Frau Elke C. Fröhlich8 M ü n c h e n 49
Floriansmühlstr. 11
Sehr geehrte Frau Fröhlich !
Im Nachgang zu meinem gestrigen Schreiben habe
ich mit einer Mitarbeiterin Gesprochen, die damals in
Nürnberg bei der Vorlage der
Endlösungsdokumente mitgearbeitet hat.
Wir haben uns an noch mehr Einzelheiten
erinnert. Danach besteht die Möglichkeit,
daß diese Dokumente sich vielleicht in den
Dokumentenbüchern zu Punkt V des
Wilhelmstraßeprozesses befinden.
Möglicherweise habe ich sie gegen den Angeklagten
Staatssekretär Stuckardt oder den Reichsminister
Lammers verwandt. Vielleicht sind die Originale auch
in den Dokumentenbüchern beim Haager Gerichtshof,
wo die Unterlagen des Prozesses archiviert sind. Ich
selbst habe dieses Dokument P.S. 4055 als US-Dokument
(US-925) im IMT-Prozess eingeführt und den
damaligen Zeugen Schlegelberger vorgehalten. (siehe
die blaue Serie deutsche Ausgabe XX Seite
300).
Eine etwaige Annahme, daß Hitler erst
nach dem Kriege die Endlösung durchführen
wollte, ergibt sich aus diesen Dokumenten keineswegs.
Zur damaligen Zeit war die Endlösung , d.h. die
Ermordung der Volljuden bereits in vollem Schwunge und
es waren aus Berlin und anderen Orten schon Tausende
von Juden in die Todeslager des Ostens
überführt worden. (siehe DER MORD AN 35 000
BERLINER JUDEN, Stiehm-Verlag, Heidelberg)
Sie müssen dieses Dokument im Zusammenhang
mit der Märzkonferenz über Einzelheiten der
Endlösung (abgedruckt in meinem Buch EICHMANN UND
KOMPLIZEN, Europa-Verlag, Zürich) sehen. Im
März und April 1942 ging die Diskussion zwischen
Lammers, Justizministerium und Innenministerium um die
Durchführung der Endlösung hinsichtlich
Halbjuden, gemischte Ehepartner, Auflösung von
Ehen, Sterilisation von Halbjuden etc. In diesem
Zusammenhang soll Hitler bemerkt haben, er wolle in
dem Ressortstreit nicht jetzt entscheiden sondern
diese diffizilen Rechtsfragen bis nach dem Kriegsende
zurückstellen Stuckardt und Schlegelberger haben
sich in diesem Zusammenhang gebrüstet, daß
sie dies erreicht hätten. Ich habe ihnen auf
diese Hinweise hin vorgehalten: schon daraus ginge
hervor, daß sie über die Ermordung der
Volljuden gewußt hätten. -- Als ich
Schlegelberger dies vorhielt, hatten wir noch nicht
das Protokoll der Wannsee-Konferenz vom 20.l.1942
gefunden.
Mit den besten Empfehlungen
Kempner
Robert M W Kempner