogen. Ein Fehlschlag also, durch und
durch. Somit wird nur einer der
Mossad-Agenten, Issac Bental alias
Jacob Track, der eigentlich gar
nicht Issac Bental ist, heute vor das
Bundesgericht geführt - sofern er
denn erscheint: Der Angeklagte, der
gestand, dass er für den Geheimdienst
Mossad tätig ist und in Köniz im
Keller eine getarnte Abhörstation
eingebaut hat, wurde im April 1998 gegen
eine Kaution von drei Millionen Franken
nach Israel entlassen. NamenswirrungenSollte Bental wirklich einreisen,
könnte allein der unbekannte echte
Name für Wirrungen sorgen: Reist er
mit einem Pass auf den Namen Bental ein,
müsste er von den Zollbeamten wegen
gefälschter Dokumente angehalten
werden. Sollte Bental unter dem
Diplomatenstatus einreisen, könnte er
gar nicht verurteilt werden. Zudem
dürfte die unbekannte Identität
des Angeklagten das Gericht vor eine
schwierige Aufgabe bei der Strafzumessung
stellen: Allfällige Vorstrafen
können nicht berücksichtigt
werden. Das Bundesgericht geht davon aus,
dass der Angeklagte erscheinen wird. Der
Prozess könnte aber so oder so -
notfalls in Abwesenheit Bentals -
durchgeführt werden. Bental wird der
verbotenen Handlungen für einen
fremden Staat, des politischen
Nachrichtendienstes und des wiederholten
Gebrauchs gefälschter Ausweise
beschuldigt. Der Anklagepunkt wegen
versuchten Abhörens und Aufnehmens
fremder Gespräche wurde fallen
gelassen: Die Zielperson des
missglückten Lauschangriffes und der
Angeklagte haben einen Vergleich
erzielt. SicherheitsvorkehrungenFür den Prozess, der
voraussichtlich eine Woche dauern wird,
wurden grosse Sicherheitsvorkehrungen
angeordnet. Das Bundesstrafgericht wird
präsidiert von Bundesrichter Hans
Wiprächtiger. Die Anklage
vertritt der stellvertretende Bundesanwalt
Felix Bänziger. Für die
Verteidigung Bentals treten der Berner
Anwalt Ralph Zloczower und der
Strafrechtsprofessor Stefan
Trechsel, einstiger Präsident der
Kommission für Menschenrechte in
Strassburg, auf. Am Freitag wird das
Urteil erwartet. «Bedauern»cbb. Die Bundesanwaltschaft misst dem
Fall grössere politische Bedeutung
zu: Die illegale Abhöraktion des
Mossad sei ein unakzeptables Vorgehen des
israelischen Staates gegenüber der
Schweiz als befreundeter Staat gewesen.
Ihre äussere Sicherheit hätte
beeinträchtigt werden können.
Nach dem Vorfall drückte ein Sprecher
des israelischen Aussenministeriums sein
Bedauern aus wegen der Komplikationen, die
der Schweizer Regierung wegen des
Zwischenfalls entstanden seien. Der
israelische Geheimdienst Mossad untersteht
direkt dem Ministerpräsidenten.
Prozess-Auftakt
gegen Mossad-Agenten JUSTIZ / Gestern hat das
Bundesstrafgericht den Prozess gegen den
in Köniz ertappten Mossad-Agenten
eröffnet. cbb. «Kommt er, oder kommt er
nicht», war die Frage, um die sich
gestern vor dem Tribunal
Fédéral in Lausanne alles
drehte. Und - er kam angereist: Der
Mossad-Agent, der vor zwei Jahren in
Köniz bei einem missglückten
Lauschangriff von der Berner
Kantonspolizei in flagranti ertappt worden
ist, muss sich seit gestern vor dem
Bundesstrafgericht verantworten. Der
Angeklagte wird der verbotenen Handlungen
für einen fremden Staat, des
politischen Nachrichtendienstes und des
wiederholten Gebrauchs verfälschter
ausländischer Ausweise beschuldigt.
Der Agent, der unter dem Namen Issac
Bental auftritt, ist in allen drei
Punkten geständig. Er gibt zu, in
einem Keller in Köniz eine Anlage zum
Abhören einer Telefonleitung
installiert zu haben. Er gibt zu, dass er
für den israelischen Geheimdienst
Mossad arbeitet, und er gibt ebenfalls zu,
dass er zwar mit einem echten Pass, aber
mit einem falschen Namen darin
auftritt. Trotz hartnäckigem Nachfragen ist
es Bundesrichter Hans
Wiprächtiger aber nicht gelungen,
der wahren Identität des Issac Bental
auf die Spur zu kommen. Auch über
seine Arbeit als Mossad-Agent oder den
Mossad-Geheimdienst im Allgemeinen war
Bental nicht bereit, Auskunft zu geben.
Die Verteidigung, die angeblich ebenfalls
nicht weiss, wen sie genau verteidigt, bat
um Verständnis für die
«Massnahme zum Schutz des
Angeklagten», der andernfalls an
«Leib und Leben» gefährdet
wäre. Ebenso der israelische
Staatsanwalt: In einem Schreiben
versichert er, dass der Angeklagte nie
mehr im Auftrag des Staates Israel in der
Schweiz tätig sein werde.
Vom
Agenten, von dem niemand weiss, wie er
heisst MOSSAD-AFFÄRE
/ Issac Bental, Mossad-Agent von Beruf,
ist geständig: Er gibt zu,
für den israelischen Geheimdienst
in der Schweiz spioniert und in einem
Keller in Köniz eine
Abhöranlageinstalliert zu haben -
und unter falschem Namen aufzutreten.
Seiner wahren Identität ist auch
das Bundesstrafgericht beim gestrigen
Prozessauftakt in Lausanne nicht auf
die Spur gekommen. CHRISTINE BRAND Abgesehen von der Grösse, die
nicht gerade stattlich ist, hat er nicht
das Geringste gemein mit Tom Cruise
in «Mission Impossible».
Geschweige denn mit einem Pierce
Brosnan oder gar einem Sean
Connery. Ehrlich geschrieben:
Würde er sich um die Rolle des
Agenten 007 bewerben, würde er im
besten Fall als Statist hinter der
Eistheke landen. Zwar trägt er sein
dunkelbraunes Haar militärisch kurz
geschnitten. Und die Schläfen sind
dezent ergraut. Doch in seiner
Gesamterscheinung erinnert er eher an
einen Kleinlandwirt, der seinen Betrieb
wegen Unrentabilität nur noch
nebenbei führt und hauptamtlich als
Tramchauffeur fungiert. Und doch: Der Mann, der sich Issac
Bental nennt und der einem auf der Strasse
kaum auffallen würde, ist Spion von
Beruf. Allerdings nicht gerade ein allzu
erfolgreicher: Bei der Installation einer
Telefon-Abhöranlage vor zwei Jahren
an der Wabersackerstrasse 27 in Köniz
wurde er von der Berner Kantonspolizei in
flagranti ertappt. Die spektakuläre
Geschichte, die von einem Liebesabenteuer
zu dritt sowie einem gescheiterten
Lauschangriff auf einen angeblichen
Hisbollah-Terroristen handelt und darin
gipfelt, dass die Kantonspolizei vier der
fünf Agenten unbehelligt laufen
liess, fand gestern ihre Fortsetzung: In
Lausanne wurde vor dem Bundesstrafgericht
der Prozess gegen Issac Bental,
Mossad-Agent, eröffnet. In allen Punkten
geständig«Kommt er, oder kommt er
nicht?» war die bange Frage, um die
sich gestern alles drehte. Doch der
Angeklagte, der gegen eine Kaution von
drei Millionen Franken nach Israel
entlassen worden war, kam angereist -
freilich mit einer anderen Mission als
noch vor zwei Jahren. Er hat sich vor dem
Bundesstrafgericht wegen verbotener
Handlungen für einen fremden Staat,
wegen politischen Nachrichtendienstes und
wiederholten Gebrauchs verfälschter
ausländischer Ausweise zu
verantworten. Der Anklagepunkt wegen
versuchten Abhörens und Aufnehmens
fremder Gespräche wurde fallen
gelassen; die Zielperson des gescheiterten
Lauschangriffes und der Mossad haben sich
in einem Vergleich geeinigt. Issac Bental
zeigte sich vor dem ehrwürdigen
Tribunal durchaus kooperativ und
einsichtig: Er ist in allen drei Punkten
geständig. Nur: Mit wem es das
Gericht gestern wirklich zu tun hatte,
blieb offen. Zwar haben zwei
Bundespolizisten den Angeklagten als den
Mann wieder erkannt, der damals im
Könizer Keller ertappt worden war.
Doch Issac Bental gab unumwunden zu, dass
hinter seinem Namen eine andere
Persönlichkeit steckt. Mehr war nicht
zu erfahren. Eine «kurze
Erklärung» zu Bentals
Identität gab deshalb Verteidiger
Ralph Zloczower ab. Auch ihm sei
der Name seines Mandanten nicht bekannt.
«Es handelt sich um eine heikle
Angelegenheit.» Heikel darum, weil
sein Mandant an «Leib und Leben»
gefährdet sei, käme seine wahre
Identität ans Licht. Attentate auf
den Angeklagten seien weder in der Schweiz
noch in seiner Heimat auszuschliessen.
Zloczower bat um Verständnis
dafür, dass der echte Namen im
Dunkeln bleiben werde. «Warum, Herr
Mossad . . .»Ob der ganzen Namenklauberei war
schliesslich selbst Bundesrichter Hans
Wiprächtiger, der das
Bundesstrafgericht präsidiert, leicht
irritiert. «Warum also Herr Mossad,
sind Sie dem Geheimdienst
beigetreten?», wollte er von Bental
wissen. Es seien ideelle Gründe
gewesen, weshalb er beim Mossad seine
Arbeit angefangen habe, erklärte der
wortkarge Bental. Er habe seine Arbeit
immer mit seinem Gewissen vereinbaren
können. «Ich habe noch nie
Menschen verletzt.» Beim Vorfall in
Köniz habe er ausgeführt, was
ihm befohlen wurde. Es wäre auch
nicht seine Sache gewesen, die Schweiz
über das (illegale) Vorgehen des
Mossads ins Bild zu setzen.
Die Person, die
hinter Issac Bental stehe, sei nicht
vorbestraft, erklärte der
angeblich 46-Jährige. In einem
Schreiben versicherte zudem der
israelische Staatsanwalt, der Angeklagte
werde nie wieder im Auftrag des
israelischen Staates in der Schweiz
tätig sein. Überhaupt soll Issac
Bental, der Wirtschaft, Mathematik und
Informatik studiert hat, in Zukunft wohl
etwas geschickter hantieren: Er befinde
sich derzeit im Auftrag des Mossad in
einer Weiterbildung und verdiene 2000
Dollar im Monat. Morgen werden in Lausanne
vier Zeugen, darunter ein Berner
Kantonspolizist und der eingebürgerte
Libanese, der belauscht werden sollte, zur
Mossad-Affäre befragt. Das Urteil
wird am kommenden Freitag erwartet. Der
Mossad ap. Der israelische Geheimdienst
Mossad ist seit 1951 mit der so genannten
Auslandaufklärung betraut und
untersteht direkt dem
Ministerpräsidenten. Mehrere
spektakuläre Aktionen trugen dem
Mossad einen legendären Ruf ein; er
hat aber unter Fehlschlägen gelitten.
Auf die Rechnung des Mossads gehen die
Entführung Adolf Eichmanns, der
Millionen von Juden deportiert haben soll,
sowie Vergeltungsmorde nach der Ermordung
israelischer Sportler an Olympia
1972. Related files on
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