ES hat am Montag keine zwanzig Minuten gedauert,
dann war David Irving offiziell für bankrott
erklärt. Sein Anwalt bat noch um Aufschub, doch
wurde keiner mehr gewährt. Der Hinweis, man habe
über dieses komplizierte Thema der Finanzen schon
mit dem Erstrichter Charles Gray einen Tag lang
verhandelt, erwies sich taktisch als Schuß in den
Ofen -- wenn man in solcher Ausführlichkeit Richter
Gray nicht habe überzeugen können, dann sei
auch jede weitere Diskussion hier überflüssig,
beschied man Irving sinngemäß.Die offizielle Bankrotterklärung durch das
Londoner Höchstgericht ist ein weiterer von vielen
Schlußpunkten in dem ebenso absurden wie
spektakulären Prozeß Irving gegen Deborah
Lipstadt, den der Autor
populärwissenschaftlicher historischer Bücher,
ein bekannter Rechtsextremer und
Holocaust-Leugner, vor fast zwei Jahren auf ganzer
Linie verloren hatte.
Wie in dieser Zeitung berichtet, wollte er Deborah
Lipstadt, die an einer amerikanischen Universität
lehrt, untersagen lassen, ihn in einem Buch als
Geschichtsfälscher und Holocaust-Leugner zu
bezeichnen -- wenn er zentrale Fakten des Holocaust wie
etwa die Vergasungen in Auschwitz leugne, dann mit gutem,
eben auf anderen Fakten basierendem Grund, lautete seine
Argumentation.
Seit Prozeßende versucht Deborah Lipstadts
Verlagshaus Penguin, das den größten Teil der
Prozeß- und Gutachterkosten
von über 2 Millionen Pfund (rund dreieinhalb
Millionen Euro) getragen hat, Geld vom Verlierer Irving
zurückzuholen. Eine erste Abschlagszahlung von
150 000 Pfund (245 000 Euro), zu der er
verurteilt \wurde, hat Irving bis heute nicht
bezahlt.
Die offizielle Bankrotterklärung ist die Quittung
dafür. Nach englischem Recht wird nun ein
Treuhänder, eine Art Konkursverwalter, eingesetzt,
der überprüft, was sich beim Bankrotteur noch
zu Geld machen läßt. Irving wird wohl aus
seiner geräumigen Wohnung im teuren Londoner Mayfair
ausziehen müssen -- sie ist allerdings längst
mit Hypotheken belehnt.
Schwerer dürfte für ihn wiegen, daß
nun nach seinen Geldgebern geforscht werden kann. Seit
vielen Jahren wird er von
Rechtsextremen auf der
ganzen Welt finanziert. Immer wieder hat er Journalisten
stolz die Barschecks gezeigt, die ihm in
unauffälligen Kuverts zugeschickt werden.
Es ist kein Zufall, daß die Identitäten
dieser Unterstützer immer erst dann bekanntwerden,
wenn es ihnen nicht mehr schadet.
Vor zwei Jahren, kurz vor Prozeßende, starb ein
wichtiger Gönner Irvings, ein gewisser Henry
Kersting, Finanzjongleur mit Sitz auf Hawaii. Irving
zufolge war Kersting ein deutscher U-Boot-Kommandant; er
pflegte ihm große Summen in bar mit Federal Express
zuzuschicken.
Auch Prinz Fahd bin Salman, ein Neffe des
König Fahd von Saudi-Arabien, konnte für
Irvings ,,gerechten Kampf um die Wahrheit" interessiert
werden, doch nach dem ersten Treffen verstarb er
unerwartet.
Die britische Bankrotterklärung, die eine
Durchleuchtung aller Finanzen zur Folge hat, könnte
nun erstmals Irvings Geldquellen wirklich in Gefahr
bringen. Doch Irving hat, obwohl er das Archivieren
liebt, bereits angekündigt, lieber alle seine
Unterlagen zu vernichten, als seine anonymen Spender
preiszugeben. EVA MENASSE