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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung , Feuilleton, 16. Februar 2000


 

Es knistert

Aus dem Irving-Prozess: Taktische Konzessionen des Klägers

 

LONDON, 15. Februar

Zeit vergeht im Gerichtssaal Nummer 73. Zuerst hatte der mächtige Saal-Clerk, eine gestrenge Dame in Schwarz, Herrin über die Sitzreihen, plötzlich kürzere Haare, von einem Tag auf den anderen. Dann kam der Kläger, David Irving, sichtlich vom Friseur. Eines Tages waren die feuerroten Locken Deborah Lipstadts, der Beklagten, beinahe unmerklich gestutzt. Und schließlich wurde der schweigsamste und berühmteste ihrer drei Anwälte, Anthony Julius, recht rabiat geschoren. Der Gerichtsprozess um die Frage, ob David Irving ein Holocaust-Leugner ist und ob er mit diesem Terminus verleumdet wird, ist in die sechste Woche gegangen.

1.5 million memorialDer Richter, der um seiner höheren Stellung willen eine Perücke trägt, wurde nicht langsam, sondern abrupt ungeduldig. Bereits auf halbem Weg zwischen, hinter und vor den Kulissen ist zu erfahren, dass das Verfahren viel kürzer dauern wird als anberaumt. Anfang März soll es zu Ende sein, und dem im Weg steht höchstens David Irving, der nicht aufhört, immer dieselben Fragen zu stellen. Die Leiter der Gedenkstätte in Auschwitz, die die Zahl auf ihrer Tafel von vier Millionen Ermordeten (kurz nach Kriegsende) inzwischen auf eineinhalb Millionen heruntergesetzt haben -- sind auch sie Holocaust-Leugner? Man hat Fragen dieser Natur schon zu oft gehört.

In diesem Stil begann Irving auch die neue Woche: „Heute ist der Jahrestag der Bombardierung von Dresden. Würden Sie, Zeuge, diese Tat als „einen Holocaust" bezeichnen?" Man hat in diesem Gerichtssaal schon die verschiedensten Zeugentemperamente gesehen. Da waren Watt und Keegan, die Doyens der englischen Historiografie, von Irving gegen ihren Willen vor den Richter gebracht. Mühsam humpelten sie herein, unwillig bestätigten sie das eine oder andere lobende Wort, das sie einst über Irvings Arbeit hatten fallen lassen. Da waren die jugendlichen Starhistoriker der Verteidigung: erst Robert Jan van Pelt, der gut vorbereitet und voll Elan, aber dem Richter vielleicht ein kleines bisschen zu engagiert war - als würde er bei Bedarf einer Antirassismusdemonstration das Transparent vorantragen. Dann Christopher Browning, dem seine Gelassenheit in die Wiege gelegt worden sein muss, denn so wie er sie beherrscht, kann man sie nicht erlernen. Im Sitzen noch ein Riese, sah er David Irving aus dem Zeugenstand immer ein wenig gutmütig-erstaunt an, wie ein ehrwürdiger Kavallerist, der zum ersten Mal einem Zirkuspferd begegnet.

Und nun Richard Evans, Professor für Modern History in Cambridge, der das ganze Historikerteam zusammengestellt und die Verteidigungslinien ausgearbeitet hat. Evans schriftliches Gutachten ist eines der längsten, ein Kernstück der Verteidigung, und wird von David Irving als „in höchstem Maße diffamierend" bezeichnet. Evans gab gleich am ersten Tag zu Protokoll, Irving verdiene es nicht, ein Historiker genannt zu werden: Schockierend weit sei er aus dem Rahmen dessen gefallen, was an wissenschaftlichen Standards unter Historikern als verbindlich gilt. Evans ist ein kleiner, ganz und gar unauffälliger Mann mit dazu unverhältnismäßigem Temperament: Es knistert zwischen Zeugen und Kläger. Irving, der ja in vielem funktioniert wie ein Kind, warf Evans sogleich rundheraus vor, ihn zu hassen. Er bekam die einzige Antwort, die in einem Gerichtssaal möglich ist. Er habe, sagte Evans, keine persönlichen Gefühle für Irving und sich außerdem bemüht, so objektiv wie möglich sein Gebiet zu erforschen: „David Irving, Hitler und die Leugnung des Holocaust heißt das mehrere hundert Seiten starke Werk."

Dieses will Irving nun Punkt für Punkt auf seine Schwächen und Unwahrheiten durchgehen. doch das passt dem Richter gar nicht. Er hat es hier erstmals mit einem klassisch vorsichtigen Historiker zu tun, der seine Behauptungen am liebsten mit zehn Zitaten seiner Kollegen untermauert. So widmet Evans -- dem interessierten Laien dienlicher als dem Prozessverlauf- die ersten hundert Seiten den unterschiedlichen Urteilen, die andere Historiker über Irving gefällt haben. Jedes Mal, wenn der Richter wissen will, ob Evans sich diesen zum Teil vernichtenden Einschätzungen anschließt, weist dieser sanft darauf hin, dass das entsprechende Zitat eben von Gilbert, Craig, Broszat oder wem auch immer stammt. So kommt man hier nicht weiter.

Schließlich spricht der Richter sein erstes Machtwort: Er werde die bloß zitierten Historiker nicht in seine Urteilsfindung einbeziehen. Machtwort zwei gilt ganz allein David Irving, als dieser wieder eine, wie er meint, angebrachte Frage stellt: Angenommen, jemand schriebe (wie er selbst über Hitler) ein Buch über Churchill und würde darin die Judenvernichtung ganz weglassen, wäre er dann auch ein ...? Noch bevor er schon wieder „Holocaust-Leugner" sagen kann, unterbricht der Richter: „I think we can do better." Das ist jedoch schwierig. Wenn er nicht gerade selbst die Fragen stellt, redet sich Irving aus jeder Anschuldigung mit Leichtigkeit heraus: Er ist so skrupellos wie gleichzeitig von seiner eigenen Wahrhaftigkeit überzeugt, auch wenn es diese Kombination nur selten gibt. Er hat, „um das Verfahren abzukürzen", wie er sagt, schon so viele Konzessionen an seine Gegner gemacht, dass man gar nicht mehr weiß, was er eigentlich noch bestreitet.

Außer für Auschwitz-Birkenau, Krematorium 2, scheint er inzwischen Vergasungen zuzugestehen, wenngleich ohne irgendein Ausmaß nennen zu wollen. Ab 1943, sagte er einmal umständlich, könnte Hitler nicht mehr behaupten, nicht informiert gewesen zu sein, was seine „Erzbösewichte" Himmler, Goebbels und Heydrich trieben. Die Massenerschießungen an der Ostfront habe er nie bestritten, bloß die Anzahl der Erschossenen, ruft Irving einmal beinahe beleidigt aus. In all diesen angeblichen Konzessionen bleibt er jedoch so unklar, dass einen schon längst folgende unangenehme Vorstellung beschlichen hat: Er könnte hier seinen Verleumdungsprozess gewinnen als einer, der bloß und mit gutem Grund ein paar Zahlen angezweifelt hat. Anschließend ginge er hinaus zu seinen jubelnden Kahlgeschorenen und Kriegsveteranen und behauptete dort aufs Neue, dass es keine Gaskammern gab, Hitler nichts gewußt habe und die geldgierigen Juden reihenweise Nachkriegsnummern in ihre wohlgenährten Unterarme tätowiert hätten.

Doch Irvings vermeintliche Konzessionen dürfen nicht zählen. Präzise wird der Richter, der wegen der Kompliziertheit des Falles auf die übliche zwölfköpfige Jury verzichtet hat, die verschiedenen Zeitpunkte abzuwägen haben. Was hat Irving zu jenem Zeitpunkt propagiert, als Deborah Lipstadt ihr Buch schrieb und ihn darin einen der „gefährlichsten Holocaust-Leugnern nannte? Welche historischen Quellen hätte Irving kennen und als „seriöser Historiker" berücksichtigen müssen, als er Bücher schrieb und Reden hielt?

Seinen Kläger hat Richter Gray hier schon ausreichend kennen gelernt. Ein typisches Muster von Holocaust-Leugnern sei es, erläutert etwa Richard Evans, die Schuld an Grausamkeiten und Todesfällen in überwiegendem Maße den Alliierten zuzuschreiben. Sofern Irving hohe Sterblichkeitsraten in den Lagern überhaupt zugebe, schreibt Evans in seinem Gutachten, mache er die Bombardierungen dafür verantwortlich.

Das Bombardieren von Städten führt zu Seuchen, bestätigt Irving „Die Seuchen in den Lagern wurden durch die Umstände erzeugt, unter denen die Menschen untergebracht waren", entgegnet Evans, der sich als erster der bisherigen Zeugen von Irving kaum unterbrechen läßt.

„Wollen Sie damit sagen, die Nazis führten Seuchen absichtlich herbei?", ruft Irving. „Sie führten absichtlich die Umstände in den Lagern herbei, die zu den Seuchen führten, erwidert Evans und ergänzt. „Die Deutschen wussten sehr gut, wie man Typhus bekämpft."

„Wodurch wird Typhus übertragen?," fragt Irving herausfordernd. „Durch Läuse, die Menschen befallen", antwortet Evans.

„Ist Ihnen bekannt, dass in den Lagern regelmäßig entlaust wurde?" fragt Irving weiterhin herausfordernd.

„Sie haben gerade gesagt", schaltet sich plötzlich und unerwartet der Richter ein, „dass Millionen vor allem an den Seuchen gestorben sind. Jetzt sagen Sie. wie großartig die Nazis den Typhus bekämpften!"

„Das habe ich nicht gesagt", wehrt Irving ab: „Dieser Zeuge behauptet aber, die Nazis hätten gar nichts gegen den Typhus getan -- wissen Sie, Zeuge, wie viele Menschen im Lager Dachau in den Monaten nach der Befreiung durch die Amerikaner starben?" „Nein, sagt der Zeuge.

„Zwanzigtausend!", ruft Irving. „Würden Sie deswegen behaupten, die Amerikaner hätten den Typhus absichtlich herbeigeführt?"

„Damit haben Sie diese ganze Debatte doch erst angefangen", seufzt der Richter, „Sie haben gesagt, dass wir, die Alliierten. die Seuchen verschuldet haben."

Dann vertagt er den Prozess auf der nächsten Tag. EVA MENASSE

 


See the violent reader's letter attack on Mr Irving resulting from this article. On the same day, Feb 16, the Frankfurter Allgemeine Zeitung also published a flattering whole page article (not posted here) by the same journalist, Miss Menasse, on a visit to Steven Spielberg and his Shoah memorial film project.

 

SUGGESTION: Did this journalist accurately reflect the day's proceedings? Check the day's transcript (when available) and then fax a reader's letter to her newspaper the Frankfurter Allgemeine Zeitung at (+49) 69 7591 1743 or 


February 16, 2000

 

Courtesy links: Professor Evans' witness report • click to download download

 

Dr Longerich's witness report • click to download download

 

Prof van Pelt's witness report • click to download download

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